Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte

1. Hintergrund und Rechtsgrundlage

  • Der Fonds basiert auf einer Vereinbarung vom 29. Oktober 1992 zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und der Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference).
  • Rechtsgrundlage ist Artikel 2 der Zusatzvereinbarung zum Einigungsvertrag (1990) zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR.
  • Die Vereinbarung wurde 2012 umfassend überarbeitet.
  • Die Claims Conference ist für die Verteilung der Mittel verantwortlich und entscheidet im Einzelfall nach festgelegten Kriterien.

2. Verwendungszwecke des Fonds

Der Fonds sieht drei Hauptverwendungszwecke vor:

  1. Einmalige Beihilfen
  2. Laufende Beihilfen
  3. Institutionelle Förderung (seit den 1990er-Jahren umgewidmet zu häuslicher Pflege, sogenanntes Homecare)

3. Detaillierter Abwicklungsstand (Stand: 30. Juni 2025)

3.1 Einmalige Beihilfen

3.1.1 Hardship-Fonds (Härtefallbeihilfen)

  • Zielgruppe: Jüdische NS-Verfolgte mit weniger schwerem Verfolgungsschicksal (z. B. Flucht, Ausgangssperren).
  • Höhe: 2.556 Euro (entspricht 5.000 DM).
  • Gesamtbereitstellung: 1,096 Mrd. Euro
  • Entscheidungen bis 30.06.2025:
  • 435.495 positive Entscheidungen
  • 133.026 negative Entscheidungen
  • 364 noch nicht entschiedene Fälle
  • 2024: 965 Personen erhielten die Einmalzahlung.
  • Geografische Verteilung:
  • Israel: 209.964
  • USA: 93.713
  • Russland: 39.008
  • Deutschland: 30.105
  • Ukraine: 18.080
  • Geschlecht & Geburtsjahrgänge:
  • Weiblich: 258.724 (Mehrheit)
  • Männlich: 176.771
  • Die meisten Empfänger:innen geboren zwischen 1934–1939.
  • Verfolgungsarten (Häufigste Kategorien):
  • Fluchtfälle: 329.845
  • Ausgangssperre: 64.226
  • Wirtschaftliche/gesellschaftliche Beschränkungen: 14.020

Hinweis: Bereits 1980–1992 wurden 250,7 Mio. Euro für 98.061 Einmalzahlungen bereitgestellt.

3.1.2 Child Survivor Fund

  • Zielgruppe: Jüdische NS-Opfer, die während ihrer Kindheit verfolgt wurden.
  • Höhe: 2.500 Euro (für medizinisch-psychotherapeutische Maßnahmen).
  • Gesamtbereitstellung: 228,59 Mio. Euro
  • Entscheidungen bis 30.06.2025:
  • 99.676 positive
  • 50.439 negative
  • 1.045 noch nicht entschieden
  • 2024: 1.014 Personen erhielten die Zahlung.
  • Geografische Schwerpunkte:
  • Israel: 46.786
  • USA: 12.682
  • Frankreich: 9.586
  • Ungarn: 5.709

3.2 Laufende Beihilfen

3.2.1 Art.-2-Vereinbarung (1992)

  • Zielgruppe: Jüdische Verfolgte mit besonders schwerem Verfolgungsschicksal (z. B. Ghetto, KZ).
  • Monatsbetrag: 667 Euro
  • Gesamtbereitstellung: 5,667 Mrd. Euro
  • Entscheidungen bis 30.06.2025:
  • 109.117 positive
  • 37.384 negative
  • 5.890 noch nicht entschieden
  • 74.409 verstorbene Empfänger:innen
  • Zahlfälle im 2. Quartal 2025: 28.476
  • 2024: 32.173 Personen erhielten laufende Leistungen.
  • Geografische Verteilung:
  • Israel: 50.827
  • USA: 24.731
  • Frankreich: 12.450
  • Geschlecht:
  • Weiblich: 59.802
  • Männlich: 49.315
  • Verfolgungsarten:
  • Ghetto ≥24 Monate: 28.728
  • KZ 6–12 Monate: 23.200

