Angela Merkel: Reflexionen über Politik, Demokratie und internationale Herausforderungen

„Eine Stunde ZEIT“ mit Angela Merkel

Angela Merkel reflektiert in einem Interview mit der Zeit und Zeit Online verschiedene Aspekte ihrer politischen Karriere sowie ihre Einschätzungen zu aktuellen politischen Entwicklungen. Dabei äußert sie sich unter anderem zu ihrer Verbundenheit mit ihrer Geburtsstadt Hamburg, zur politischen Stimmung im Land, zur Flüchtlingspolitik, zur Rolle der AfD sowie zur Energie- und Russlandpolitik.

Die politische Atmosphäre und der Umgang mit der AfD

Merkel beschreibt die aktuelle politische Lage als angespannt und kritisiert die zunehmende Polarisierung des politischen Diskurses. Sie hebt hervor, dass eine respektvolle Debattenkultur und die Fähigkeit zum Kompromiss für eine funktionierende Demokratie essenziell sind. Besonders kritisch äußert sie sich zu Friedrich Merz und dessen Umgang mit der AfD im Bundestag. Sie wirft ihm vor, von seiner ursprünglichen Haltung abgewichen zu sein, die Mehrheitsverhältnisse nicht zu nutzen, um der AfD Einfluss auf Abstimmungsergebnisse zu ermöglichen. Für Merkel ist dies eine Frage von staatspolitischer Verantwortung. Sie betont, dass es für die demokratischen Parteien unabdingbar sei, Lösungen zu finden, ohne sich auf eine Partei zu stützen, die die Grundlagen des demokratischen Zusammenlebens infrage stellt.

Flüchtlingspolitik: Errungenschaften und Herausforderungen

In Bezug auf ihre Flüchtlingspolitik nimmt Merkel eine differenzierte Haltung ein. Sie verteidigt ihre Entscheidung aus dem Jahr 2015, Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, als humanitäre Notwendigkeit. Gleichzeitig betont sie, dass eine Bundeskanzlerin nicht nur helfen, sondern auch irreguläre Migration begrenzen müsse. Sie verweist auf Maßnahmen wie das EU-Türkei-Abkommen und Grenzkontrollen zu Österreich, durch die es gelungen sei, die Zahl der irregulären Einreisen zu reduzieren. Merkel weist die Kritik an ihrer Politik zurück, erkennt jedoch an, dass noch Handlungsbedarf bestehe, insbesondere hinsichtlich der Rückführung ausreisepflichtiger Personen und der Digitalisierung der Ausländerbehörden. Sie betont, dass Migration eine globale Herausforderung sei, die nur durch internationale Zusammenarbeit effektiv bewältigt werden könne.

Europa, Russland und die Energiepolitik

Merkel blickt kritisch auf die Energie- und Russlandpolitik zurück. Sie verteidigt die Entscheidung, weiterhin Gas aus Russland zu beziehen, bis zum Angriff auf die Ukraine. Ihrer Ansicht nach sei es in der damaligen Situation notwendig gewesen, wirtschaftliche Stabilität und politische Beziehungen zu wahren. Dennoch räumt sie ein, dass Nord Stream 2 politisch umstrittener war als sein Vorgängerprojekt und dass die Entwicklungen seit 2022 ein Umdenken erfordern. Sie weist darauf hin, dass sie stets darauf bedacht gewesen sei, die Ukraine als Transitland für Gaslieferungen zu erhalten, und verweist auf eine entsprechende Abmachung mit dem damaligen US-Präsidenten Joe Biden. Merkel kritisiert zudem, dass die deutsche Wirtschaft wenig Interesse an langfristigen LNG-Lieferverträgen gezeigt habe.

Demokratie, Kompromisse und politische Führung

Merkel hebt hervor, dass Offenheit, Neugier und die Fähigkeit zur Kompromissfindung entscheidende Eigenschaften für politische Führungspersönlichkeiten seien. Sie äußert ihre Besorgnis über die zunehmende Unversöhnlichkeit im politischen Diskurs und appelliert an alle demokratischen Parteien, Vorbild in der Diskursfähigkeit zu sein. Die Gefahr, dass die Demokratie durch Populismus und gezielte Polarisierung geschwächt wird, sei real und müsse aktiv bekämpft werden. In diesem Zusammenhang verweist sie auf die Strategie der AfD, einen Gegensatz zwischen „Volk“ und „Staat“ zu konstruieren, was laut Bundesverfassungsgericht der demokratischen Grundordnung widerspreche.

Persönliche Reflexionen und Ausblick

Merkel spricht auch über ihre persönliche Entwicklung und ihr Buch „Freiheit“. Sie erklärt, dass sie ihre ostdeutsche Herkunft und die Erfahrungen in der DDR erst spät in ihrer politischen Laufbahn thematisiert habe. Sie diskutiert historische Figuren, die sie bewundert, darunter Winston Churchill und Marie Curie, und äußert ihre Begeisterung für die Werke Richard Wagners. Nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft genießt sie die freie Zeit, insbesondere in der Uckermark. Gleichzeitig betont sie, dass sie weiterhin an politischen Entwicklungen interessiert bleibt und insbesondere über Fragen der Demokratie reflektiert.

In ihrem Interview zeigt sich Angela Merkel als reflektierte Politikerin, die sich auch nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft mit zentralen politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzt. Sie verteidigt wesentliche Entscheidungen ihrer Amtszeit, räumt aber auch Herausforderungen und Versäumnisse ein. Besonders betont sie die Notwendigkeit einer sachlichen politischen Kultur, der Stärkung der Demokratie und der internationalen Zusammenarbeit in Zeiten globaler Herausforderungen.


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