Demografische Zeitenwende: Deutschland wächst 2024 nur noch minimal – Zuwanderung als einziger Stabilitätsfaktor?

Das Statistische Bundesamt meldet für das Jahr 2024 ein nur noch geringes Bevölkerungsplus von 0,1 %. Ende Dezember lebten knapp 83,6 Millionen Menschen in Deutschland – 121 000 mehr als ein Jahr zuvor und deutlich weniger als der Zuwachs von 338 000 Personen im Vorjahr. Das Geburtendefizit blieb nahezu unverändert: Rund 330 000 Sterbefälle überstiegen die Zahl der Geburten. Dass die Bevölkerung dennoch nicht schrumpfte, verdankt sich allein der Nettozuwanderung, die mit +420 000 aber spürbar unter dem Niveau des Jahres 2023 (+660 000) lag.

Regional setzt sich die Schere zwischen West und Ost fort. Während die westdeutschen Länder 136 000 Einwohnerinnen und Einwohner gewannen (+0,2 %), verlor der Osten (ohne Berlin) 38 000 Menschen (-0,3 %). Den größten absoluten Zugewinn verzeichnete Bayern (+73 000); relativ wuchsen Bayern, Berlin und Hamburg mit jeweils +0,6 % am stärksten. Am stärksten schrumpften Thüringen (-0,7 %), Sachsen (-0,3 %) und Sachsen-Anhalt (-0,4 %).

Der demografische Wandel beschleunigt sich: Die Zahl der 60- bis 79-Jährigen stieg um 416 000 (+2,2 %), weil der geburtenstarke Jahrgang 1964 diese Altersgruppe erreicht hat. Fast jede*r Dritte (30,5 %) ist inzwischen mindestens 60 Jahre alt. Dagegen sank die Gruppe der 40- bis 59-Jährigen um 323 000 (-1,4 %). Kinder, Jugendliche und jüngere Erwachsene blieben nahezu konstant; die Zahl der Hochaltrigen (80+) legte nur leicht zu (+14 000).

Die ausländische Wohnbevölkerung wuchs um 283 000 (+2,3 %) auf 12,4 Millionen, während die Zahl deutscher Staatsangehöriger um 162 000 zurückging (-0,2 %). Damit stieg der Ausländeranteil von 14,5 % auf 14,8 %. Die größten Gruppen stellen weiterhin Türkinnen und Türken (1,4 Mio.), gefolgt von Ukrainerinnen (1,1 Mio.), Syrerinnen, Rumäninnen und Polinnen.

Kritische Einordnung
Das verlangsamte Wachstum deutet darauf hin, dass Deutschland demografisch in eine neue Phase eintritt. Der Wanderungsüberschuss – einziger Puffer gegen das anhaltend negative natürliche Saldo – hat sich binnen eines Jahres um fast 40 % verringert. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte die Gesamtbevölkerung bereits mittelfristig stagnieren oder schrumpfen. Zugleich verschärft sich der Altersdruck: Die Babyboomer werden in den kommenden Jahren das Rentenalter erreichen, während die nachrückenden Jahrgänge schwächer besetzt sind. Damit drohen Engpässe am Arbeitsmarkt, steigende Sozialsystem-Lasten und ein wachsender Investitionsbedarf in Pflege- und Gesundheitsstrukturen.

Die anhaltende Ost-West-Divergenz legt strukturelle Probleme offen – von Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte bis hin zu ungleichen Wirtschaftsperspektiven. Hier könnten gezielte Migrations- und Strukturförderprogramme nötig sein, um demografische Erosion zu bremsen. Schließlich zeigt der steigende Ausländeranteil, dass Integrations- wie Arbeitsmarktpolitik stärker ineinandergreifen müssen: Qualifizierte Zuwanderung bleibt essenziell, wird aber nur wirksam sein, wenn sie von schnellen Anerkennungsverfahren, ausreichender Kinderbetreuung und bezahlbarem Wohnraum flankiert wird. Ohne entschiedene Maßnahmen droht Deutschland seine demografische „Atempause“ zu verlieren und in eine Phase beschleunigten Schrumpfens einzutreten.


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