3.2.2 CEEF (Central-Eastern-Europe-Fund)

  • Zielgruppe: Jüdische NS-Verfolgte in Mittel- und Osteuropa / ehemaliger UdSSR, die keine Entschädigung erhalten hatten.
  • Monatsbetrag: ebenfalls 667 Euro
  • Gesamtbereitstellung: 1,223 Mrd. Euro
  • Entscheidungen bis 30.06.2025:
  • 34.214 positive
  • 6.003 negative
  • 678 noch nicht entschieden
  • 2024: 7.967 Personen erhielten CEEF-Leistungen.
  • Schwerpunktländer:
  • Ungarn: 14.325
  • Ukraine: 6.447
  • Tschechien: 2.187

3.3 Sonderzahlungen (Hardship Supplemental)

  • Ursprünglich als Corona-Sonderzahlung (2021–2023): 1.200 Euro/Jahr
  • Seit 2024–2027: steigende jährliche Zahlungen zur Abmilderung der Inflationsfolgen:
  • 2024: 1.250 €
  • 2025: 1.300 €
  • 2026: 1.350 €
  • 2027: 1.400 €
  • Zielgruppe: Empfänger:innen der Hardship-Einmalzahlung, insbesondere aus der ehemaligen UdSSR.
  • Bereitgestellte Mittel: 335 Mio. Euro

3.4 Region-Specific Severe Persecution Fund (RSP-Fonds)

  • Eingerichtet 2021 als Sonderfonds innerhalb der Art.-2-Vereinbarung.
  • Zielgruppe:
  • Überlebende der Leningrader Blockade (mind. 3 Monate)
  • Jüd:innen in Rumänien unter Besatzung (1941–1944)
  • Jüd:innen, die versteckt in Frankreich lebten
  • Leistung: 417 Euro/Monat, ab 2025 jährlich dynamisiert (wie BBEG-Renten)
  • Zusatzanspruch: ggf. zusätzlich Child Survivor Fund (2.500 €)
  • Bereitgestellte Mittel: 122 Mio. Euro

3.5 Institutionelle Förderung (Homecare)

  • Ursprünglich: Förderung von Alten- und Pflegeheimen (bis ca. 2000)
  • Heute: Häusliche Pflege (Homecare) für Holocaust-Überlebende weltweit
  • Aktuell: Über 300 Institutionen weltweit gefördert
  • Leistungsumfang:
  • Früher: max. 25 Wochenstunden
  • Heute: Rund-um-die-Uhr-Betreuung möglich für Schwerkranke
  • Historische Mittel (1980–1992): 15,3 Mio. Euro für Institutionen
  • Jährliche Förderbeträge (seit 1995) stark gestiegen:
  • 2016: 281,8 Mio. €
  • 2020: 536,1 Mio. €
  • 2024: 808,5 Mio. €
  • Sonderförderung Israel 2024: 55 Mio. € zusätzlich
  • ca. 10.000 Personen erhalten 1.500 NIS/Monat zusätzlich

3.6 Übergangsleistung für Hinterbliebene

  • Witwen/Witwer von Empfänger:innen laufender Leistungen (Verstorbene ab 01.01.2020)
  • Erhalten 9 Monate lang die volle monatliche Beihilfe des verstorbenen Ehepartners

3.7 Verwaltungskosten

  • Seit 2018 übernimmt Deutschland alle notwendigen Verwaltungskosten der Claims Conference
  • Entwicklung der letzten 5 Jahre:
  • 2020: 31,1 Mio. €
  • 2021: 31,5 Mio. €
  • 2022: 32,0 Mio. €
  • 2023: 39,8 Mio. €
  • 2024: 40,5 Mio. €

4. Fazit

Der Fonds für Wiedergutmachungsleistungen bleibt ein zentrales Instrument der deutschen Wiedergutmachungspolitik gegenüber jüdischen NS-Verfolgten. Die Leistungen sind stark differenziert nach Verfolgungsgrad, Wohnort und Bedarf. Angesichts des hohen Alters der Überlebenden liegt der Schwerpunkt zunehmend auf laufenden Zahlungen und häuslicher Pflege. Zudem wurden in den letzten Jahren mehrere ergänzende Sonderprogramme (z. B. RSP-Fonds, Hardship Supplemental) eingeführt, um regionale und soziale Härten besser abzufedern.


Quelle:

Berichts der Bundesregierung über den Stand der Abwicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleistungen an jüdische Verfolgte (Stand: 30. Juni 2025), basierend auf der Drucksache 21/2260 des Deutschen Bundestags.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater