Am 20. Mai 2024 veröffentlichte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Paukenschlag: Chefankläger Karim Khan beantragte offiziell Haftbefehle gegen Israels Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant. Der Vorwurf: mutmaßliche Kriegsverbrechen im Gazakrieg. Doch anstatt internationale Anerkennung für die Durchsetzung des Völkerrechts zu ernten, sah sich Khan selbst dem Vorwurf der politischen Instrumentalisierung des Rechts ausgesetzt. Was steckt hinter dieser beispiellosen Entscheidung?
Ein juristischer Vorstoß mit politischem Beigeschmack
Die öffentliche Begründung Khans beruft sich auf die Pflicht des IStGH, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen unabhängig vom Status der Angeklagten zu verfolgen. Doch laut einem hochrangigen westlichen Diplomaten, der gegenüber der Jerusalem Post anonym Auskunft gab, habe Khan mit seiner Entscheidung gezielt darauf abgezielt, westliche Staaten wie Deutschland und Kanada zu einem politischen Bruch mit Israel zu bewegen. Der Diplomat schilderte ein Gespräch mit Khan, in dem dieser sinngemäß sagte: „Wenn ich Haftbefehle gegen Netanjahu beantrage, wird das Ländern wie Deutschland die Ausrede liefern, sich gegen Israel zu wenden.“ Eine Aussage, die juristische Neutralität in Frage stellt.
Die Rolle des öffentlichen Drucks
Bereits vor der Entscheidung war Khan zunehmendem Druck propalästinensischer Gruppen und der BDS-Bewegung ausgesetzt. Ihm wurde vorgeworfen, ein „Genozid-Möglichmacher“ zu sein, weil er vermeintlich untätig gegenüber israelischen Kriegsverbrechen blieb. Eine internationale Kampagne forderte seine Ablösung. Dass Khan sich plötzlich zu einem drastischen Schritt entschloss, interpretieren Kritiker als Einknicken vor der Empörung, nicht als Ausdruck juristischer Konsequenz.
Ein fragwürdiger Zeitplan
Besonders kritisch wird Khans Zeitlinie gesehen. Offiziell informierte er Ende März 2024 US-Vertreter, darunter Antony Blinken und Jake Sullivan, über seine Absicht, Haftbefehle zu beantragen. Doch fast gleichzeitig stellte seine Behörde formelle Anfragen an Israel zur Kooperation bei Ermittlungen – unter anderem zu Evakuierungszonen und zivilen Opfern. Warum kooperieren, wenn die Entscheidung längst gefallen ist? Auch US-Senator Lindsey Graham beklagte, er und seine Kollegen seien auf einer Telefonkonferenz Anfang Mai 2024 getäuscht worden: Khan habe vorgegeben, noch keine Entscheidung getroffen zu haben.
Ein möglicher persönlicher Hintergrund
Ein weiterer Aspekt wirft Schatten auf Khans Motivation: Gegen ihn laufen seit Ende 2024 interne Ermittlungen wegen sexueller Belästigung. Es ist schwer, diese Tatsache vom Zeitpunkt der Haftbefehle zu trennen. Kritiker mutmaßen, Khan habe mit der spektakulären Anklage von Netanjahu und Gallant von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen ablenken wollen.
Internationale Reaktionen: Uneinigkeit statt Solidarität
Statt ein Zeichen für universelle Gerechtigkeit zu setzen, spaltete Khans Entscheidung die internationale Gemeinschaft. Länder wie Deutschland, Frankreich, Italien, die USA und Polen erklärten, den Haftbefehl nicht vollstrecken zu wollen. Israels Premier reagierte erwartbar scharf: Die Entscheidung sei antisemitisch motiviert, eine „moderne Dreyfus-Affäre“. Auch die Hamas wies die gegen ihre Führer erhobenen Vorwürfe zurück – wobei die meisten Genannten bereits tot waren, was zur Rücknahme der entsprechenden Anträge führte.
Fazit: Recht oder Rache?
Die Entscheidung Khans hat nicht nur einen Präzedenzfall geschaffen, sondern auch das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Integrität des IStGH schwer beschädigt. Der Internationale Strafgerichtshof soll als Hort des Völkerrechts wirken, frei von politischem Druck. Wenn jedoch Entscheidungen als kalkuliertes Machtspiel erscheinen – ob aus politischen, öffentlichen oder persönlichen Motiven –, droht der Verlust von Glaubwürdigkeit. Die Haftbefehle gegen Netanjahu könnten sich damit als juristische Zäsur entpuppen – nicht wegen ihrer Durchsetzung, sondern wegen ihres Zustandekommens.