Auswirkungen stationärer Grenzkontrollen

Die Bundestagsdrucksache 21/612 enthält die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu den Auswirkungen stationärer Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Die zentralen Inhalte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Begriffsklärung und Einordnung der Kontrollen
Die Bundesregierung widerspricht der Bezeichnung „stationäre Grenzkontrollen“ und betont, dass es sich um lageabhängige, zeitlich und örtlich flexible Maßnahmen im Rahmen der temporär wiedereingeführten Binnengrenzkontrollen nach EU-Recht handelt. Diese seien notwendig zur Bekämpfung irregulärer Migration.

2. Umfang der irregulären Einreisen
Zwischen Januar 2024 und April 2025 wurden 18.904 unerlaubte Einreisen über die deutsch-polnische Grenze festgestellt. Davon äußerten 3.741 Personen ein Asylgesuch, vor allem Afghanen, Syrer und Somalier. Die meisten Einreisen erfolgten an der Grenze selbst (14.063), weniger im Grenzgebiet (4.491) oder im Inland (350).

3. Rückweisungen und Zurückschiebungen
In dem Zeitraum wurden 11.398 Personen zurückgewiesen und 406 zurückgeschoben. Die häufigsten betroffenen Nationalitäten waren Ukrainer, Afghanen und Syrer.

4. Schleuserkriminalität
241 mutmaßliche Schleuser wurden im selben Zeitraum festgestellt, hauptsächlich an den Grenzübergängen.

5. Polizeiliche Ressourcen
Die Bundesregierung macht keine genauen Angaben zur Zahl eingesetzter Beamter, betont aber den kombinierten Einsatz von Regelkräften und Unterstützungseinheiten. Eine detaillierte Erfassung nach Kontrollart liege nicht vor.

6. Kosten der Kontrollen
Zwischen September 2024 und März 2025 fielen an allen Landgrenzen Mehrkosten in Höhe von ca. 50,9 Mio. Euro an – insbesondere für Überstundenvergütung, Unterkunft, Verpflegung und technische Ausstattung. Die Beschaffung von 18 Kontrollzelten wird erwähnt, eine regionale Aufschlüsselung der Kosten für den deutsch-polnischen Abschnitt existiert nicht.

7. Auswirkungen auf Verkehr und Infrastruktur
Trotz erheblicher Verkehrsstaus – etwa an der Autobahn A12 bei Frankfurt (Oder) – sieht die Bundesregierung keine gesamtwirtschaftlich relevanten Auswirkungen. Die Bundespolizei prüfe Möglichkeiten zur Verkehrslenkung wie Green Lanes, ein spezifisches Verkehrskonzept wurde jedoch nicht entwickelt. Eine detaillierte Bewertung ökologischer oder wirtschaftlicher Folgen liegt nicht vor.

8. Infrastrukturplanung – zweite Oderbrücke
Eine zusätzliche Brücke über die Oder ist derzeit nicht im Bundesverkehrswegeplan vorgesehen. Laut Bundesregierung reichen die bestehenden Verbindungen nach Frankfurt (Oder) für den prognostizierten Verkehr bis 2040 aus. Eine Machbarkeitsstudie sei nicht beauftragt, Kontakte mit Landesregierung oder Stadt Frankfurt (Oder) seien nicht dokumentiert.

9. Rechtliche Bewertung und EU-Konformität
Die Bundesregierung verweist auf die Einhaltung europarechtlicher Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der Begründung der Kontrollen mit Bedrohungslagen. Eine Reevaluation der Auswirkungen erfolgte bei der Verlängerung der Kontrollen im Februar 2025 nicht im Sinne einer quantitativen Analyse.

Kritische Bewertung
Die Bundesregierung verweigert in zentralen Punkten eine differenzierte Auskunft – etwa zu Personalzahlen, regionalen Kosten oder detaillierten Auswirkungen der Maßnahmen. Obwohl Verkehrsstaus und Belastungen in der Grenzregion belegt sind, wird deren Bedeutung systematisch relativiert. Die Behauptung, es lägen „keine Hinweise auf gesamtwirtschaftlich relevante Auswirkungen“ vor, wirkt angesichts der dokumentierten Staus und des hohen Pendlerverkehrs unbegründet. Ebenso unzureichend erscheint das Fehlen einer vorausschauenden Infrastrukturplanung – etwa zur Entlastung der A12 oder der Oderbrücke. Dass eine systematische Evaluation unterbleibt, widerspricht dem Anspruch evidenzbasierter Innenpolitik.

Insgesamt zeichnet sich ein Bild ab, in dem sicherheitspolitische Maßnahmen trotz hoher Kosten und spürbarer Auswirkungen weitgehend immun gegen politische Kontrolle und kritische Bewertung bleiben. Die Antworten der Bundesregierung offenbaren ein Spannungsverhältnis zwischen polizeilicher Praxis und rechtsstaatlicher Transparenz.


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