Die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 24. Juli 2025 gibt einen prägnanten Einblick in das Ausmaß und die Struktur der Mehrarbeit in Deutschland im Jahr 2024:
Laut Erstergebnissen der Arbeitskräfteerhebung leisteten rund 4,4 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – das entspricht 11 % der insgesamt 39,1 Millionen Beschäftigten – im Jahr 2024 regelmäßig mehr Arbeitsstunden als arbeitsvertraglich vorgesehen. Männer waren mit einem Anteil von 13 % etwas häufiger betroffen als Frauen (10 %).
Branchenspezifisch fiel die Mehrarbeit besonders in der Finanz- und Versicherungsbranche (17 %) sowie in der Energieversorgung (16 %) ins Gewicht. Am unteren Ende rangierten das Gastgewerbe (6 %) und wirtschaftsnahe Dienstleistungen wie Reinigungs- oder Sicherheitsdienste (8 %).
Zur Intensität der Mehrarbeit:
- 45 % der Betroffenen gaben an, unter fünf Überstunden pro Woche zu leisten,
- 73 % blieben unter zehn Stunden,
- jedoch hatten 15 % mindestens 15 Überstunden pro Woche – ein erhebliches Maß an Zusatzbelastung.
Zur Vergütung:
- 71 % der Mehrarbeitsstunden flossen auf ein Arbeitszeitkonto,
- 19 % der Betroffenen leisteten unbezahlte Überstunden,
- 16 % erhielten eine monetäre Vergütung für ihre Mehrarbeit.
Auffällig ist die große Verbreitung von nicht entlohnter Mehrarbeit, insbesondere angesichts der ohnehin bestehenden Herausforderungen im deutschen Arbeitsmarkt wie dem Fachkräftemangel oder der Debatte um eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit.
Kritische Würdigung:
Diese Zahlen zeichnen ein ambivalentes Bild: Einerseits belegen sie eine bemerkenswerte Arbeitsbereitschaft und Flexibilität der Beschäftigten. Andererseits wirft der hohe Anteil unbezahlter Überstunden Fragen hinsichtlich der Arbeitsrechtskonformität, sozialen Fairness und langfristigen Gesundheitsbelastung auf. Die weitverbreitete Nutzung von Arbeitszeitkonten mag in vielen Betrieben praktikabel erscheinen, verschiebt jedoch häufig die Risiken der Arbeitsverdichtung in Richtung der Arbeitnehmer.
Besonders kritisch zu bewerten ist die Tatsache, dass ein erheblicher Teil der Mehrarbeit nicht entlohnt wird – ein Indikator für asymmetrische Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt und eine potenzielle Aushöhlung tariflicher und gesetzlicher Arbeitszeitnormen. In Zeiten des demografischen Wandels und zunehmender Fachkräfteknappheit erscheint es notwendig, die Effizienz von Arbeitszeitmodellen zu hinterfragen und die Verteilung von Arbeit gerechter zu gestalten, anstatt Mehrarbeit zu normalisieren.