Cum-Ex: Ein Geschäftsmodell in der Grauzone – und seine Architekten

Cum-Ex-Geschäfte bewegten sich über Jahre hinweg in einer rechtlichen Grauzone – einem juristisch schwer fassbaren Zwischenbereich zwischen erlaubter Steuergestaltung und strafbarer Steuerhinterziehung. Lange herrschte unter Juristen, Finanzbeamten und Beteiligten Uneinigkeit darüber, ob die mehrfachen Erstattungen der Kapitalertragsteuer auf Gesetzeslücken beruhten oder ob sie gezielte Manipulation eines fehleranfälligen Systems darstellten.

Viele Akteure – insbesondere aus der Finanzbranche – rechtfertigten das Modell mit dem Argument, es handele sich lediglich um die „kreative Nutzung“ bestehender steuerlicher Regelungen. Diese Rhetorik wirkte nicht selten wie ein Schutzschild vor rechtlicher Verfolgung, wurde jedoch mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Juli 2021 endgültig entkräftet: Die Richter stellten klar, dass es zu keinem Zeitpunkt eine rechtliche Grundlage für die mehrfache Erstattung der Kapitalertragsteuer gab. Cum-Ex sei stets strafbare Steuerhinterziehung gewesen – unabhängig davon, ob das System jahrelang durch legislative Versäumnisse oder mangelnde Aufsicht geduldet wurde.

Dass es der Finanzindustrie über Jahre hinweg möglich war, systematisch öffentliche Kassen zu plündern, wirft schwerwiegende Fragen auf: Warum wurde trotz interner Warnungen – etwa aus dem Bundesfinanzministerium – nicht frühzeitig reguliert? Warum fehlte es der Finanzaufsicht an Durchgriffsmöglichkeiten oder dem politischen Willen, ein offenkundig ausbeutbares System zu reformieren?

Waren Hanno Berger und Kai-Uwe Steck die Erfinder von Cum-Ex?

Hanno Berger gilt als zentrale Figur im Cum-Ex-Komplex. Als Steueranwalt mit exzellentem juristischen Sachverstand erkannte er früh das Potenzial des Modells, entwickelte es weiter und vermarktete es aggressiv – mit dem Anspruch, sich innerhalb der legalen Grenzen zu bewegen. Doch Berger war kein Erfinder im engeren Sinne. Cum-Ex-Transaktionen waren bereits vor seiner aktiven Zeit im Handel von Banken etabliert. Sein Verdienst – oder aus gesellschaftlicher Sicht: sein Versagen – bestand darin, ein fragwürdiges Nischenmodell zur massentauglichen „Steuerstrategie“ zu erheben.

Kai-Uwe Steck, langjähriger Weggefährte Bergers, spielte bei der praktischen Umsetzung eine ebenso zentrale Rolle. Auch er wurde wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung verurteilt. Steck war nicht nur Organisator, sondern auch Mittler zwischen Finanzakteuren und der juristischen Infrastruktur, die Cum-Ex erst in großem Maßstab möglich machte.

Ein Branchenkenner brachte es einst pointiert auf den Punkt:

„Berger hat keine einzige Steuerstruktur erfunden. Sein Talent war es, Strukturen im Markt zu sehen und diese auf die Piste zu bringen, indem er sie noch robuster machte und dann so vermarktete.“

Damit wird deutlich: Berger war weniger Innovator als Exekutor – ein systematischer Ausbeuter steuerlicher Schwächen, mit einem feinen Gespür für Lücken und eine hohe Bereitschaft, moralische und gesellschaftliche Schranken zu ignorieren.

Eine systemische Verantwortung

Cum-Ex ist kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines strukturellen Defizits im Zusammenspiel von Politik, Finanzaufsicht und Steuerrecht. Der Skandal offenbarte ein Justiz- und Kontrollversagen auf höchster Ebene: Obwohl frühzeitig bekannt war, dass Banken und Investoren mit Cum-Ex-Deals milliardenschwere Steuererstattungen einstrichen, wurde über Jahre hinweg weder gesetzgeberisch noch strafrechtlich konsequent reagiert.

Hier liegt die eigentliche Brisanz: Nicht einzelne „findige Köpfe“ wie Berger oder Steck, sondern ein systemisches Wegsehen ermöglichte diesen fiskalischen Schaden in Milliardenhöhe. Die Verteidigung mit dem Verweis auf Gesetzeslücken verkennt dabei die ethische Dimension: Wer öffentliche Mittel durch konstruierte Transaktionen in den eigenen Vorteil umleitet, betreibt keinen schlichten „Steuertrick“, sondern untergräbt aktiv die Solidargemeinschaft.

Fazit

  • Cum-Ex-Geschäfte waren niemals „legal“, sondern von Beginn an auf eine Konstruktion angelegt, die das Steuersystem missbraucht. Ihre juristische Einordnung als strafbare Steuerhinterziehung wurde 2021 höchstrichterlich bestätigt – mit rückwirkender Wirkung.
  • Hanno Berger und Kai-Uwe Steck spielten entscheidende Rollen bei der Professionalisierung und Verbreitung des Cum-Ex-Modells, waren aber nicht dessen ursprüngliche Urheber.
  • Der eigentliche Skandal liegt jedoch tiefer: in einem jahrelangen staatlichen Kontrollversagen, das es einer kleinen Finanzelite erlaubte, sich auf Kosten der Allgemeinheit zu bereichern – weitgehend unbehelligt und lange ohne Konsequenzen.

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