1. Ausgangslage:
Der Bitcoin hat innerhalb eines Monats über 20 % seines Wertes verloren und liegt mit unter 99.000 US-Dollar deutlich unter dem Rekordhoch von 126.000 US-Dollar. Damit befindet sich der Markt in einem Bärenmarkt. Auch andere Kryptowährungen wie Ether verzeichnen Verluste; die gesamte Marktkapitalisierung fiel um 23 % auf etwa 3,3 Billionen US-Dollar.
2. Hauptursachen:
a) US-Zinspolitik: Die US-Notenbank Fed senkte zwar zum zweiten Mal in Folge den Leitzins, stellte jedoch keine weiteren Senkungen in Aussicht. Dies enttäuschte Investoren, die auf eine expansivere Geldpolitik gesetzt hatten. In der Folge flossen Gelder aus risikoreichen Anlagen wie Kryptowährungen und Technologieaktien ab. Der Dollar stärkte sich um über 1,5 %, während der Nasdaq 100 rund 3 % verlor.
b) Massive ETF-Abflüsse: Seit Januar 2024 existieren in den USA genehmigte Bitcoin-Spot-ETFs. Sie hatten zunächst große Kapitalzuflüsse (über 60 Mrd. US-Dollar) und damit die Kurse angetrieben. Nun kehrt sich dieser Effekt um: Anleger zogen innerhalb von fünf Tagen 1,9 Mrd. US-Dollar ab – der größte Abfluss in der Geschichte dieser Produkte. ETFs wirken dadurch als Trendverstärker in beide Richtungen.
c) Verkäufe großer Marktakteure: Sogenannte „Bitcoin-Wale“ (Großinvestoren mit 1.000–10.000 BTC) verkauften im Oktober über 400.000 Bitcoin. Angesichts eines täglichen Handelsvolumens von rund 100 Mrd. US-Dollar führt dies zu einem Angebotsüberhang und zusätzlichem Druck auf den Kurs.
3. Marktmechanismen und psychologische Faktoren:
Die Marke von 100.000 US-Dollar erweist sich als psychologisch und technisch wichtig. Oberhalb davon haben viele Frühinvestoren Gewinne realisiert, während unterhalb dieses Niveaus der Verkaufsdruck tendenziell abnimmt. Der „Angst-und-Gier-Index“ liegt bei 23 Punkten („extreme Angst“) – ein Indiz für eine überverkaufte Marktsituation, die historisch oft Vorbotin einer Bodenbildung war.
4. Einschätzungen und Ausblick:
– Kurzfristig: Charttechniker erwarten eine Stabilisierung zwischen 95.000 und 98.000 US-Dollar.
– Mittelfristig: Analysten wie André Dragosch (Bitwise Europe) sehen die aktuelle Schwächephase als temporär. Die von der Fed verursachte Liquiditätsverknappung („Quantitative Tightening“) belastet zwar momentan, könnte aber bald enden oder rückgängig gemacht werden. Ein erneuter Liquiditätszufluss würde Bitcoin stützen.
– Langfristig: Die strukturelle Nachfrage institutioneller Anleger über regulierte ETFs bleibt bestehen. Dragosch bezeichnet die aktuelle Lage als „kurzfristig bearish, aber mittelfristig bullish“.
5. Kritische Würdigung:
Es zeigt sich, dass makroökonomische Rahmenbedingungen – insbesondere die US-Geldpolitik – stärker auf Krypto wirken als technologische oder fundamentale Entwicklungen innerhalb des Sektors. Kritisch zu hinterfragen ist allerdings die Annahme, dass Liquidität allein den Markt stabilisieren kann: Die hohe Korrelation von Krypto und Tech-Aktien deutet auf ein systemisches Risiko hin, das auch bei gelockerter Geldpolitik bestehen bleibt. Zudem bergen ETFs als liquid handelbare Vehikel das Risiko kurzfristiger Panikverkäufe institutioneller Anleger, was die ursprüngliche Idee dezentraler, von Finanzmärkten unabhängiger Kryptowährungen konterkariert.
Fazit:
Der Bitcoin-Bärenmarkt 2025 wird primär durch makroökonomische Faktoren und ETF-Dynamiken getrieben. Kurzfristig überwiegt der Verkaufsdruck, doch langfristig könnte eine geldpolitische Wende oder ein Stimmungsumschwung neuen Auftrieb geben. Die entscheidende Frage bleibt, ob institutionelle Investoren in einem Umfeld sinkender Renditeerwartungen erneut Vertrauen in Kryptoassets fassen.
