Asylbewerber mit Visum – Einreisepraxis und Dublin-Verfahren

Das Dokument ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag (Drucksache 21/978 vom 21.07.2025) zum Thema „Mit Visum eingereiste Asylbewerber in den Jahren 2024 und 2025“. Die Fragen wurden von Abgeordneten der AfD, darunter Dr. Gottfried Curio und Dr. Bernd Baumann, gestellt. Im Folgenden wird der Inhalt ausführlich zusammengefasst.

Hintergrund und Vorwurf der Fragesteller

Die Abgeordneten kritisieren, dass trotz der seit Mai 2025 geltenden Anweisung des Bundesministeriums des Innern (BMI), illegale Einreisen an der Grenze zurückzuweisen (auch bei Asylantragstellung), eine Lücke besteht: Personen, die mit einem gültigen Visum einreisen, können weiterhin in Deutschland Asyl beantragen – auch wenn das Visum unter falschen Angaben (z. B. für Tourismus oder Familienbesuch) beantragt wurde.

Sie verweisen darauf, dass ein erheblicher Anteil der Asylbewerber mit Visum einreist:

  • 2022: 25.237 von 217.000 Erstantragstellern (ca. 11,6 %)
  • 2023: 37.329 von 351.915 (ca. 10,6 %)
  • 2024: über 27.500 von 229.751 (ca. 12 %)

Die häufigsten Nationalitäten dieser Personen seien Syrer, Afghanen, Türken und Iraner, die auch zu den Hauptgruppen der Asylbewerber zählen. Vor dem Hintergrund, dass für Syrer der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt ist (vgl. Bundestagsdrucksache 21/321), sehen die Fragesteller die Gefahr, dass Angehörige versuchen, diese Regelung zu umgehen, indem sie sich zunächst ein Visum für andere Zwecke besorgen und nach der Einreise Asyl beantragen.

Zudem verweisen sie auf frühere Kritik des Bundesrechnungshofs (2019) an der Visaerteilung und fragen, ob die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung ausreichend wirksam waren.

Antwort der Bundesregierung: Fragen 1 bis 4 (gemeinsam beantwortet)

Die Bundesregierung betont, dass die Visaerteilung sorgfältig und einzelfallbezogen erfolgt und an strenge Kriterien gebunden ist, die im Visakodex (EU-Verordnung 810/2009) festgelegt sind. Dazu gehört:

  • Kein Risiko der illegalen Einwanderung
  • Glaubhafte Absicht, den Schengen-Raum vor Ablauf des Visums wieder zu verlassen

Die deutschen Auslandsvertretungen berücksichtigen dabei lokale Migrationsrisiken und arbeiten im Rahmen der Lokalen Schengen-Zusammenarbeit (LSZ) mit anderen Schengen-Staaten zusammen.

Wichtige Maßnahmen der Bundesregierung zur Missbrauchsbekämpfung:

  1. Datenabgleich zwischen Bundespolizei und BAMF:
  • Regelmäßige Abgleiche zwischen dem Visa-Informationssystem (VIS), der deutschen Visadatei und den Asylbewerberdaten des BAMF.
  • Diese Erkenntnisse werden an das Auswärtige Amt, betroffene Auslandsvertretungen und die Dokumenten- und Visumberater (DVB) der Bundespolizei weitergeleitet.
  1. Einsatz der Dokumenten- und Visumberater (DVB):
  • Speziell geschulte Beamte der Bundespolizei, die im Rahmen der Vorverlagerungsstrategie an deutsche Auslandsvertretungen entsandt werden, um bei der Visa-Prüfung zu unterstützen.
  1. Grenzkontrollen durch die Bundespolizei:
  • Bei Grenzübertritten wird gezielt auf verdächtige Visa geprüft.
  • Werden Visa als erschlichen erkannt (z. B. durch falsche Angaben), werden sie annulliert, aufenthaltsrechtliche Maßnahmen eingeleitet und Strafanzeigen erstattet.
  1. Europäische Zusammenarbeit:
  • Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene für eine einheitliche Visa-Praxis ein.
  • 2020 initiierte die Bundespolizei die operative Aktion „Visa Fraud“ im Rahmen von EMPACT (europäische Strafverfolgungszusammenarbeit).
  • Im Jahr 2024 veröffentlichte die Bundespolizei ein Handbuch zur Aufdeckung von Visa-Betrug, das europaweit genutzt werden soll.
  • Seit Januar 2025 läuft ein Pilotprojekt von Frontex („Visa Fraud“) zur Erstellung eines europäischen Lagebilds zu Visa-Missbrauch.

Die Bundesregierung betont, dass die Zahl der Asylanträge nach Visum-Einreise im Verhältnis zur Gesamtzahl der bearbeiteten Visa gering sei:

  • Im Jahr 2024 wurden knapp 2 Millionen Visumfälle bearbeitet, davon führten weniger als 1 % zu Asylanträgen in Deutschland.

