Im Lichte der jüngsten Entwicklungen im öffentlichen Dienst mehrerer Bundesländer, insbesondere Rheinland-Pfalz, wird ein alter Konflikt neu entfacht: Darf der Staat Menschen den Zugang zu einem Beamtenverhältnis verwehren – allein aufgrund ihrer Mitgliedschaft in einer verfassungsrechtlich umstrittenen, jedoch nicht verbotenen Partei? Die AfD steht nach der Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz verstärkt im Fokus administrativer Loyalitätsprüfungen. Was als Schutzmaßnahme gegen Demokratiefeinde gedacht ist, birgt das Risiko eines gefährlichen Rückfalls in staatlich sanktionierte Gesinnungskontrolle.
Ein historisches Déjà-vu: Der Radikalenerlass von 1972
Wer sich der Brisanz des aktuellen Vorgehens gegen AfD-Mitglieder im Staatsdienst bewusst werden will, kommt nicht umhin, die Parallelen zur Radikalen-Politik der 1970er-Jahre zu betrachten. Damals trafen pauschale Ausschlüsse vor allem linke und kommunistische Bewerber. Der sogenannte „Radikalenerlass“, unterzeichnet von Bundeskanzler Willy Brandt und den Länderchefs, führte zur systematischen Überprüfung hunderttausender Staatsdienstbewerber auf politische Loyalität. Hunderte wurden nicht eingestellt oder sogar aus dem Dienst entfernt – nicht wegen konkreter Vergehen, sondern wegen vermuteter innerer Distanz zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Diese Praxis wurde später von internationalen Gremien scharf kritisiert und erwies sich – wie viele Zeitzeugen heute einräumen – als rechtsstaatlicher Irrweg. Der Staat habe sich durch den Versuch, Gesinnungen zu kontrollieren, selbst jener freiheitlichen Grundsätze beraubt, die er zu verteidigen vorgab.
Die neue Linie gegen die AfD
Heute richtet sich der politische Druck in die entgegengesetzte Richtung: gegen den Rechtsextremismus, wie er durch die AfD vertreten oder geduldet wird. Die Entscheidung von Rheinland-Pfalz, AfD-Mitgliedern den Zugang zum Beamtenstatus zu verwehren, markiert einen neuen Höhepunkt dieser Entwicklung. Bewerberinnen und Bewerber müssen dort schriftlich erklären, in den letzten fünf Jahren keiner extremistischen Organisation angehört zu haben. Die AfD wird dabei ausdrücklich genannt – ungeachtet dessen, dass sie als Partei nach Art. 21 Grundgesetz weiterhin legal ist.
Auch andere Länder wie Bayern und Baden-Württemberg prüfen ähnliche Regelungen oder haben sie bereits implementiert. Die Maßnahme wird gerechtfertigt mit der Pflicht zur Verfassungstreue, die Beamte nach Artikel 33 Absatz 5 GG zu erfüllen haben.
Der rechtliche Prüfstein: Verhältnismäßigkeit und Einzelfallprüfung
Entscheidend ist jedoch, wie diese Loyalitätspflicht interpretiert und umgesetzt wird. Die bloße Mitgliedschaft in einer als extremistisch eingestuften Partei genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht, um jemanden pauschal als verfassungsfeindlich zu qualifizieren. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung ist zwingend. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte für ein aktiv verfassungswidriges Verhalten, nicht bloß einer Gesinnung, eines Parteibuchs oder einer – wenngleich fragwürdigen – Weltanschauung.
Verwaltungsgerichte haben immer wieder betont, dass die Mitgliedschaft in Organisationen wie der DKP, der NPD oder anderen extremistischen Gruppierungen allenfalls ein Indiz sein kann – aber kein ausreichender Beweis. Dasselbe muss konsequent auch für die AfD gelten. Andernfalls wird der Staat zum Gesinnungsrichter – und damit selbst zum Gegner jener freiheitlichen Grundordnung, die er zu schützen vorgibt.
Ein politischer Drahtseilakt
Es ist verständlich, dass der Staat sich gegen seine Feinde wappnen möchte – besonders dort, wo seine Repräsentanten über Exekutivgewalt verfügen, etwa bei Polizei, Justiz oder Schulen. Wer das Grundgesetz aktiv bekämpft, darf es nicht im Namen desselben ausüben. Dennoch ist Vorsicht geboten: Das Verbot der Parteimitgliedschaft als Voraussetzung für eine Beamtenlaufbahn läuft Gefahr, zur Sippenhaft politischer Zugehörigkeit zu werden.
Nicht wenige Beobachter sehen hierin einen Versuch, unliebsame politische Gegner mit administrativen Mitteln zu marginalisieren, wo der politische Diskurs scheitert. Eine freiheitliche Demokratie aber zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sie ihre Feinde verbannt, sondern dass sie sie mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft – und dabei ihre eigenen Prinzipien wahrt.
Fazit: Zwischen berechtigtem Schutz und gefährlicher Symbolpolitik
Die Maßnahme, AfD-Mitglieder pauschal vom Staatsdienst auszuschließen, ist rechtlich fragwürdig und politisch riskant. Sie steht in einer Reihe mit historischen Fehlentscheidungen, die aus Angst vor Extremismus die Axt an die eigenen freiheitlichen Grundwerte legten. Die wehrhafte Demokratie darf nicht zur willkürlichen werden. Wer den Beamtenstatus mit der politischen Gesinnung koppelt, öffnet langfristig Tür und Tor für eine staatlich sanktionierte Spaltung der Gesellschaft. Der Rechtsstaat lebt von Prinzipien – nicht von Opportunitäten. Und wer diese opfert, verliert das, was er zu verteidigen vorgibt: die Demokratie selbst.