Bezahlbarer Führerschein als Schlüssel zur sozialen Teilhabe

Die vorliegende Dokumentation ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten René Springer, Stefan Henze, Wolfgang Wiehle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD (Drucksache 21/933) zum Thema „Bezahlbarer Führerschein als Voraussetzung sozialer Teilhabe – Auswirkungen auf junge Menschen, Auszubildende und Arbeitslose“. Die Antwort wurde am 4. August 2025 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales übermittelt und umfasst 23 Fragen, die sich mit den steigenden Kosten für den Führerscheinerwerb in Deutschland, deren soziale und wirtschaftliche Auswirkungen sowie möglichen Reformen und Fördermaßnahmen befassen.

Zusammenfassung der Vorbe merkungen

Vorbemerkung der Fragesteller

Die Fragesteller betonen die zentrale Bedeutung des Führerscheins für gesellschaftliche Teilhabe und Beschäftigungschancen, insbesondere im ländlichen Raum. Studien belegen, dass der Besitz eines Führerscheins die individuelle Beschäftigungsfähigkeit erhöht. Viele Berufe – wie Pflegekräfte oder Kurierfahrer – erfordern zwingend einen Führerschein.

Die Fahrschulen stehen dabei im Mittelpunkt des Ausbildungsprozesses, doch aktuelle Rahmenbedingungen seien von übermäßiger Bürokratie geprägt, was die Ausbildung ineffizient und teuer mache. Die Kosten für den Führerschein seien seit 2021 um 33 Prozent gestiegen, in vielen Regionen liege der Preis mittlerweile bei bis zu 4.500 Euro. Gleichzeitig bestehe ein erheblicher Terminstau bei den Fahrprüfungen, was zu monatelangen Wartezeiten führe.

Auch die Durchfallquoten sind hoch: Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) scheitern 41 % der theoretischen und 30 % der praktischen Prüfungen. Diese Entwicklungen gefährden nach Ansicht der Fragesteller die soziale Teilhabe, insbesondere von jungen Menschen, Auszubildenden und einkommensschwachen Personen.

Obwohl die Fahrausbildung in die Zuständigkeit der Länder fällt, ist die Bundesregierung im Bereich der Arbeitsförderung (SGB II und SGB III) verantwortlich, etwa bei der Kostenübernahme für Führerscheine durch Jobcenter. Allerdings fehlen laut Bundesregierung belastbare Daten zur Wirksamkeit dieser Förderung. Die Fragesteller befürchten, dass der Führerschein zunehmend zu einem Privileg wohlhabender Schichten wird.

Weiterhin verweisen sie auf eine Verpflichtung im Koalitionsvertrag 2021–2025 (SPD, Grüne, FDP), das Prüfmonopol der TÜV-Organisationen aufzuheben, um mehr Wettbewerb und günstigere Preise zu ermöglichen. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe sei bereits 2022 eingerichtet worden, erste Ergebnisse seien für Anfang 2023 angekündigt worden – bislang jedoch ohne öffentliche Veröffentlichung.

Vorbemerkung der Bundesregierung

Die Bundesregierung bestätigt, dass die Kostenentwicklung beim Führerscheinerwerb bekannt sei und im Koalitionsvertrag daher das Ziel formuliert wurde, die Fahrausbildung unter Wahrung hoher Sicherheitsstandards bezahlbarer zu machen. Vor allem im ländlichen Raum sei das Auto ein unverzichtbares Fortbewegungsmittel.

Am 21. Juli 2025 fand ein Stakeholder-Dialog mit Branchenverbänden und Verbraucherschützern statt, um Maßnahmen zur Kostensenkung zu erörtern. Die Ergebnisse würden nun ausgewertet. Ziel sei eine qualitativ hochwertige, aber bezahlbare Ausbildung, die sichere, verantwortungsvolle und umweltbewusste Verkehrsteilnahme vermittelt.

Die Bundesregierung weist darauf hin, dass Fördermöglichkeiten im Rahmen der Arbeitsförderung bereits existieren, wenn der Führerschein für die Aufnahme einer Ausbildung oder Arbeit erforderlich ist.