Statistische Daten für 2025 (erstes Quartal)

Frage 5:
Im ersten Quartal 2025 stellten 5.526 Personen mit Visum einen Erstantrag auf Asyl in Deutschland.

Frage 6:
Die fünf häufigsten Nationalitäten dieser Asylbewerber (mit absoluten Zahlen und Anteil an den Visum-Einreisenden):

NationalitätAnzahlAnteil an visumreisenden Asylbewerbern
Syrien9689,8 %
Afghanistan4548,1 %
Türkei44711,9 %
Armenien29079,2 %
China27550,4 %
Gesamt5.52615,3 % der insgesamt 36.136 Asylerstantragsteller

Frage 7:

  • Deutschland stellte 2.376 Visa aus.
  • Andere Schengen-Staaten stellten 3.150 Visa aus.

Insgesamt erteilte Deutschland im selben Zeitraum:

  • 106.117 nationale Visa
  • 290.541 Schengen-Visa

Frage 8:
Die fünf Schengen-Staaten, die am häufigsten Visa an spätere Asylbewerber ausstellten:

LandAnzahl
Frankreich598
Griechenland561
Italien463
Spanien396
Niederlande203

Statistische Daten für 2024 (Gesamtjahr)

Frage 9:
Im Jahr 2024 stellten 31.056 Personen, die mit Visum eingereist waren, einen Asylantrag.

Die fünf häufigsten Nationalitäten:

NationalitätAnzahlAnteil an visumreisenden Asylbewerbern
Syrien9.30112,1 %
Türkei2.4228,3 %
Afghanistan2.2166,5 %
Iran1.97337,7 %
Armenien1.34477,5 %
Gesamt31.05613,5 % der insgesamt 229.751 Asylerstantragsteller

Frage 10:

  • Deutschland erteilte 15.025 Visa
  • Andere Schengen-Staaten erteilten 16.031 Visa

Insgesamt erteilte Deutschland 2024:

  • 419.108 nationale Visa
  • 1.300.581 Schengen-Visa

Andere Schengen-Staaten insgesamt: 8.564.833 Schengen-Visa (Quelle: EU-Kommission)

Frage 11:
Die fünf Schengen-Staaten mit den meisten Visa-Ausstellungen an spätere Asylbewerber (2024):

LandAnzahl
Italien3.244
Griechenland3.015
Frankreich2.607
Spanien2.110
Niederlande730

Dublin-Verfahren: Zuständigkeiten durch Visum

Frage 12:
Gemäß Dublin-III-Verordnung (Art. 21 i. V. m. Art. 12 Abs. 2–4) kann der Staat, der ein Visum ausgestellt hat, für das Asylverfahren zuständig sein.

2024:

  • Deutschland stellte 8.020 Ersuchen an andere Staaten („Übernehmt den Asylbewerber, ihr habt das Visum gegeben!“)
  • An Deutschland wurden 1.359 Ersuchen gerichtet
  • 4.582 Ersuchen wurden insgesamt von anderen Staaten erfüllt
  • 1.120 Ersuchen erfüllte Deutschland

2025 (Stand: erstes Halbjahr):

  • Deutschland stellte 3.938 Ersuchen
  • An Deutschland gingen 693 Ersuchen
  • 2.299 Ersuchen wurden erfüllt
  • 573 Ersuchen erfüllte Deutschland

Weitere Fragen

Frage 13:
Wie viele Drittstaatsangehörige blieben nach Ablauf ihres Visums 2024 bzw. 2025 illegal in Deutschland?

→ Die Bundesregierung verfügt über keine belastbaren Daten dazu.

Frage 14:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, für welchen Zweck die Visa ursprünglich ausgestellt wurden oder welche Betrugsmuster (Modi Operandi) genutzt werden?

Nein, es liegen keine belastbaren Daten vor. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass Schleusernetzwerke häufig solche Visa-Missbräuche organisieren und dabei sehr flexibel und kreativ vorgehen.

Fazit

Die Bundesregierung betont, dass die Visa-Praxis streng und rechtskonform ist und bereits umfangreiche Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung existieren – national wie europaweit. Dennoch zeigen die Zahlen, dass rund 13–15 % der Asylbewerber mit einem Visum einreisen, oft aus Ländern mit hohen Anerkennungsraten (wie Syrien, Iran, Armenien).

Die Hauptverantwortung für Visa-Missbrauch wird auf andere Schengen-Staaten (insbesondere Südeuropa: Italien, Griechenland, Frankreich, Spanien) verlagert, die viele der betreffenden Visa ausstellen.

Die AfD kritisiert indes, dass die bestehenden Regelungen nicht ausreichen, um strukturelle Umgehungen (z. B. durch Familiennachzug über Touristenvisa) zu verhindern – eine Debatte, die angesichts der anhaltenden Asylzahlen weiter an Brisanz gewinnen dürfte.


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