Donald Trump will mit umfassenden Zollmaßnahmen die US-Industrie zurück auf Erfolgskurs bringen – eine Rückkehr zur industriellen Blütezeit des 20. Jahrhunderts. Während 1970 noch mehr als ein Viertel aller Amerikaner in der Fertigung tätig war, sind es heute nur noch rund 8 %. Trumps Strategie zielt auf eine Renaissance halbleerer Fabriken im Mittleren Westen, gestützt auf einen Basistarif von 10 % auf alle Importe, teils noch höher für bestimmte Länder.
Doch Experten bezweifeln, dass Zölle allein eine industrielle Wiedergeburt bewirken können. Zum einen hat sich die Industrie durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz massiv gewandelt – moderne Fabriken benötigen heute weniger, dafür hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die klassischen Fließbandjobs gehören der Vergangenheit an.
Ein Strukturproblem: Qualifikationsmangel in moderner Fertigung
Die zentrale Herausforderung ist nicht nur der Rückgang von Industriearbeitsplätzen, sondern ein tiefgreifendes Mismatch zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt: Die offenen Stellen in der Fertigung – im Februar 2025 waren es 482.000 – treffen auf eine Bevölkerung, die oft nicht über die nötigen technischen oder digitalen Kompetenzen verfügt. Prognosen zufolge könnten bis 2033 etwa 1,9 Mio. Industriearbeitsplätze unbesetzt bleiben.
Wie Carolyn Lee vom Manufacturing Institute betont, reichen einfache Einstiegsqualifikationen längst nicht mehr aus. Gesucht werden Fachkräfte mit Know-how in Software, Datenanalyse oder Robotik-Wartung – auch wenn nicht zwingend ein Hochschulabschluss erforderlich ist. Es braucht gezielte Bildungsinitiativen und Umschulungen, um die Arbeiter fit für das neue industrielle Zeitalter zu machen.
Zölle – Wirtschaftlicher Impuls oder Bumerang?
Kritiker halten die Zollpolitik für ein zweischneidiges Schwert. Höhere Importpreise wirken wie eine Steuer auf Konsumgüter und treffen vor allem einkommensschwache Haushalte. Analysten wie JPMorgan warnen, dass die Last solcher Maßnahmen überwiegend bei inländischen Käufern und Verkäufern liege – nicht bei den ausländischen Produzenten.
Zudem ist umstritten, ob der Niedergang der Industrie primär durch Handelsabkommen verursacht wurde. Studien verweisen verstärkt auf die Auswirkungen der Automatisierung als Hauptursache für den Arbeitsplatzabbau.
Technologie als Hoffnung und Risiko zugleich
Ein zentraler Aspekt ist die Rolle von Automatisierung und Künstlicher Intelligenz. Unternehmer wie Ravin Gandhi sehen in der Automatisierung zwar enorme Effizienzgewinne, doch auch den fortschreitenden Abbau klassischer Arbeitsplätze. Trotz aller Rationalisierung zeigt sich Gandhi optimistisch: Neue Technologien würden neue Jobprofile schaffen, die heute noch nicht einmal vorstellbar seien.
Doch die gesellschaftliche Realität ist komplexer: Ein Großteil der Arbeitskräfte ist nicht auf den digitalen Wandel vorbereitet. Laut einer WEF-Umfrage planen 41 % der Arbeitgeber, ihre Belegschaften wegen KI zu verkleinern. Die Frage lautet nicht nur, ob neue Arbeitsplätze entstehen – sondern wie schnell und für wen.
Fazit: Renaissance mit Hürden
Trumps Versuch, die industrielle Stärke Amerikas mit Zöllen wiederzubeleben, basiert auf einem nostalgischen Bild vergangener Zeiten. Doch die Realität im Jahr 2025 ist geprägt von Automatisierung, einem tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt und einem strukturellen Fachkräftemangel. Zölle allein greifen zu kurz. Ohne massive Investitionen in Bildung, Qualifikation und Technologieadaption bleibt die angestrebte Manufacturing Renaissance wohl ein politisches Narrativ – mehr Symbolpolitik als Substanz.