Altersbegrenzung für soziale Netzwerke in Deutschland

Die wissenschaftliche Analyse der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages mit dem Aktenzeichen WD 7-3000-036/25 vom 4. Juli 2024 befasst sich mit der Frage, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen in Deutschland ein gesetzliches Mindestalter für die Nutzung sozialer Netzwerke eingeführt werden könnte. Die Arbeit analysiert den bestehenden nationalen und europäischen Rechtsrahmen und kommt zu dem Schluss, dass eine solche Maßnahme aufgrund der vorrangigen Geltung europäischen Rechts erhebliche rechtliche Hürden aufweist.

Kurzfassung:

Eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland (über 70 %) befürwortet ein gesetzliches Mindestalter für die Nutzung sozialer Netzwerke, z. B. 16 oder 18 Jahre. Internationale Beispiele wie Australien (Verbot unter 16 Jahren) und Diskussionen in der EU (Frankreich, Spanien, Griechenland) zeigen eine wachsende politische Debatte.

In Deutschland stößt ein solches Gesetz jedoch auf erhebliche rechtliche Hürden, vor allem durch europäisches Recht:

  1. Digital Services Act (DSA):
    Die EU-Verordnung hat Vorrang vor nationalem Recht und schafft einen vollharmonisierten Rahmen. Sie verpflichtet große Plattformen (z. B. Instagram, TikTok) bereits zum Schutz Minderjähriger (Art. 28 DSA) und erlaubt Altersverifikation oder Anpassung der Nutzungsbedingungen (z. B. Mindestalter 16).
    → Nationale Sonderregeln sind nicht zulässig, soweit der DSA gilt.
  2. Herkunftslandprinzip (E-Commerce-Richtlinie):
    Plattformen mit Sitz in einem EU-Land (meist Irland) unterliegen dort geltendem Recht.
    → Ein deutsches Gesetz hätte nur begrenzte Wirkung gegenüber ausländischen Anbietern.
  3. Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie (AVMD-RL):
    Ermöglicht strengere nationale Jugendschutzregeln – aber nur für Video-Plattformen wie YouTube.
    → Keine Grundlage für ein allgemeines Mindestalter bei reinen Social-Media-Diensten (z. B. Instagram).
  4. Nationales Recht (JuSchG, JMStV):
    Bestehende Regelungen wie das Jugendschutzgesetz oder der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag werden durch den DSA überlagert oder sind auf ausländische Anbieter nicht wirksam.
    → Der geplante Sechste Medienänderungsstaatsvertrag wurde von der EU-Kommission bereits beanstandet.
  5. UN-Kinderrechtskonvention:
    Schützt Kinder nicht nur vor Gefahren, sondern garantiert auch ihr Recht auf Meinungsfreiheit und Teilhabe (Art. 13, 17).
    → Ein pauschales Nutzungsverbot wäre schwer vereinbar mit diesen Rechten.

Fazit:
Ein nationales Mindestalter für soziale Netzwerke wie in Australien ist unter dem geltenden EU-Recht juristisch kaum durchsetzbar. Stattdessen werden alternative Ansätze empfohlen:

  • Risikobasierte Maßnahmen durch die Plattformen (Altersverifikation, kindgerechte Gestaltung),
  • Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Eltern,
  • Eine europäische Lösung auf EU-Ebene.

Die endgültige Klärung bleibt letztlich den Europäischen Gerichtshof (EuGH) oder Leitlinien der EU-Kommission vorbehalten.


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