07. Sitzung des Deutschen Bundestages
Reform der Einbürgerungspolitik. Beratung des Antrags der Fraktion der AfD Reform der Einbürgerungspolitik als Voraussetzung einer wirklichen Migrationswende
Vergleich von Gottfried Curios Forderungen mit dem aktuellen Stand des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts (Stand: Mai 2025, auf Grundlage der Reform durch die Ampelkoalition) zeigt deutliche Differenzen zwischen einem integrationsfreundlichen, liberalisierten Ansatz und Curios restriktiver, nationzentrierter Haltung. Nachfolgend eine systematische Gegenüberstellung:
1. Einbürgerung: Anspruch vs. Ermessen
Aktueller Stand:
- Einbürgerung nach fünf Jahren rechtmäßigem Aufenthalt möglich (bei „besonderen Integrationsleistungen“).
- Nach acht Jahren besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung, sofern alle Bedingungen* erfüllt sind.
Curios Forderung:
- Abschaffung des Anspruchsrechts, stattdessen Einbürgerung nur nach Ermessen der Behörden.
- Rückkehr zur alten Praxis vor der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (vor 2000).
Bewertung:
Curio fordert eine restriktive Praxis, die dem heutigen rechtsstaatlichen Prinzip des Anspruchs auf Einbürgerung nach klaren Kriterien widerspricht.
2. Einbürgerungsfrist
Aktueller Stand:
- Verkürzung von acht auf fünf Jahre bei besonderer Integration.
- Sieben Jahre bei erfolgreicher Teilnahme an einem Integrationskurs.
Curios Forderung:
- Rücknahme der Fristverkürzung, idealerweise Verlängerung oder Abschaffung fester Fristen.
Bewertung:
Curio sieht in der Verkürzung eine Entwertung der Staatsbürgerschaft. Der aktuelle Stand setzt hingegen auf positive Anreize zur Integration.
3. Doppelstaatsbürgerschaft
Aktueller Stand:
- Regelhafter Doppelpass ist erlaubt.
- Die Pflicht zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit entfällt grundsätzlich.
Curios Forderung:
- Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft als Regelfall.
- Staatsbürgerschaft soll exklusive Identifikation mit Deutschland erzwingen.
Bewertung:
Die aktuelle Regelung akzeptiert Mehrstaatlichkeit als Realität globaler Migration. Curio stellt nationale Loyalität über soziale Realität und Völkerrecht.
4. Geburtsortsprinzip (ius soli)
Aktueller Stand:
- Kinder ausländischer Eltern erhalten die deutsche Staatsbürgerschaft bei Geburt, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt.
Curios Forderung:
- Abschaffung dieser Regelung.
- Staatsbürgerschaft soll sich nicht aus dem Geburtsort ergeben, sondern aus ethnischer oder kultureller Verbundenheit.
Bewertung:
Der aktuelle Stand fördert Integration von Geburt an. Curio stellt sich gegen dieses Prinzip und plädiert für eine exklusive ethnonationale Perspektive.
5. Sprachkenntnisse
Aktueller Stand:
- B1-Niveau in Deutsch ist ausreichend für die Einbürgerung.
Curios Forderung:
- C1-Niveau als verpflichtende Voraussetzung.
- Höhere sprachliche Hürden als Ausdruck „echter“ Integration.
Bewertung:
Die aktuelle Praxis will Teilhabe ermöglichen; Curio setzt auf Abschreckung durch hohe Anforderungen.
6. Ausschluss bestimmter Gruppen
Aktueller Stand:
- Straftäter können ausgeschlossen werden, wenn sie schwerere oder wiederholte Straftaten begangen haben.
- Aufenthaltszeiten mit humanitärem Status zählen zur Einbürgerungsfrist, sofern sie rechtmäßig sind.
Curios Forderung:
- Vollständiger Ausschluss von Straftätern, auch bei minderschweren Delikten.
- Keine Anrechnung von humanitären Aufenthaltszeiten auf die Einbürgerung.
- Rückführung z. B. syrischer Geflüchteter nach Ende des Bürgerkriegs.
Bewertung:
Das geltende Recht ist differenziert. Curio vertritt eine pauschale Exklusion, die rechtsstaatlich schwer haltbar wäre.
7. Rückführung statt Integration
Aktueller Stand:
- Dauerhafter Aufenthalt möglich, wenn Fluchtgründe fortbestehen oder die Integration gelungen ist.
- Einbürgerung ist nach Ablauf der Frist möglich.
Curios Forderung:
- Rückführung auch bei integrierten Menschen, sobald Fluchtgründe wegfallen.
- Keine dauerhafte Bleibeperspektive für humanitär Schutzberechtigte.
Bewertung:
Die Menschenrechtslage und das Völkerrecht sprechen gegen eine automatisierte Rückführung. Curio verfolgt ein konträres Modell zur internationalen Schutzverpflichtung.
