FIFO-Prinzip beim Aktienverkauf
Wie die Veräußerungsreihenfolge deine Steuerlast bestimmt – und wie du clever damit umgehst
Beim Thema Aktiengewinne denken viele Anlegerinnen und Anleger zuerst an Rendite, Dividenden und langfristigen Vermögensaufbau. Doch spätestens beim Verkauf wird ein ganz anderer Faktor entscheidend: die steuerliche Behandlung der Veräußerungsgewinne. Und hier spielt das sogenannte FIFO-Prinzip eine zentrale Rolle.
Dieser Beitrag erklärt, was das FIFO-Prinzip bedeutet, warum es so relevant für deine Steuerlast ist – und zeigt anhand eines konkreten Beispiels, wie man legal und clever mit dieser Regel umgeht.
Was bedeutet FIFO?
FIFO steht für „First In – First Out“, also: Die zuerst angeschafften Aktien gelten als zuerst verkauft.
In der Praxis bedeutet das: Wenn du im Laufe der Zeit mehrfach Aktien eines Unternehmens gekauft hast – zu unterschiedlichen Kursen – und dann nur einen Teilbestand verkaufst, gelten bei der steuerlichen Gewinnermittlung automatisch die ältesten Aktien als zuerst veräußert. Nicht die günstigsten, nicht die verlustreichen – sondern immer die chronologisch ältesten.
Warum ist das steuerlich so wichtig?
Die sogenannte Abgeltungsteuer wird in Deutschland auf private Kapitalerträge wie Aktienverkäufe erhoben: pauschal 25 % auf den Gewinn, zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.
Der steuerpflichtige Gewinn berechnet sich so:
Verkaufserlös – Anschaffungskosten = Veräußerungsgewinn
Die Krux: Wenn du deine ältesten Anteile zuerst verkaufen musst – und diese deutlich im Plus sind – fällt dein Gewinn (und damit deine Steuerlast) höher aus, als wenn du neuere, weniger gestiegene Aktien verkaufen würdest.
Beispiel: FIFO in der Praxis
Du hast über die Jahre regelmäßig Aktien des Unternehmens „TechStar AG“ gekauft:
Kaufdatum | Stückzahl | Kaufpreis je Aktie |
---|---|---|
01.01.2020 | 100 Stück | € 50 |
01.01.2021 | 100 Stück | € 60 |
01.01.2022 | 100 Stück | € 70 |
Am 01.03.2025 entscheidest du dich, 150 Aktien zu verkaufen – der Kurs steht bei € 90.
Was passiert steuerlich?
FIFO besagt:
Du verkaufst automatisch zuerst die 100 Aktien aus 2020 und 50 Aktien aus 2021.
Gewinnberechnung:
- 100 Aktien (gekauft für € 50) → Gewinn: € 4 000
- 50 Aktien (gekauft für € 60) → Gewinn: € 1 500
→ Gesamtgewinn: € 5 500
Dieser Betrag unterliegt der Abgeltungsteuer. Ohne Freibetrag oder Verlustverrechnung zahlst du rund 26,375 % Steuer, also ca. € 1 451,00.
Kann man das FIFO-Prinzip umgehen?
Nein – das FIFO-Prinzip ist verbindlich, solange du innerhalb eines Depots handelst. Du kannst dem Broker nicht einfach mitteilen, welche konkreten Anteile du verkaufen möchtest. Die Veräußerungsreihenfolge ist gesetzlich und verwaltungstechnisch vorgegeben (siehe BMF-Schreiben vom 18.01.2016).
Aber: Es gibt einen legalen Workaround, um FIFO indirekt zu steuern – durch strukturelle Trennung von Beständen.
Der Trick mit dem Zweitdepot
So funktioniert’s:
- Du eröffnest ein zweites Depot.
- Du überträgst gezielt Aktien dorthin – und zwar die ältesten Anteile. Beim Übertrag wird FIFO ebenfalls angewendet: Zuerst gehen die ältesten Aktien raus.
- Im ursprünglichen Depot verbleiben die „jüngeren“ Aktien.
- Wenn du jetzt im Ursprungsdepot verkaufst, gelten diese jüngeren Anteile als verkauft – mit geringerer Gewinnspanne → weniger Steuer.
- Die übertragenen, älteren Aktien kannst du behalten und ggf. später veräußern – steuerlich besser planbar.
Beispiel konkret weitergedacht:
- Übertrag: Du schiebst die 100 Aktien von 2020 ins Depot B
- Verkauf: Du veräußerst 150 Aktien aus Depot A → Jetzt zählen die 100 Stück aus 2021 und 50 aus 2022 als verkauft!
Neuberechnung:
- 100 Aktien (gekauft für € 60) → Gewinn: € 3 000
- 50 Aktien (gekauft für € 70) → Gewinn: € 1 000
→ Gesamtgewinn: € 4 000 statt € 5 500
Ersparnis durch geschickten Depotübertrag: € 1 500 Gewinn weniger → über € 395 Steuer gespart.
Legal, aber mit Aufwand
Dieser Workaround ist völlig gesetzeskonform. Du bleibst der wirtschaftlich Berechtigte, der Übertrag ist steuerneutral, und die FIFO-Regel wird nicht verletzt – sie wird nur klug genutzt.
Aber: Es ist nicht trivial. Du brauchst:
- Ein zweites Depot (nicht jeder Broker macht’s einfach)
- Überblick über Kaufzeitpunkte und -preise
- Sorgfältige Dokumentation
- Ggf. steuerliche Beratung
Fazit
Das FIFO-Prinzip ist in der Steuerpraxis beim Aktienverkauf fest verankert – und kann zu unerwartet hohen Steuerlasten führen, wenn man es nicht kennt. Ein strukturierter Umgang mit dem Depot, gezielte Überträge und kluge Timing-Entscheidungen ermöglichen es jedoch, legal Einfluss auf die Besteuerung zu nehmen – ohne das Prinzip zu umgehen.
Wer aktiv handelt, sollte sich mit FIFO nicht nur anfreunden, sondern lernen, es strategisch zu nutzen.
Tipp zum Schluss: Prüfe, ob dein Broker die Führung mehrerer Depots oder Unterdepots zulässt – etwa bei comdirect ist das laut Nutzerberichten problemlos möglich. Das eröffnet zusätzliche Spielräume für eine steuerlich clevere Depotstruktur.