Als die Bundesregierung das „Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität“ (SVIK) ankündigte, klang das nach einem doppelten Befreiungsschlag: Milliardeninvestitionen in Schiene, Forschung und Klimaschutz – und das alles, ohne die Schuldenbremse formell zu verletzen. Doch was als Modernisierungspaket begann, entwickelt sich zunehmend zum Symbol für eine fragwürdige Haushaltspraxis. Der Bundesrechnungshof schlägt nun Alarm.
In einem aktuellen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages kritisieren die Prüfer „wiederkehrende Mängel“ in den SVIK-Planungen. Zentrale Fragen bleiben unbeantwortet: Sind die Mittel tatsächlich zusätzlich? Und sind sie überhaupt investiv? Beides, so die Prüfer, ist vielfach nicht der Fall. Statt in neue Infrastruktur oder nachhaltige Projekte zu fließen, dient das Sondervermögen offenbar auch zur Finanzierung laufender Ausgaben.
Konkret bemängeln die Rechnungsprüfer etwa die vollständige Verlagerung der Baukostenzuschüsse für die Schieneninfrastruktur in das Sondervermögen – ein Posten von rund 16 Milliarden Euro für 2026. Nach ihrer Einschätzung handelt es sich nicht um zusätzliche Investitionen, sondern um die Fortführung bestehender Aufgaben, die bislang im regulären Haushalt standen. Auch die geplante Finanzierung eines Teils des „1000-Köpfe-Programms“ zur Anwerbung internationaler Wissenschaftler durch das Forschungsministerium sei kein Investitionsvorhaben, sondern eine konsumtive Ausgabe.
Der Bundesrechnungshof verweist auf ein grundlegendes Prinzip: Das Sondervermögen darf nur dann schuldenfinanziert werden, wenn es nachweislich mehr bewirkt – mehr Infrastruktur, mehr Wachstum, mehr Nachhaltigkeit. Ansonsten handele es sich schlicht um eine Umgehung der Haushaltsdisziplin. Die Rechnungshöfe von Bund und Ländern fordern deshalb gemeinsam, dass nur „nachgewiesen zusätzliche Maßnahmen“ aus dem Fonds bezahlt werden dürfen.
Die Bundesregierung weist diese Vorwürfe zurück. Sie betont, die Maßnahmen seien Teil einer langfristigen Modernisierungsoffensive. Doch ordnungspolitisch bleibt der Befund brisant. Denn die Kritik zielt auf den Kern der deutschen Finanzverfassung: Die Schuldenbremse soll den Staat zu klaren Prioritäten zwingen – nicht dazu, Schattenhaushalte zu schaffen. Wenn reguläre Ausgaben einfach in ein Sondervermögen ausgelagert werden, verliert die Haushaltssteuerung ihre Glaubwürdigkeit.
Analyse:
Was hier passiert, ist nicht bloß ein technischer Streit über Buchungskategorien. Es ist ein Konflikt über haushaltspolitische Kultur. Das SVIK verdeutlicht, wie schwer sich die Politik mit den Grenzen der Schuldenbremse tut. Statt Prioritäten zu setzen, werden Finanzierungsquellen verschoben. So entsteht der Anschein von Investitionsfreude, ohne dass tatsächlich mehr gebaut, saniert oder modernisiert wird. Für eine solide, generationengerechte Finanzpolitik ist das Gift.
Langfristig droht damit ein Vertrauensverlust in die staatliche Haushaltsführung. Wenn „Sondervermögen“ zur Dauerpraxis werden, verschwimmt die Grenze zwischen Investition und Konsum, zwischen Reform und Rhetorik. Der Bundesrechnungshof mahnt daher zu Recht: Nur nachhaltig zusätzliche Investitionen rechtfertigen eine neue Schuldenaufnahme. Alles andere ist fiskalische Kosmetik.
Fazit:
Das Sondervermögen sollte Zukunft schaffen – es droht, ein Instrument der Vergangenheitsbewältigung zu werden. Die Regierung steht vor einer klaren Entscheidung: Rückkehr zu haushaltspolitischer Redlichkeit oder weiterer Marsch in Richtung Schattenhaushalt.