Trotz einer schwächelnden Weltkonjunktur hält sich der Kupferpreis hartnäckig auf Rekordniveau. An der Londoner Metallbörse (LME) notiert das Industriemetall derzeit bei nahezu 11.000 US-Dollar pro Tonne – ein Preis, der in einem Umfeld von Handelsstreit, geopolitischer Unsicherheit und abkühlender Nachfrage eigentlich kaum zu erwarten wäre. Doch an den Märkten geht es derzeit nicht um Konjunktur, sondern um Knappheit.
Mehrere schwerwiegende Produktionsstörungen haben das globale Kupferangebot in diesem Jahr empfindlich getroffen. In Indonesien legte ein Erdrutsch in der Grasberg-Mine – der zweitgrößten Kupfermine der Welt – die Förderung zeitweise lahm. Der Betreiber Freeport-McMoRan hat seine Produktionsprognose für 2026 um 35 Prozent gesenkt, was einem Minus von rund 270.000 Tonnen entspricht. In Chile, dem größten Kupferförderland, haben Erdbeben und technische Probleme die Förderung ebenfalls gebremst. Die staatliche Codelco-Mine El Teniente arbeitet derzeit nur eingeschränkt, und auch das Großprojekt Quebrada Blanca Phase 2 ist von Verzögerungen betroffen. In der Demokratischen Republik Kongo kam es infolge einer Überflutung im Kamoa-Kakula-Projekt zu weiteren Ausfällen.
Die Analysten der UBS gehen davon aus, dass das Wachstum der weltweiten Kupferproduktion bis 2026 auf ein Prozent sinkt. Die International Copper Study Group (ICSG) rechnet bereits für das kommende Jahr mit einem Angebotsdefizit – ein Wendepunkt für einen Markt, der bislang von leichten Überschüssen geprägt war.
Dabei spielt China eine doppelte Rolle. Das Land ist nicht nur der größte Verbraucher des Metalls, sondern dominiert auch die Weiterverarbeitung: Rund die Hälfte der weltweiten Raffinadeproduktion findet dort statt. Der Mangel an Erz hat dazu geführt, dass die sogenannten Verarbeitungsgebühren („Treatment Charges“) ins Negative gedreht sind – ein ungewöhnliches Phänomen, das die strukturelle Knappheit verdeutlicht. Die UBS meldet Werte unter minus 80 US-Dollar pro Tonne.
Auch andere Industriemetalle wie Zink zeigen ähnliche Tendenzen. Sinkende Margen und Rekordtiefstände der Lagerbestände signalisieren, dass Engpässe in der Metallproduktion kein Einzelfall bleiben.
Mittelfristige Preisziele zwischen 10.000 und 11.500 US-Dollar
Die Bank of America prognostiziert für 2026 einen Kupferpreis von 11.313 US-Dollar pro Tonne, UBS erwartet eine Spanne zwischen 10.000 und 11.500 Dollar. Entscheidend ist dabei weniger die aktuelle Nachfrage, sondern die strukturelle Unsicherheit im Angebot.
Langfristig droht strukturelle Knappheit
Langfristig könnte die Situation noch prekärer werden. Sinkende Erzgrade, geologische Risiken und steigende Nachfrage im Zuge der Energiewende verschärfen die Lage. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die weltweite Kupferlücke bis 2035 auf rund 30 Prozent steigen; 2040 könnte das Angebot nur noch die Hälfte der globalen Nachfrage decken. Das ist ein Szenario, das für Rohstoffmärkte wie für Volkswirtschaften gleichermaßen Sprengkraft birgt.
Kritische Einordnung
Die Argumentation der Analysten ist plausibel, doch sie blendet mögliche Gegenkräfte aus. Technologischer Fortschritt, gesteigerte Recyclingquoten und neue Explorationsprojekte könnten mittelfristig Abhilfe schaffen. Auch die Dynamik der Energiewende ist weniger linear, als viele Prognosen suggerieren – die Kupfernachfrage könnte zyklischer verlaufen, als derzeit erwartet. Dennoch bleibt die Erkenntnis: Das „rote Gold“ hat seine strategische Bedeutung zurückgewonnen – als Indikator wirtschaftlicher Verwundbarkeit und als Prüfstein für globale Lieferketten.
