Bundeslagebilds Wirtschaftskriminalität 2024

Gesamtentwicklung

  • Fälle gesamt: 61.358 (+57,6 % zum Vorjahr)
  • Tatverdächtige gesamt: 27.312 (+4,5 %)
  • Nichtdeutsche Tatverdächtige: 29,1 % (-0,2 Prozentpunkte)
  • Aufklärungsquote: 88,9 % (2023: 85,2 %, deutlich über Gesamtdurchschnitt 58,0 %)
  • Gesamtschaden: ca. 2,758 Mrd. € (+2,9 %) → 35,7 % des gesamten in der PKS erfassten Schadens
  • Anteil an allen Straftaten: 1,1 % (2023: 0,7 %)

Haupttreiber des Anstiegs

  • Großverfahren in Schleswig-Holstein:
    • Betrügerische Blutuntersuchungen (Privatleistungen, faktisch nicht durchgeführt)
    • Betroffen: „Wirtschaftskriminalität bei Betrug“ und „Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen“

Entwicklung in einzelnen Deliktsbereichen

  • Betrug (wirtschaftsbezogen): 39.207 Fälle (+116,7 %), Schaden: ca. 1,402 Mrd. €
  • Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen: 20.553 Fälle (+847,6 %), Schaden: ca. 98,5 Mio. €
  • Insolvenzdelikte: 7.895 Fälle (+10,0 %), Schaden: ca. 852 Mio. €
  • Arbeitsdelikte: 5.639 Fälle (+8,9 %), Schaden: ca. 81,3 Mio. €
  • Anlage- und Finanzierungsdelikte: 5.184 Fälle (+98,7 %), Schaden: ca. 216 Mio. €
  • Wettbewerbsdelikte: 1.059 Fälle (+11,9 %), Schaden: ca. 63,5 Mio. € (+873,0 %)

Regionale Verteilung

  • Höchste Fallzahlen: Schleswig-Holstein (Großverfahren), gefolgt von Bayern, NRW, Baden-Württemberg

Tatmittel Internet

  • Nutzung bei Wirtschaftsdelikten: 9.680 Fälle (+32,7 %)
  • Hauptsächlich im Bereich „Betrug“ (73,6 %)
  • Gegensatz zur Gesamtkriminalität im Internet: -2,8 % Rückgang insgesamt

Besondere kriminalpolitische Aspekte

  • Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen:
    • Hohe Sozialschädlichkeit, Gefährdung der Patientenversorgung
    • Zunehmend banden- und organisationsstrukturiert, oft mit Geldwäsche und Steuerdelikten verbunden
    • Langwierige Verfahren wegen Einzeltatnachweis
  • Insolvenzdelikte:
    • Anstieg seit Ende der Corona-Hilfen und schwacher Konjunktur
    • Hohe wirtschaftliche Schäden, komplexe Ermittlungen
  • Digitalisierungsaspekt:
    • Stärkere Verlagerung in den Online-Bereich (u. a. Cybertrading-Betrug)
    • Erhöhtes Verschleierungspotenzial und schnellere Ertragsgenerierung für Täter

Im Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität 2024 macht das BKA klar, dass es keine gesetzliche Legaldefinition des Begriffs gibt. Stattdessen orientiert sich die polizeiliche Erfassung an zwei Bezugsrahmen:

1. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt

  • Maßgeblich ist der Katalog des § 74c Abs. 1 Nr. 1–6b Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
  • Dieser Katalog legt fest, welche Delikte in die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte fallen.

2. Kriminologische Definition (Arbeitsdefinition des BKA)

  • Wirtschaftskriminalität ist die vertrauensmissbrauchende Begehung von Straftaten im Rahmen einer tatsächlichen oder vorgetäuschten wirtschaftlichen Betätigung.
  • Ziel ist Gewinnstreben.
  • Die Täter nutzen Abläufe des Wirtschaftslebens aus.
  • Folge ist Vermögensgefährdung oder -verlust großen Ausmaßes oder Schädigung einer Vielzahl von Personen bzw. der Allgemeinheit.

3. Wichtige Einschränkungen

  • Die polizeilichen Zahlen erfassen nur Fälle, die über die Polizei laufen.
  • Straftaten, die direkt von Staatsanwaltschaften oder Finanzbehörden bearbeitet werden (z. B. Teile der Wettbewerbsdelikte, Gesundheitsdelikte, Insolvenzdelikte, Arbeitsdelikte, Subventionsbetrug), tauchen in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht auf.
  • Viele Wirtschaftsstraftaten sind Kontrolldelikte → großes Dunkelfeld bei Fallzahlen und Schadenssummen.

Das BKA fasst also unter Wirtschaftskriminalität nicht jedes Wirtschaftsvergehen, sondern einen klar abgegrenzten Deliktskatalog, der juristisch an § 74c GVG anknüpft und inhaltlich dem kriminologischen Muster „missbrauchtes Vertrauen im Wirtschaftsleben zum Zweck der Bereicherung“ folgt.

Das BKA betont, dass es keine gesetzliche Legaldefinition des Begriffs „Wirtschaftskriminalität“ gibt; vielmehr orientiert es sich an zwei Leitlinien:

1. Gesetzliche Grundlage – Katalog des § 74 c GVG
Nach § 74 c Abs. 1 GVG fallen unter die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammern der Landgerichte insbesondere Straftaten aus folgenden Bereichen:

  • Patentrecht, Gebrauchsmuster-, Halbleiterschutz- und Sortenschutzrecht
  • Designgesetz, Urheberrecht, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
  • Insolvenzordnung, Aktiengesetz, Rechnungslegungsvorschriften für Unternehmen/Konzerne
  • GmbH-Recht, Handelsgesetzbuch, SE-/SCE-Ausführungsgesetz, Umwandlungsgesetz
  • Genossenschaftsgesetz und weitere spezifische Vorschriften der Unternehmensorganisation

2. Inhaltliche Definition des BKA (kriminologische Perspektive)
Wirtschaftskriminalität ist danach definiert als:

  • Vertrauensmissbrauch bei realer oder vorgetäuschter wirtschaftlicher Betätigung
  • Tat steht im Zeichen des Gewinnstrebens
  • Täter nutzen funktionale Abläufe im Wirtschaftsleben aus
  • Delikt führt zu erheblicher Vermögensgefährdung oder -verlust
  • Es können viele Personen oder die Allgemeinheit geschädigt sein

3. Systematische Deliktsgruppen laut BKA
Zur Orientierung listet das BKA typische Phänomene der Wirtschaftskriminalität auf, die eng mit dem vorgenannten Katalog des § 74 c GVG verknüpft sind:

  • Anlagedelikte
  • Finanzierungsdelikte
  • Insolvenzdelikte
  • Arbeitsdelikte
  • Wettbewerbsdelikte
  • Gesundheitsdelikte
  • Qualifizierte Betrugsdelikte

Diese Struktur hilft, wirtschaftskriminelle Phänomene systematisch einzuordnen und zu erkennen, welche Delikte im Kontext der polizeilichen Erfassung und der BKA-spezifischen Definition tatsächlich als „Wirtschaftskriminalität“ gelten.


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