Der amerikanische Arbeitsmarkt liefert für September auf den ersten Blick ein robustes Bild. Mit 119.000 neu geschaffenen Stellen wurde die Prognose der Ökonomen mehr als verdoppelt – ein Wert, der in normalen Zeiten als klares Signal wirtschaftlicher Stärke gelten würde. Doch die Lage ist weit komplexer, und gerade konservative Beobachter sollten die Euphorie bremsen.
Zum einen sind die Daten durch den Shutdown der US-Regierung verspätet und mehrfach revidiert worden. Frühere Monate mussten deutlich nach unten korrigiert werden, was den jüngsten Zuwachs relativiert. Zum anderen steigt parallel die Arbeitslosenquote auf 4,4 Prozent, den höchsten Wert seit 2021. Dass Stellenaufbau und höhere Arbeitslosigkeit gleichzeitig auftreten, verweist weniger auf Dynamik als auf strukturelle Verschiebungen: Die Erwerbsquote nimmt zu, während die Zahl der offenen Stellen sinkt.
Unternehmen melden bereits seit Wochen eine Abkühlung der Einstellungsbereitschaft. Große Konzerne wie UPS, Verizon oder Target streichen tausende Jobs, und der Einzelhandel plant in der wichtigen Vorweihnachtszeit deutlich weniger Saisonkräfte als im Vorjahr. Ökonomen wie Jan Hatzius von Goldman Sachs nennen den Arbeitsmarkt außerhalb akuter Rezessionen so schwach wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die konjunkturelle Abkühlung ist damit längst am Kern des US-Modells angekommen: dem Verbrauchermarkt.
Gleichzeitig bleibt der Fachkräftemangel ein zunehmend drängendes Problem. Eine verschärfte Visapolitik – mit teilweise exorbitanten Gebühren – erschwert den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte. Branchen wie Automobilbau, Maschinenbau oder Hightech kämpfen mit unbesetzten Stellen, trotz sechsstelligem Gehalt. Viele Unternehmen importieren inzwischen duale Ausbildungsmodelle aus Europa, um eigene Fachkräfte heranzuziehen. Für eine Volkswirtschaft, die auf Reindustrialisierung setzt, ist dies ein Warnsignal.
An den Finanzmärkten sorgten die Daten für zusätzliche Unsicherheit. Die Hoffnung auf eine baldige Zinssenkung durch die Federal Reserve schwindet, da ein offiziell starker Arbeitsmarkt die geldpolitische Lockerung erschwert. Dass sogar die spektakulären Quartalszahlen von Nvidia nur ein kurzes Aufatmen auslösten und anschließend eine erneute Kurskorrektur folgte, zeigt, wie nervös die Märkte geworden sind. Die Federal Reserve steht damit zwischen Konjunktursorgen und Inflationsrisiken – und der Dezembertermin wird zur Richtungsentscheidung.
Was bleibt, ist ein gespaltenes Bild: oberflächlich solide, strukturell fragil. Der US-Arbeitsmarkt präsentiert sich kräftiger, als er tatsächlich ist. Für Unternehmen bedeutet das ein doppeltes Risiko – geringere Nachfrage nach Arbeitskräften einerseits und fehlende Qualifikation andererseits. Für die Politik heißt es dagegen: Ohne Reformen im Bereich Migration, Bildung und Standortkosten wird die wirtschaftliche Basis brüchiger.
