Noch vor wenigen Jahren galt in den USA das konservative Dogma: „Die Regierung, die am wenigsten regiert, regiert am besten.“ Wirtschaftsverbände wie die US Chamber of Commerce oder die Business Roundtable sahen sich als Wächter des freien Marktes, opponierten lautstark gegen Steuern, Umweltauflagen oder Verbraucherregeln und scheuten nicht den Gang vor Gericht. Doch im Jahr 2025 wirkt diese Selbstgewissheit wie ein Relikt vergangener Zeiten. Unter Donald Trump, der nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus die Spielregeln der Wirtschaftspolitik neu schreibt, herrscht auffällige Stille in Corporate America.
Trump agiert dabei nicht mehr als klassischer Deregulierer, sondern als aktiver Eingreifer ins Marktgeschehen. Er ließ etwa Chip-Hersteller Nvidia und AMD nur dann Exporte nach China abwickeln, wenn 15 Prozent der Erlöse an den US-Staat abgeführt werden – ein Verfahren, das Ökonomen als „staatlich verordneten Tribut“ bezeichnen. Zugleich denkt seine Regierung offen darüber nach, Staatsanteile an Intel zu erwerben, während er öffentlich CEOs attackiert und Finanzhäuser unter Druck setzt, die ihm widersprechen. Kritiker sprechen von einer „Loyalitätsökonomie“, die eher an die Machtausübung autokratischer Systeme erinnert als an den westlichen Kapitalismus.
Auffällig ist, dass genau jene Interessenverbände, die unter Biden oder Obama gegen vermeintliche „Übergriffigkeit des Staates“ wetterten, nun schweigen. Weder die Chamber of Commerce noch die Business Roundtable wagen den offenen Konflikt. Hintergrund ist offenkundig eine Mischung aus Furcht und Kalkül: Wer Trump widerspricht, läuft Gefahr, ins Fadenkreuz zu geraten; wer stillhält, darf auf Steuererleichterungen und andere Vorteile hoffen. Die Metapher vom „Eye of Sauron“ beschreibt dieses Klima der Einschüchterung treffend: Jedes Unternehmen weiß, dass es besser ist, nicht aufzufallen.
Für den kritischen Beobachter stellt sich hier eine entscheidende Frage: Was bleibt von den viel beschworenen Prinzipien der freien Unternehmung, wenn führende Konzerne bereitwillig Opportunismus vor Rechtsstaatlichkeit stellen? Wenn Rechts- und Planungssicherheit durch politische Willkür ersetzt werden, wird das Investitionsklima unterminiert. Langfristig droht ein Schaden, der durch kurzfristige Steuererleichterungen nicht aufzuwiegen ist.
Die eigentliche Tragik liegt weniger in Trumps Vorgehen selbst – dieses war vorhersehbar, weil er schon in seiner ersten Amtszeit mit autoritärem Gestus regierte. Die Tragik liegt im Schweigen der Eliten, die den Liberalismus stets als Fundament des Wohlstands priesen, nun aber wegsehen, weil sie hoffen, sich im Windschatten der Macht Vorteile zu sichern. Hier offenbart sich nicht nur ein politischer, sondern auch ein moralischer Bankrott des amerikanischen Unternehmertums.