8. Zielsetzung: Multikulturelle Gesellschaft vs. nationale Homogenität
Aktueller Stand:
- Förderung einer vielfältigen Gesellschaft, die Integration durch Teilhabe ermöglicht.
- Akzeptanz von Mehrfachidentitäten.
Curios Forderung:
- Ablehnung der „Multiminoritätengesellschaft“.
- Ziel ist eine kulturell homogene nationale Gesellschaft.
- Einbürgerung als Ausdruck eindeutiger deutscher Identifikation.
Bewertung:
Curio strebt eine ethnokulturell exklusive Gesellschaft an – diametral entgegengesetzt zur Realität und Vision des aktuellen Migrations- und Staatsbürgerschaftsrechts.
Fazit:
Die Forderungen von Curio stehen in klarem Widerspruch zur gegenwärtigen Gesetzgebung. Während das aktuelle Staatsangehörigkeitsrecht Integration fördern, Teilhabe ermöglichen und auf gesellschaftliche Realität reagieren will, fordert Curio eine Rückabwicklung aller Liberalisierungsschritte, verbunden mit einer ideologisch aufgeladenen Vorstellung nationaler Exklusivität. Seine Positionen spiegeln ein völkisch-nationales Staatsverständnis, das integrationspolitisch rückwärtsgewandt und gesellschaftspolitisch spalterisch wirkt.
*Die Aussage „sofern alle Bedingungen erfüllt sind“ bezieht sich auf die Voraussetzungen, die eine Person erfüllen muss, um in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung zu haben. Diese Bedingungen sind im Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) geregelt und wurden zuletzt durch die Reform der Ampelkoalition 2024/2025 geändert und teilweise erleichtert.
Die aktuellen Bedingungen für eine Einbürgerung mit Rechtsanspruch (Stand: Mai 2025):
1. Rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland
- Mindestens acht Jahre ununterbrochener rechtmäßiger Aufenthalt (bzw. sieben Jahre mit Integrationskurs, fünf Jahre bei besonderen Integrationsleistungen).
- Der Aufenthalt muss legal und auf einer gesicherten Aufenthaltserlaubnis beruhen.
2. Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung
- Die einbürgerungswillige Person muss sich zum Grundgesetz bekennen.
- Abzulehnen sind insbesondere Personen, die extremistische, antidemokratische oder verfassungsfeindliche Positionen vertreten oder unterstützt haben.
3. Straffreiheit bzw. keine schwerwiegende Kriminalität
- Keine schweren Straftaten: Geringfügige Ordnungswidrigkeiten oder Bagatelldelikte können im Einzelfall toleriert werden.
- Strafverfahren müssen abgeschlossen sein.
- Wer zu mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurde, gilt im Regelfall als nicht einbürgerungsfähig.
4. Lebensunterhaltssicherung
- Die Person muss in der Lage sein, sich selbst und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen ohne Sozialhilfe oder Bürgergeld zu versorgen.
- Es gibt Ausnahmen, z. B. für Alleinerziehende oder Menschen mit dauerhaften Einschränkungen.
5. Ausreichende Deutschkenntnisse
- Mindestens Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER).
- Der Nachweis erfolgt durch Sprachzertifikate, Schulabschlüsse oder persönliche Gespräche im Verfahren.
6. Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung
- Bestehen des Einbürgerungstests mit Fragen zu Geschichte, Demokratie, Recht, Kultur und Gesellschaft in Deutschland.
- Alternativ kann dieser durch bestimmte Schulabschlüsse ersetzt werden.
7. Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit
- Grundsätzlich wird erwartet, dass die bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben wird.
- Ausnahmen gelten bei:
- Herkunft aus Ländern, die keine Entlassung zulassen (z. B. Iran).
- Unzumutbarkeit oder erheblichem Aufwand.
- Staaten, die automatisch den Verlust verweigern oder verzögern.
Mit der Reform wurde der Doppelpass als Regelfall erlaubt – das war eine bedeutende Änderung gegenüber der früheren Praxis.
8. Keine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung
- Personen, bei denen Hinweise auf Extremismus, Terrorunterstützung oder organisierte Kriminalität vorliegen, sind ausgeschlossen.
- Eine Sicherheitsüberprüfung durch Verfassungsschutz und andere Behörden ist Bestandteil des Verfahrens.
9. Einbürgerung von Kindern
- Kinder, die in Deutschland geboren werden, erhalten automatisch die Staatsangehörigkeit, wenn:
- Ein Elternteil seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt,
- und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine dauerhafte Bleibeperspektive hat.
Fazit:
Die Einbürgerung in Deutschland ist trotz der Reform an eine Reihe substantieller Bedingungen geknüpft. Diese stellen sicher, dass die deutsche Staatsbürgerschaft nicht „verschenkt“, sondern mit Integration, Rechtsstaatlichkeit und aktiver Teilhabe verbunden ist. Curios Behauptung, die Einbürgerung sei zu leicht und bedingungslos geworden, ist im Licht dieser Anforderungen nicht haltbar – sie bleibt eine politisch motivierte Verzerrung.