Die vorliegende Kurzinformation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Titel „Zu Abschiebung und Ausweisung von gemäß § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Personen“ (WD 3-3000-051/25, 01.07.2025) beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abschiebung und Ausweisung ausländischer Personen, die aufgrund schuldunfähigen Handelns nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Es handelt sich um eine fachlich unabhängige Auftragsarbeit für einen Abgeordneten, die den Stand der Rechtslage zum Erstellungszeitpunkt wiedergibt und nicht die Auffassung des Bundestages oder seiner Organe darstellt.
1. Hintergrund: Maßregelvollzug nach § 63 StGB
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist keine Strafe, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Sie wird angeordnet, wenn:
- eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB) oder verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen wurde,
- und aufgrund der Gesamtbetrachtung von Täterin/Täter und Tat erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, die Menschen seelisch oder körperlich schwer schädigen oder erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen können,
- und deshalb die oder der Betroffene als Gefahr für die Allgemeinheit gilt.
Liegt keine erhebliche Tat vor, kann die Maßregel nur bei Vorliegen besonderer Umstände angeordnet werden, die die Gefährlichkeit rechtfertigen.
2. Abschiebung: Rechtsgrundlagen und Hürden
Die Abschiebung bezeichnet die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht. Ihre Voraussetzungen ergeben sich aus den §§ 58 ff. des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG
Diese beruhen auf übergeordnetem Recht (Völkerrecht, europäisches Recht, Verfassungsrecht) und schränken die Abschiebungsmöglichkeiten erheblich ein:
- § 60 Abs. 5 AufenthG: Keine Abschiebung, wenn dies gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt, insbesondere gegen Art. 3 EMRK (Verbot von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung).
- § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG: Es ist von der Abschiebung abzusehen, wenn im Zielland eine konkrete, erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit der betroffenen Person besteht.
Die Anwendbarkeit dieser Verbote hängt stets von der individuellen Situation der Person und der Lage im Zielland ab. Bei Personen, die aufgrund psychischer Erkrankungen untergebracht sind, ist daher eine sorgfältige Einzelfallprüfung erforderlich, da eine Abschiebung unter Umständen gegen die Menschenrechte verstoßen könnte – etwa bei unzureichender medizinischer Versorgung im Herkunftsland.
Einfluss auf die Maßregelvollzug
Gemäß § 456a Abs. 1 StPO kann die Staatsanwaltschaft (als Vollstreckungsbehörde) ganz oder teilweise von der Vollstreckung der Maßregel (z. B. Unterbringung) absehen, wenn die Person
- ausgeliefert,
- an einen internationalen Strafgerichtshof überstellt oder
- abgeschoben, zurückgeschoben oder zurückgewiesen wird.
Allerdings setzt § 465a Abs. 1 StPO voraus, dass eine rechtskräftige Entscheidung über Abschiebung oder Auslieferung bereits vorliegt und kurzfristig vollzogen werden soll. Die Maßregel wird also nicht automatisch aufgehoben, solange keine konkrete Abschiebung bevorsteht.
3. Ausweisung: Gefahrenabwehr statt Strafe
Die Ausweisung nach §§ 53 ff. AufenthG dient nicht der Bestrafung, sondern der Gefahrenabwehr. Sie ist zulässig, wenn:
- der Aufenthalt der ausländischen Person die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen Deutschlands gefährdet,
- und bei einer Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG).
Für bestimmte Schutzstatusinhaber gelten strengere Voraussetzungen:
- Anerkannte Asylberechtigte, Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte oder Inhaber eines Flüchtlingsreisedokuments dürfen nur bei zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden (§ 53 Abs. 3a AufenthG).
Besondere Gewichtung bei schweren Straftaten (§ 54 AufenthG)
Das Ausweisungsinteresse wiegt besonders schwer, wenn die Person
- wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde oder
- bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung oder Unterbringung nach § 63 StGB angeordnet wurde.
Letzteres gilt auch für Personen, die aufgrund psychischer Erkrankung in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind – dies verstärkt das öffentliche Sicherheitsinteresse erheblich.
4. Ausweisung von geduldeten Personen: Kontroverse Rechtslage
Ein strittiger Punkt betrifft die Ausweisbarkeit von Personen mit Duldung. Rauch/Maydell vertreten in einem kürzlich erschienenen Aufsatz die Ansicht, dass § 54 AufenthG auf Geduldete nicht anwendbar sei, da eine Duldung kein Aufenthaltstitel im Sinne des Gesetzes ist und eine Ausweisung daher keinen Aufenthaltstitel entziehen könne.
Allerdings wird entgegengehalten, dass eine Ausweisung neben dem Entzug des Aufenthaltstitels auch weitere Rechtsfolgen hat, insbesondere:
- die Erlassung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG.
Diese Wirkung kann auch bei Geduldeten eintreten. Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur geht daher davon aus, dass Ausweisungen grundsätzlich auch gegenüber Geduldeten möglich sind.
Rauch/Maydell weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass Abschiebungsverbote (etwa aus Art. 3 EMRK) absolut wirken und eine Abschiebung unmöglich machen können. In solchen Fällen würde die Ausweisung zwar formal erfolgen, aber der betroffenen Person zwangsläufig eine neue Duldung erteilt werden müssen, da eine Abschiebung faktisch nicht durchsetzbar ist.
5. Fazit und weiterführende Hinweise
Die Unterbringung nach § 63 StGB stellt eine Maßregel der Sicherung dar, die bei ausländischen Personen mit Abschiebungs- und Ausweisungsfolgen verbunden sein kann. Allerdings unterliegen sowohl Abschiebung als auch Ausweisung strengen rechtlichen Vorgaben, insbesondere durch völker- und verfassungsrechtliche Schutzgarantien.
- Eine Abschiebung ist nur möglich, wenn keine Abschiebungsverbote (z. B. aus Art. 3 EMRK) entgegenstehen.
- Eine Ausweisung ist bei Personen nach § 63 StGB aufgrund der Gefährlichkeit besonders wahrscheinlich, setzt aber eine sorgfältige Interessenabwägung voraus.
- Auch geduldete Personen können ausgewiesen werden, auch wenn die praktische Durchsetzbarkeit durch Abschiebungsverbote begrenzt sein kann.
Zu weiteren Aspekten des Ausweisungsrechts verweist die Kurzinformation auf zwei weitere Sachstandsanalysen der Wissenschaftlichen Dienste:
- WD 3-3000-062/24 vom 17.07.2024: „Rechtsrahmen für Ausweisungen ohne vorherige strafrechtliche Verurteilung“
- WD 3-3000-040/23 vom 06.04.2023: „Fragen zur Ausweisung von Ausländern – Ausweisungsinteressen und Zuständigkeit“
Die Arbeit betont, dass alle Maßnahmen stets individuell und verhältnismäßig zu prüfen sind, insbesondere bei psychisch erkrankten Personen, bei denen medizinische, menschenrechtliche und sicherheitsrelevante Aspekte sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen.