Donald Trump und seiner Einstellung zu vermeintlichen Verlierern. Diese Perspektive ist zentral, um seine Weltanschauung, seine Rhetorik und seine politische Strategie zu verstehen.
Für Donald Trump ist die Welt in eine einfache, brutale Dichotomie unterteilt: Es gibt Gewinner und es gibt Verlierer. Diese Einteilung ist nicht nur eine Beschreibung eines Zustands (z. B. das Ergebnis eines Wettbewerbs), sondern ein grundlegendes, fast schon moralisches Urteil über den Wert einer Person, einer Institution oder sogar eines Landes. Ein Verlierer ist in Trumps Weltbild jemand, der nicht nur scheitert, sondern auch schwach, inkompetent, illoyal oder moralisch unterlegen ist. Diese Haltung prägt seine gesamte Kommunikation und seine politischen Entscheidungen.
Die Welt als Nullsummenspiel: Die Wurzeln der Gewinner-Verlierer-Logik
Trumps Weltanschauung ist tief in seiner Karriere als Immobilienunternehmer und Reality-TV-Star verwurzelt. In diesen Bereichen gibt es oft klare Gewinner und Verlierer.
Der Deal: Ein guter Deal bedeutet für ihn, dass man mehr bekommt als der andere. Es geht nicht um Win-Win-Situationen, sondern darum, zu dominieren und als Sieger hervorzugehen. Dieses Denken überträgt er auf die internationale Politik: Handel, Militärbündnisse und Diplomatie sind für ihn Wettbewerbe, in denen Amerika „gewinnen“ muss, was zwangsläufig bedeutet, dass andere „verlieren“.
„The Apprentice“: Seine berühmte Phrase „You’re fired!“ ist der Inbegriff dieser Logik. In jeder Folge wurde ein Kandidat als Verlierer identifiziert und öffentlich eliminiert. Erfolg wurde mit Dominanz und dem Besiegen anderer gleichgesetzt.
Wer ist ein Verlierer in Trumps Augen?
Die Kategorie Verlierer ist breit gefächert und wird auf jeden angewendet, der seinen Werten oder Interessen widerspricht.
Politische Gegner:
Politische Konkurrenten werden systematisch als Verlierer gebrandmarkt, um sie zu delegitimieren. Beispiele sind „Crooked Hillary“ (unehrliche Verliererin der Wahl 2016), „Sleepy Joe“ Biden oder „Little Marco“ Rubio. Die Spitznamen sollen Schwäche und Scheitern implizieren.
Wer eine Wahl verliert, ist in seinen Augen nicht nur ein unterlegener Kandidat, sondern eine gescheiterte Persönlichkeit.
Kritiker und Medien:
Journalisten und Medienhäuser, die kritisch über ihn berichten, sind „failing“ (scheiternd), wie die „failing New York Times“. Ihre Kritik wird nicht als legitime Kontrollfunktion verstanden, sondern als Neid und Frustration von Verlierern. Die Bezeichnung „Fake News“ dient demselben Zweck: die Glaubwürdigkeit des Kritikers zu zerstören.
Illoyale Weggefährten:
Loyalität ist für Trump einer der höchsten Werte. Wer sich von ihm abwendet oder ihn kritisiert, wird sofort als schwacher und undankbarer Verlierer abgestempelt.
Beispiele: Sein ehemaliger Justizminister Jeff Sessions, der sich in der Russland-Untersuchung für befangen erklärte, oder Vizepräsident Mike Pence, der sich weigerte, die Wahl 2020 zu kippen. In Trumps Augen haben sie versagt, weil sie ihre persönliche Loyalität zu ihm nicht über ihre Pflichten gestellt haben.
Menschen, die Schwäche zeigen:
Sein berühmtester und schockierendster Angriff galt dem verstorbenen Senator und Kriegshelden John McCain. Trump sagte: „He’s not a war hero. He was a war hero because he was captured. I like people who weren’t captured.“ Kriegsgefangenschaft ist für ihn ein Zeichen des Scheiterns und der Schwäche, nicht des Opfers.
Diese Haltung erstreckt sich auch auf Menschen mit Behinderungen (wie seine spöttische Nachahmung eines behinderten Reporters) oder auf jeden, den er als physisch oder mental unterlegen wahrnimmt.
Länder und Institutionen:
Länder, die seiner Meinung nach die USA ausnutzen (z. B. durch Handelsdefizite oder zu geringe NATO-Beiträge), sind Verlierer-Nationen, die auf Kosten des „Gewinners“ USA leben.
Internationale Organisationen wie die NATO oder die WHO wurden von ihm als schwach, ineffektiv und von Verlierer-Mentalitäten geprägt dargestellt.
Die Funktion dieser Rhetorik
Die ständige Herabwürdigung anderer als Verlierer ist kein Zufall, sondern eine kalkulierte Strategie mit mehreren Zielen:
Mobilisierung der eigenen Basis: Sie schafft ein klares „Wir gegen die“-Gefühl. Seine Anhänger sind Teil des „Gewinner-Teams“, das gegen eine korrupte, schwache Elite von „Verlierern“ kämpft (den „Sumpf“ in Washington, die „Globalisten“ etc.).
Projektion von Stärke: Indem er andere permanent als schwach darstellt, inszeniert er sich selbst als den ultimativen „Strongman“ – den einzigen, der stark genug ist, um zu gewinnen und Ordnung zu schaffen.
Abwehr von Kritik: Wenn ein Kritiker per Definition ein Verlierer ist, muss man sich mit dessen Argumenten nicht inhaltlich auseinandersetzen. Die Kritik wird durch die Abwertung der Person entkräftet (Ad-hominem-Angriff).
Dominanz und Einschüchterung: Die öffentliche Demütigung soll potenzielle Gegner abschrecken und die eigene Dominanz im politischen Diskurs zementieren.
Psychologische und ideologische Wurzeln
Diese Weltsicht lässt sich auf eine Mischung aus Persönlichkeitsmerkmalen und einer bestimmten Ideologie zurückführen:
Sozialdarwinismus: Trumps Denken weist starke Züge eines Sozialdarwinismus auf – die Überzeugung, dass das Leben ein ständiger Kampf ist, in dem sich nur die Stärksten durchsetzen. Erfolg (insbesondere materieller) ist der Beweis für Überlegenheit. Misserfolg ist ein Zeichen von Minderwertigkeit.
Narzisstische Züge: Viele Psychologen und Beobachter sehen in seinem Verhalten Anzeichen einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur. Dazu gehört ein übersteigertes Gefühl der eigenen Wichtigkeit, ein unstillbares Bedürfnis nach Bewunderung und ein Mangel an Empathie. Kritik wird als persönlicher Angriff empfunden, der mit aller Härte gekontert werden muss. Die Einteilung in Gewinner (er selbst) und Verlierer (alle anderen) passt perfekt in dieses Muster.
Fazit
Donald Trumps Einstellung zu Verlierer ist der Schlüssel zu seinem gesamten politischen Projekt. Es ist mehr als nur eine beleidigende Rhetorik; es ist das Fundament seiner Weltanschauung. Für ihn ist Politik keine Suche nach Kompromissen oder dem Gemeinwohl, sondern ein permanenter Kampf um Dominanz. In dieser Welt gibt es keinen Platz für Nuancen, Empathie für Schwächere oder Respekt vor dem Gegner. Man ist entweder ein siegreicher, starker Gewinner oder ein verachtenswerter, schwacher Verlierer. Diese brutale Einfachheit war sowohl die Quelle seiner Anziehungskraft für viele Wähler als auch der Grund für die tiefe Polarisierung, die seine Präsidentschaft prägt.