Die Religion des Ressentiments – Warum der Antikapitalismus die letzte Zuflucht einer entkernten Intellektualität ist
Es gehört zu den größten Paradoxien der Moderne, dass ausgerechnet jene, die sich als besonders aufgeklärt, kritisch und rational gerieren – die Intellektuellen –, einem Glauben anhängen, der an Dogmatismus und Irrationalität kaum zu überbieten ist: dem Antikapitalismus. Was sich als Theorie der Gerechtigkeit tarnt, ist in Wahrheit nichts anderes als eine säkularisierte Ersatzreligion – vollständig mit Feindbild, Heilsversprechen und moralischem Absolutheitsanspruch. Diese ideologische Haltung erfüllt die Funktion einer metaphysischen Kompensation: In einer Welt, die für das eigene Tun keine ökonomische Nachfrage kennt, bleibt nur noch die Selbstverklärung im Spiegel einer eingebildeten moralischen Überlegenheit.
Der Antikapitalist des 21. Jahrhunderts ist meist kein Arbeiter, kein Unterdrückter, kein Opfer der Verhältnisse. Er ist Akademiker, Kulturschaffender, Journalist, Funktionär – Teil einer akademischen Priesterkaste, die an der realen Wertschöpfung nicht teilnimmt, sie aber mit dem Eifer eines Inquisitors moralisch verurteilt. Seine Distanz zum wirtschaftlichen Leben, seine Praxisferne, ist kein Zufall, sondern Voraussetzung seines Weltbildes. Denn nur wer keine Verantwortung für unternehmerisches Risiko, für Lohnkosten, für Marktanpassung trägt, kann sich den Luxus leisten, Wirtschaft als moralisches Theater zu betrachten.
Dabei ist der Antikapitalismus nie originell, nie produktiv. Er lebt von Ressentiment. Er ist die Ideologie der Erfolglosen, die sich selbst als geistige Aristokratie imaginieren und den unternehmerischen Menschen verachten – nicht wegen seiner Gier, sondern wegen seines Erfolges. Die intellektuelle Linke konstruiert einen Gegensatz zwischen „Wissen“ und „Geld“, zwischen „Kultur“ und „Kapital“, um daraus einen moralischen Vorteil abzuleiten. Die Gleichung lautet: Je weniger erfolgreich ich bin, desto besser muss ich sein. Dieser Selbstbetrug ist das zentrale Dogma dieser Ersatzreligion.
Dass sich diese Ideologie durchsetzen konnte, liegt nicht an ihrer Wahrheit, sondern an ihrer Strategie. Der „Marsch durch die Institutionen“, ein ursprünglich von Rudi Dutschke geprägter Begriff, wurde zur Blaupause für eine schleichende Umwertung aller Werte. Universitäten, Redaktionen, Theaterhäuser, Parteiapparate – überall hat sich eine linke Gesinnungsethik eingenistet, die sich als Common Sense ausgibt. Nicht durch Argumente, sondern durch Sprachregelungen, Diskursmacht und öffentliche Moralisierung. Der Kapitalismus wird nicht mehr analysiert, sondern verteufelt. Wer ihn verteidigt, wird als Zyniker, Rechter oder Menschenfeind diffamiert. So funktioniert moderne Herrschaft: nicht mit Gewalt, sondern mit moralischem Druck.
Der Sozialismus, zu dessen Wiedergeburt sich viele Antikapitalisten bekennen, ist dabei nicht nur ökonomisch gescheitert – er ist anthropologisch unmöglich. Denn er setzt einen Menschen voraus, der nicht existiert: gleich, altruistisch, kollektivistisch, von Eigennutz befreit. Der Kapitalismus hingegen basiert auf dem, was der Mensch ist – nicht, was er sein soll. Er nutzt Egoismus, Ehrgeiz, Besitzstreben und Wettbewerbswillen, um allgemeines Wohl zu erzeugen. Der Sozialismus hingegen will die menschliche Natur überformen – und landet dabei notwendig im Zwangsstaat. Das zeigen nicht nur die historischen Desaster – von der Sowjetunion über Mao bis Venezuela –, sondern auch die gegenwärtige Verweigerung, aus diesen Scheitern Lehren zu ziehen. Immer wieder heißt es: „Das war nicht der wahre Sozialismus.“ Diese Abwehrhaltung ist nicht intellektuell, sondern sektenhaft.
Diese neue Linke – verkleidet als Klimaaktivisten, Gerechtigkeitsbewegte oder Antirassisten – folgt einem Muster, das man von religiösen Erweckungsbewegungen kennt: Apokalyptische Warnungen („die Welt geht unter“), moralische Läuterung („Konsum ist Sünde“), Utopieversprechen („klimaneutrale Gerechtigkeitsgesellschaft“), Dämonisierung der Abweichler („Rechte“, „alte weiße Männer“, „Kapitalisten“) – alles Elemente einer säkularen Eschatologie. Ihr Ziel ist nicht Reform, sondern Erlösung. Ihre Methode ist nicht Argument, sondern Anklage. Ihre Sprache ist nicht analytisch, sondern moralistisch. Die Ökologie wird zur Ersatztheologie, der Sozialstaat zur säkularen Kirche, und das Eigentum zur Erbsünde erklärt.
Im Zentrum dieser Ideologie steht der Hass auf Freiheit – genauer: die Freiheit des Einzelnen zur Unterscheidung, zum Erfolg, zur Eigentumsmehrung. Denn wer frei ist, ist ungleich. Wer unternehmerisch tätig ist, entzieht sich der zentralen Lenkung. Der Kapitalismus ist das System der Unabhängigen – und damit der natürliche Feind jeder Gesinnungsethik. Kein Wunder also, dass man seine Apologeten mundtot machen will. Die vielzitierte „Hassrede“ ist nichts anderes als ein rhetorisches Werkzeug zur Unterdrückung unbequemer Wahrheiten. Wer auf Eigentum, Markt, Wettbewerb oder Nation pocht, wird nicht argumentativ entkräftet, sondern etikettiert: als „rechts“, „toxisch“, „problematisch“. Die Moderne hat die Zensur nicht abgeschafft – sie hat sie moralisiert.
Was bleibt, ist der offene Appell: Es ist Zeit, diesen säkularisierten Fanatismus zu entlarven. Es ist Zeit, dem Kapitalismus nicht mit Scham, sondern mit Stolz zu begegnen. Er ist nicht das Problem – er ist die Lösung. Er ist kein Ausbeutungssystem, sondern das einzige Ordnungsprinzip, das Freiheit, Verantwortung und Wohlstand miteinander versöhnt. Der Antikapitalismus hingegen ist das Opium jener Kaste, die sich intellektuell dünkt, aber in Wahrheit nicht bereit ist, für ihre Überzeugungen Verantwortung zu übernehmen – weder ökonomisch, noch politisch, noch moralisch.
Er ist die Religion derer, die nichts zu verlieren haben – außer ihre Illusionen.