Ausführliche Zusammenfassung der Antworten auf die 23 Fragen

1. Durchschnittliche Führerscheinkosten (2019–2025)

Die Bundesregierung verfügt nur über Daten für 2024, die vom MOVING International Road Safety Association e. V. stammen. Danach liegen die durchschnittlichen Gesamtkosten für einen Pkw-Führerschein (Klasse B) bei 2.752 Euro. Detaillierte Aufschlüsselungen nach Bundesländern oder für die Jahre 2019–2023 liegen nicht vor.

2. Auswirkungen auf Berufsausbildungen

In Regionen mit schwachem ÖPNV-Angebot können hohe Führerscheinkosten die Aufnahme einer Ausbildung negativ beeinflussen, insbesondere wenn Ausbildungsplätze rar sind. In solchen Fällen können Fördermöglichkeiten greifen.

3. Hemmnis für Integration in den Arbeitsmarkt?

Hohe Kosten können für Langzeitarbeitslose, Jugendliche ohne Schulabschluss oder Menschen mit Migrationshintergrund ein Hemmnis darstellen, wenn der Arbeitsort nur mit Auto erreichbar ist oder die Tätigkeit selbst einen Führerschein voraussetzt (z. B. Pflege, Handwerk). In städtischen Gebieten mit gutem ÖPNV sei dies weniger relevant.

4. Fördermöglichkeiten durch BA und Jobcenter

Es wird auf eine frühere Antwort (BT-Drs. 20/12035) verwiesen. Grundsätzlich können Kosten für den Führerscheinerwerb im Einzelfall übernommen werden, wenn sie für die Integration in Arbeit oder Ausbildung erforderlich sind (§ 77 SGB II, § 87 SGB III).

5. Anzahl der Förderfälle (2019–2024)

6. Durchschnittliche und maximale Förderkosten

7. Bürgergeldempfänger mit Förderung und nachweislicher Vermittlung

Die Fragen 5 bis 7 werden gemeinsam beantwortet: Die Bundesregierung verfügt über keine Daten zu Anzahl, Höhe oder Erfolg der Förderungen. Es gibt keine zentrale Statistik.

8. Evaluierungen zur Wirksamkeit der Förderung

Die Bundesregierung hat keine Evaluierung zur Wirksamkeit der Führerscheinförderung durchgeführt oder in Auftrag gegeben.

9. Neue Anreize im Rahmen des Bürgergeldes?

Der Führerscheinerwerb gilt als private Daseinsvorsorge und kann daher nur ausnahmsweise gefördert werden. Der Koalitionsvertrag sieht keine Ausweitung der Fördermöglichkeiten vor.

10. Systematische Berücksichtigung in Sozialprogrammen?

Eine systematische Einbeziehung von Führerscheinkosten in alle sozialpolitischen Programme wird abgelehnt, da nicht alle Programme Mobilität betreffen. Im Arbeitsmarktbezug (SGB II/III) besteht aber bereits eine bedarfsgerechte Einzelfallprüfung.

11. Bundesweites Förderprogramm oder Arbeitgebermodelle?

Der Vorschlag für ein bundesweites Förderprogramm (z. B. durch CDU) wurde zur Kenntnis genommen, aber keine eigene Position dazu formuliert. Über Arbeitgeberzuschüsse oder Bildungsgutscheine liegen keine systematischen Erkenntnisse vor. Die bestehenden Fördermöglichkeiten und Beratungsangebote der Jobcenter werden hervorgehoben.

12. Berührungspunkte mit sozialstaatlichen Zielen

Hohe Führerscheinkosten können gleichwertige Lebensverhältnisse und Teilhabe beeinträchtigen, besonders in ländlichen Regionen und bei einkommensschwachen Haushalten. Dies wird als sozialpolitisches Problem anerkannt.

13. Rolle des Führerscheins bei öffentlich geförderten Maßnahmen

Ein Führerschein ist keine Voraussetzung für die Teilnahme an Maßnahmen der Arbeitsförderung. In ländlichen Gebieten wird auf ÖPNV-Rhythmen Rücksicht genommen. Bei größeren Entfernungen können Unterkunfts- und Verpflegungskosten erstattet werden. Auch virtuelle Maßnahmen sind möglich.

14. Übertragung des Bundeswehr-Modells auf andere Bereiche?

Das Modell, bei Eintritt in die Bundeswehr einen geförderten Führerschein zu erhalten, soll nicht auf andere Bereiche übertragen werden. Es gibt keine zentrale Erhebung, wie viele Stellen in der Bundesverwaltung (Bundespolizei, Zoll, THW) einen Führerschein voraussetzen.

