Antisemitismus beim Eurovision Song Contest: Zwischen Israelkritik und Judenhass

Seit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs im Jahr 2023 hat sich der Eurovision Song Contest (ESC) zunehmend von einem harmlosen Pop-Spektakel zu einem politischen Schauplatz gewandelt – insbesondere im Hinblick auf die Rolle Israels. Was einst als verbindendes Musikfestival mit dem Ziel eines vereinten Europas galt, wird mittlerweile von gesellschaftlichen Spannungen, Boykottforderungen und offen antisemitischen Vorfällen überschattet. Der ESC 2025 in Basel steht sinnbildlich für diese Entwicklung.

Politischer Druck und internationale Proteste

Die Forderung nach einem Ausschluss Israels vom ESC war in den letzten beiden Jahren lauter denn je. Mehr als 70 ehemalige ESC-Teilnehmer unterzeichneten einen offenen Brief, in dem sie Israels Teilnahme als unvereinbar mit den Werten des Wettbewerbs bezeichneten. Frieden, Menschenrechte und kulturelle Verständigung – diese Grundsätze, so die Kritiker, würden durch die Teilnahme eines Staates verletzt, der wegen seiner militärischen Vorgehensweise im Gazastreifen international in der Kritik steht.

Die Proteste blieben nicht auf dem Papier. Bereits beim ESC 2024 in Malmö versammelten sich tausende Demonstranten unter Slogans wie „No ESC for apartheid“. Im Vorfeld des Wettbewerbs 2025 in Basel mobilisierte die Gruppe „ESCalate for Palestine“ zu landesweiten Aktionswochen, die von Straßentheater über Banneraktionen bis hin zu aggressiveren Demonstrationen reichten. Die Grenze zwischen legitimer Kritik und Hetze wurde dabei zunehmend verwischt.

Antisemitische Vorfälle: Eine gefährliche Normalisierung

Während einige Proteste inhaltlich klar zwischen der israelischen Regierungspolitik und dem Judentum differenzierten, nahm die Zahl antisemitischer Vorfälle rund um den ESC alarmierend zu. Die jüngste Eskalation: Bei der Eröffnungsparade in Basel wurde die israelische Kandidatin Yuval Raphael von einem Demonstranten mit einer symbolischen Enthauptungsgeste bedroht. Bereits im Vorjahr musste die Sängerin Eden Golan unter Polizeischutz auftreten – begleitet von Buhrufen und Pfiffen, die auch während der Punktevergabe nicht verstummten.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach in diesem Zusammenhang von einem bedenklichen Muster: „Die kollektive Verantwortlichmachung israelischer Künstler für die Politik ihres Landes ist eine Form des modernen Antisemitismus.“ Besonders tragisch sei dabei, dass gerade die progressiven Stimmen innerhalb der israelischen Kulturszene zunehmend ins Abseits gedrängt würden – isoliert von der internationalen Gemeinschaft, der sie sich eigentlich verbunden fühlen.

Zwischen legitimer Kritik und antisemitischem Ressentiment

Die Debatte ist komplex. Viele Boykottbefürworter betonen, dass ihre Kritik sich ausschließlich gegen die Politik des israelischen Staates richte – nicht gegen das jüdische Volk. Doch die Praxis zeigt: In der aufgeheizten Stimmung verschwimmen diese Grenzen oft. Jüdische Symbole werden zur Zielscheibe, Künstler jüdischer Herkunft pauschal angefeindet. Experten warnen davor, dass unter dem Deckmantel politischer Empörung allzu oft alte antisemitische Stereotype wieder aufleben.

Die European Broadcasting Union (EBU), Veranstalterin des ESC, versucht gegenzusteuern. Mit neuen Fairplay-Gelöbnissen und verstärkten Sicherheitskonzepten will man die Inklusivität und Vielfalt des Wettbewerbs verteidigen. Gleichzeitig stehen die Veranstalter vor der Herausforderung, eine politische Instrumentalisierung des ESC zu verhindern, ohne kritische Stimmen pauschal zu delegitimieren.

Sicherheitslage: Schutz statt Sorglosigkeit

Die Lage jüdischer ESC-Gäste ist in den letzten beiden Jahren prekär geworden. Der israelische Sicherheitsrat rät davon ab, jüdische oder israelische Symbole offen zu zeigen. In Basel wurden spezielle Schutzmaßnahmen eingerichtet: Safer Spaces, anonyme Hotlines für Betroffene antisemitischer Übergriffe, sichtbare Polizeipräsenz rund um das Veranstaltungsgelände. Diese Maßnahmen mögen notwendig sein, stehen aber in einem frappierenden Widerspruch zum Selbstbild des ESC als fröhliches Fest der Völkerverständigung.

Historischer Kontext: Zwischen Solidarität und Sanktionen

Der Vorwurf, Israel werde beim ESC benachteiligt, ist nicht neu. Immer wieder wurde über politische Voreingenommenheit bei den Punktevergaben spekuliert. Und dennoch: Israel gewann den Wettbewerb viermal, zuletzt 2018. Der offene Ruf nach einem Ausschluss jedoch markiert einen Bruch – und zeigt, wie sehr sich der Ton in den letzten Jahren verschärft hat.

Fazit: Ein Festival im Spannungsfeld der Weltpolitik

Der ESC ist längst mehr als ein Musikereignis. Er ist zum kulturellen Gradmesser internationaler Spannungen geworden. Die Kritik an Israels Politik ist legitim – doch sie verkommt gefährlich schnell zum Deckmantel für Antisemitismus, wenn sie pauschalisiert, dämonisiert und die Grenzen zwischen Staat, Kultur und Identität ignoriert. Es liegt in der Verantwortung der Veranstalter, der Politik und der Zivilgesellschaft, diesen Unterschied klar zu benennen und zu verteidigen. Nur so kann der ESC wieder das werden, was er sein will: ein Raum der Begegnung, nicht der Ausgrenzung.


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