1. Buffetts vorletzte Portfolio-Offenlegung
Warren Buffett veröffentlicht sechs Wochen vor seinem Abschied als CEO von Berkshire Hathaway ein weiteres Quartalsdepot. Da er seit Jahrzehnten als Referenzinvestor gilt, werden seine Käufe und Verkäufe weltweit beachtet.
2. Einstieg in Alphabet als größte Überraschung
Buffett bzw. sein Team baut erstmals eine bedeutende Position bei Alphabet auf:
- 18 Mio. Aktien, Wert ca. 4,3 Mrd. USD.
- Alphabet wird damit zur zehntgrößten Position im Berkshire-Portfolio.
- Das Alphabet-Geschäft stützt sich stark auf Werbung, das Cloud-Segment wächst jedoch außergewöhnlich stark (fast +90 % im letzten Quartal).
- Die Investitionsausgaben steigen massiv, der freie Cashflow sinkt nur moderat.
- Experten sehen positives Kurspotenzial; Alphabet gilt bilanziell als sehr solide.
Kritische Einordnung:
Der Einstieg wirkt als strategische Verschiebung: Buffetts bisherige Skepsis gegenüber Tech scheint durch langfristige Cashflow-Stabilität und geringe Verschuldung überlagert zu werden. Allerdings ist Alphabet stark abhängig von Werbeeinnahmen, einem zyklischen Geschäftsmodell – das birgt Risiken in Abschwungphasen.
3. Auffällige Tech-Lastigkeit der jüngsten Käufe
Neben Alphabet werden weitere Positionen mit Technologiebezug ausgebaut:
- Chubb (+16 %): Versicherer mit Fokus auf KI, ML und Cyberversicherung.
- Domino’s Pizza (+13 %): Setzt auf KI zur Nachfrageprognose und beim Robotereinsatz.
Analysten beurteilen Domino’s optimistischer als Chubb.
Kritische Einordnung:
Die zunehmende Ausrichtung auf KI-orientierte Geschäftsmodelle ist bemerkenswert für ein Konglomerat, das traditionell konservativ investiert. Allerdings liegt hier eine mögliche Gefahr: Unternehmen, die KI vorantreiben, investieren oft aggressiv – deren Bewertungsniveaus können volatil sein.
4. Bedeutender Abbau der Apple-Position
Apple bleibt größte Position (fast 23 %), jedoch stark reduziert:
- Im 3. Quartal Verkauf von 15 % der Aktien.
- Innerhalb von zwei Jahren Schrumpfung von 915 Mio. auf 238 Mio. Aktien.
- Gründe bleiben ungenannt.
- China-Geschäft schwächelt, KI-Strategie unklar.
- Zugleich läuft das neue iPhone 17 hervorragend, Margen bleiben sehr hoch.
Kritische Einordnung:
Der massive Abbau wirft Fragen auf:
- Geht es um Risikoreduktion wegen der hohen Portfoliokonzentration?
- Oder sieht Buffett strukturelle Risiken im China- und KI-Bereich?
Die starke operative Erholung Apples spricht dagegen, sodass eine reine Portfoliobalance wahrscheinlich ist.
5. Fortgesetzte Depotreduktion
Buffett verkauft mehr, als er kauft:
- Verkäufe: 12,5 Mrd. USD
- Käufe: 6,4 Mrd. USD
- Rückgang der Anzahl der gehaltenen Unternehmen (von 47 auf 39 in drei Jahren).
- Würde Berkshire keine Verkäufe tätigen, läge der Portfoliowert bei rund 490 Mrd. USD; tatsächlich sind es 257 Mrd. USD.
Kritische Einordnung:
Diese defensive Ausrichtung zeigt fehlende attraktive Kaufgelegenheiten – oder extreme Vorsicht angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten. Das kann als Stärke (Disziplin) oder als Risiko (verpasste Chancen) interpretiert werden.
6. Rekordhohe Cash-Bestände
Berkshire verzichtet erneut auf Aktienrückkäufe.
- Bargeldbestand steigt auf 381,6 Mrd. USD – Rekord nicht nur für Berkshire, sondern in der US-Konzernlandschaft.
- Dies stärkt das Image als „sicherer Hafen“.
Kritische Einordnung:
Hohe Cash-Bestände können als strategische Kriegsreserve dienen, insbesondere für Übernahmen während Marktstress. Gleichzeitig zeigt es das Dilemma: Buffett findet offenbar kaum Unternehmen, die er für attraktiv bewertet hält. Bei hoher Inflation verliert Cash real an Wert – eine Spannung, die seine vorsichtige Strategie auf die Probe stellt.
Gesamtfazit
Buffetts vorletztes Quartalsdepot zeigt eine Mischung aus:
- Vorsicht: massiver Cash-Aufbau, deutliche Depotreduktion
- selektivem Tech-Fokus: neue und erweiterte Positionen in KI-nahen Firmen
- Risikosteuerung: Apple-Verkäufe und Rückzug aus mehreren Beteiligungen
Der überraschende Alphabet-Einstieg wirkt wie ein symbolträchtiger Schritt: Obwohl Buffett lange Tech mied, dominiert heute kein Sektor stärker seine strategischen Schwenks. Ob dies eine späte Korrektur oder eine riskante Neuausrichtung ist, bleibt offen – insbesondere angesichts der Bewertungshöhen im Tech-Sektor.