15. Abgehängtheit im ländlichen Raum?

Die Bundesregierung bestätigt keine Erkenntnisse über ein Gefühl der Abgehängtheit aufgrund hoher Führerscheinkosten. Verwiesen wird auf den Vierten Bericht zur Entwicklung der ländlichen Räume (BT-Drs. 20/13790).

16. Lokale Förderpools oder vergünstigte Fahrschulangebote?

Es gibt derzeit keine Planungen für Kooperationen mit Ländern oder Kommunen zur Einrichtung solcher Angebote.

17. Senkung der Durchfallquoten?

Die Bundesregierung sieht hier Handlungsbedarf. Eine höhere Bestehensquote senkt die Gesamtkosten. Mit den Ländern wurde vereinbart, den Ausbildungsverlauf stärker zu strukturieren und regelmäßige Lernerfolgskontrollen einzuführen.

18. Theoretische Prüfungen in Fremdsprachen (2020–2024)

Die detaillierten Daten liegen in einer gesonderten Anlage vor (nicht gedruckt, online abrufbar). Sie zeigen:

  • Die überwiegende Mehrheit der Prüfungen erfolgt auf Deutsch (ca. 1,4–1,7 Mio. jährlich).
  • Die zweithäufigste Sprache ist Türkisch (ca. 25.000–53.000 Prüfungen), gefolgt von Englisch, Russisch, Polnisch und Hocharabisch.
  • Die Durchfallquoten sind in allen Sprachen hoch, insbesondere bei Wiederholungsprüfungen.
  • Beispiel: 2024 wurden 53.484 Prüfungen auf Türkisch abgelegt, davon 26.120 nicht bestanden (ca. 49 %).

19. Förderung von Fahrschulsimulatoren und digitalem Unterricht?

Mit den Ländern besteht Einvernehmen:

  • Theorieunterricht kann künftig als Kombination aus Präsenz und digitalem Lernen erfolgen.
  • Fahrsimulatoren sollen rechtsicher eingesetzt werden können, z. B. für das Schalttraining.
  • Eine Verpflichtung zur Nutzung von Simulatoren oder Online-Unterricht gibt es nicht.

20. Abstimmung mit Ländern gegen Prüfengpässe?

Die Bundesregierung steht in ständigem Austausch mit den Ländern und dem TÜV-Verband, um Engpässe bei den Prüfungen zu verringern.

21.–23. Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Prüfmonopol

Die Fragen werden zusammen beantwortet:

  • Es fanden sieben Sitzungen statt (zwischen Februar 2022 und Mai 2024).
  • Teilgenommen haben zehn Bundesländer (u. a. Bayern, NRW, Hessen).
  • Auf der Verkehrsministerkonferenz am 9./10. Oktober 2024 wurde ein Beschluss gefasst (Punkt 6.5), der die Zielstellung weiterverfolgt.
  • Ein öffentliches Eckpunktepapier wurde nicht veröffentlicht, aber die Bundesregierung hält an den Zielen fest.

Zentrale Erkenntnisse und Fazit

Die Antwort der Bundesregierung zeigt:

  • Erhebliche Datenlücken: Es fehlen belastbare Statistiken zu Kosten, Förderungen und deren Wirksamkeit.
  • Anerkennung des Problems: Hohe Führerscheinkosten gefährden die soziale Teilhabe, besonders im ländlichen Raum.
  • Bestehende Fördermöglichkeiten, aber keine systematische Evaluation ihrer Wirkung.
  • Keine neuen Förderprogramme geplant, aber technische und strukturelle Reformen im Gespräch (Digitalisierung, Simulatoren, Ausbildungsstruktur).
  • Aktive Bemühungen zur Aufhebung des Prüfmonopols, jedoch ohne konkrete Ergebnisse oder Zeitplan.

Die Bundesregierung agiert vorwiegend beratend und koordinierend, während die Länder die konkrete Umsetzung in der Hand haben. Die Sozialpolitik bleibt auf Einzelfallförderungen beschränkt, statt strukturelle Lösungen zu schaffen.

Die Debatte um den „Führerschein als soziales Grundrecht“ bleibt aktuell – und die Antwort zeigt, dass Handlungsbedarf besteht, aber konkrete Schritte noch ausstehen.


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