Maßstab sind das Unions-Wahlprogramm 2025 und zentrale Aussagen des damaligen Kanzlerkandidaten. Den Ist-Stand liefern Kabinettsbeschlüsse und die amtliche 100-Tage-Bilanz „Der Anfang ist gemacht“.
1 | Steuern, Investitionen, Wachstum
Versprechen
- Unternehmenssteuern auf „maximal 25 Prozent“ senken; Rest-Soli abschaffen; schnellere Abschreibungen einführen.
Umsetzung - Gesetzespaket liegt vor: degressive AfA von 30 % für Ausrüstungen (gültig 1. 7. 2025–31. 12. 2027) und gestufte Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028 sind beschlossen, aber noch nicht vom Bundestag verabschiedet.
Bewertung
Teil-Erfüllung. Die Beschlüsse decken sich mit den Ankündigungen, doch bis zur Rechtskraft fehlt die Parlamentsmehrheit; vom Soli bleibt vorerst alles beim Alten.
2 | Finanzierung & Schuldenbremse
Versprechen
- „Wir halten an der Schuldenbremse fest.“
Umsetzung - Parallel schafft die Regierung ein 500-Mrd-€-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität außerhalb des Kernhaushalts.
Bewertung
Zielkonflikt sichtbar. Merz respektiert formal Art. 115 GG, umgeht ihn aber faktisch über ein kreditfinanziertes Nebenbudget. Das Versprechen strenger Haushaltsdisziplin ist somit nur bedingt eingelöst.
3 | Energiepreise und Kernenergie
Versprechen
- Stromsteuer und Netzentgelte senken; Option Kernenergie offenhalten.
Umsetzung - Wegfall der Gasspeicherumlage und niedrigere Netzentgelte ab 2026 beschlossen; Stromsteuer bleibt für Privathaushalte vorerst unverändert, wird aber für produzierendes Gewerbe dauerhaft reduziert. Vom Wiedereinstieg in die Kernkraft ist nach 100 Tagen nichts zu sehen.
Bewertung
Teil-Erfüllung. Preisentlastung greift, wenn auch verzögert und nicht für alle Gruppen. Die Wiederbelebung der Kernenergie bleibt bisher reine Ankündigung.
4 | Bürokratieabbau
Versprechen
- „Jahresgesetze zum Bürokratieabbau“, One-in-Two-out-Regel, Abschaffung des Lieferkettengesetzes.
Umsetzung - Erster „Wohnungsbau-Turbo“ liegt vor; neue elektronische Vergaberichtlinie senkt Aufwände laut Regierung um 380 Mio. € jährlich. Lieferkettengesetz besteht fort, soll aber „evaluiert“ werden.
Bewertung
Anschub, aber noch kein Systemwechsel. Die Regierung demonstriert Tempo mit Einzelprojekten, die strukturelle Entrümpelung bleibt Zukunftsmusik.
5 | Migration und innere Sicherheit
Versprechen
- „Faktischer Aufnahmestopp“, Grenzkontrollen mit Zurückweisungen, Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte.
Umsetzung - Mehr Grenzkontrollen, Familiennachzug tatsächlich ausgesetzt; Zahl der Asylanträge im ersten Halbjahr 2025 laut Bundesregierung um rund 45 % gesunken.
Bewertung
Überwiegend erfüllt. Die Richtung stimmt mit den Wahlzusagen überein; ob der Rückgang kausal an den Maßnahmen liegt, muss die Statistik der Folgequartale zeigen.
6 | Sozialpolitik – Rente & Aktivrente
Versprechen
- Einführung einer „Aktivrente“, Rentenniveau stabil bei 48 %.
Umsetzung - Rentenpaket 2025 im Kabinett: Haltelinie bis 2031 fixiert, Mütterrente III ab 2027, Anschlussverbot für weiterarbeitende Senioren soll fallen – Basis der Aktivrente.
Bewertung
Auf gutem Weg. Die Kernpunkte sind beschlossen, aber noch nicht Gesetz. Finanzierung über Beitragssatz oder Steuerzuschuss bleibt offen.
7 | Bildung & Wohnen
Versprechen
- Ganztagsausbau verlängern, Wohnraumoffensive starten.
Umsetzung - Ganztagsprogramm um zwei Jahre verlängert; 23,5 Mrd. € für sozialen Wohnungsbau zugesagt, Mietpreisbremse bis 2029, Bau-Turbo gestartet.
Bewertung
Erfüllt, aber kein Durchbruch. Finanzrahmen steht, doch Genehmigungs- und Fachkräftemangel begrenzen kurzfristige Wirkung.
8 | Außen- und Sicherheitspolitik
Versprechen
- Verteidigungsausgaben auf 3,5 % des BIP erhöhen, zusätzlich 1,5 % für Cybersicherheit und Infrastruktur; NATO-Festlegung 2025.
Umsetzung - Finanzplan sieht exakt diese Quoten bis 2029 bzw. 2035 vor.
Bewertung
Formell erfüllt. Die Mittel sind eingeplant; ob Beschaffungsreformen greifen, bleibt eine längerfristige Baustelle.
Gesamturteil
Die Merz-Regierung hat in den ersten 100 Tagen bemerkenswert viele Projekte angestoßen und teilweise beschlossen. Bei Steuern, Migration, Verteidigung und Sozialpolitik liegt sie im Soll oder knapp darunter. Offene Flanken bleiben die Kernenergie-Option, der vollständige Soli-Abschied, die echte Schuldenbrems-Konformität und ein flächendeckender Bürokratieabbau. Kurz: Der Kanzler liefert – aber er ist von einer Vollerfüllung seines marktwirtschaftlich-konservativen Programms noch ein gutes Stück entfernt.