Der Investmentfaktor

Der Investmentfaktor (Asset Growth): Ein unterschätzter Treiber der Aktienrendite

In der Welt der Aktienanlage konzentrieren sich viele Investoren auf bekannte Faktoren wie Unternehmensgröße, Value, Qualität oder Momentum. Ein oft übersehener, aber potenziell wichtiger Treiber der Rendite ist jedoch der Investmentfaktor, auch bekannt als Asset-Growth-Faktor. Dieser Faktor misst das bilanzielle Wachstum eines Unternehmens, also die Zunahme seiner Vermögenswerte, die häufig durch hohe Investitionen in zukünftiges Wachstum vorangetrieben wird.

Was genau sagt der Investmentfaktor aus?

Im Kern quantifiziert der Investmentfaktor, wie stark ein Unternehmen seine Bilanzsumme im Verhältnis zu seinen Gesamtanlagen ausweitet. Dies geschieht in der Regel durch die Reinvestition von Gewinnen, die Aufnahme von Fremdkapital oder die Ausgabe neuer Aktien. Ein Unternehmen, das stark in neue Produktionsanlagen, Forschung und Entwicklung oder Akquisitionen investiert, weist in der Regel ein hohes Asset Growth auf. Im Gegensatz dazu steht ein Unternehmen, das sich auf etablierte Geschäftsfelder konzentriert, geringe Investitionen tätigt und den Fokus auf Dividendenausschüttungen legt.

Das Paradox: Niedriges Asset Growth führt zu höheren Renditen

Intuitiv könnte man annehmen, dass Unternehmen mit hohen Investitionen und entsprechend starkem Wachstum höhere Renditen für Investoren generieren. Die empirische Evidenz zeichnet jedoch ein anderes Bild. Langfristig tendieren Unternehmen mit niedrigem Asset Growth, also konservative und weniger expansive Unternehmen, dazu, höhere Renditen zu erzielen als Unternehmen mit hohem Asset Growth. Über den Zeitraum von 1963 bis 2023 erzielten die 20% der US-Aktien mit dem niedrigsten Asset Growth eine durchschnittliche jährliche Rendite von 13,2%, während die 20% mit dem höchsten Asset Growth lediglich 9,1% erreichten. Diese Differenz wird als Investmentprämie bezeichnet.

Warum schneiden Unternehmen mit niedrigem Asset Growth besser ab?

Mehrere Faktoren tragen zu diesem scheinbaren Paradox bei:

  • Kapitalkosten und Investitionsentscheidungen: Unternehmen investieren in Projekte, die eine Rendite über den Kapitalkosten erwarten lassen. Ein hohes Asset Growth deutet oft auf niedrige Kapitalkosten hin, was wiederum mit niedrigeren erwarteten Renditen für Investoren korreliert. Umgekehrt implizieren hohe Kapitalkosten restriktivere Investitionen und tendenziell höhere erwartete Renditen für Anleger.
  • Verhaltensökonomische Aspekte:
    • Empire Building: Manager könnten dazu neigen, das Unternehmen übermäßig zu vergrößern, auch wenn dies nicht immer im besten Interesse der Aktionäre ist. Dies kann zu suboptimalen Investitionsentscheidungen führen.
    • Überschätzung des Wachstumspotenzials: Investoren tendieren dazu, das zukünftige Wachstum von Unternehmen, insbesondere in „gehypten“ Branchen, zu überschätzen. Dies führt zu einer Überbewertung von Aktien mit hohem Asset Growth.
    • Lotterie-Effekt: Investoren suchen nach dem nächsten großen Gewinner an der Börse und sind bereit, für Aktien von High-Growth-Unternehmen einen Aufpreis zu zahlen, in der Erwartung außergewöhnlicher Renditen. Diese Aktien sind daher im Durchschnitt überteuert.
  • Bewertungsansätze: Unternehmen, die stark reinvestieren müssen, um ihre Gewinne zu halten, generieren ceteris paribus niedrigere freie Cashflows für die Aktionäre als Unternehmen mit vergleichbaren Gewinnen, aber geringerem Investitionsbedarf. Dies spiegelt sich in der fundamentalen Bewertung wider.

Herausforderungen bei der praktischen Anwendung

Trotz der überzeugenden Evidenz für die Investmentprämie gibt es Herausforderungen bei der praktischen Anwendung des Faktors:

  • Hoher Portfolioumschlag: Die Asset-Growth-Rate eines Unternehmens kann sich relativ schnell ändern, was zu einem hohen Portfolioumschlag und damit verbundenen Transaktionskosten führen kann, wenn der Faktor isoliert betrachtet wird.
  • Kurzfristige Schwankungen: Der Faktor kann kurzfristigen Trends unterliegen und ist daher kein Indikator für kurzfristige Renditeerwartungen. Ein langfristiger Anlagehorizont ist ratsam.

Intelligente Integration des Investmentfaktors

Eine Möglichkeit, den Investmentfaktor effizient zu nutzen, besteht darin, ihn in Verbindung mit anderen Faktoren zu verwenden und extreme Ausprägungen zu berücksichtigen. Anstatt Unternehmen mit hohem Asset Growth komplett auszuschließen, könnte man beispielsweise ihr Gewicht im Portfolio reduzieren. Umgekehrt könnte man Unternehmen mit sehr niedrigem Asset Growth übergewichten. Dies ermöglicht es, von der Investmentprämie zu profitieren, ohne dabei zu hohe Transaktionskosten zu verursachen.

Fazit

Der Investmentfaktor (Asset Growth) ist ein wichtiger, aber oft unterschätzter Aspekt bei der Aktienanlage. Historische Daten zeigen deutlich, dass Unternehmen mit niedrigem Asset Growth langfristig höhere Renditen erzielen als wachstumsstarke Unternehmen. Die Gründe dafür liegen in der inversen Beziehung zwischen Kapitalkosten und Investitionsvolumen, sowie in verhaltensökonomischen Verzerrungen. Während die praktische Anwendung gewisse Herausforderungen mit sich bringt, kann eine intelligente Integration des Faktors in eine diversifizierte Anlagestrategie die langfristigen Renditechancen erhöhen. Anleger sollten daher den Investmentfaktor neben traditionellen Faktoren berücksichtigen, um ein umfassenderes Bild der Renditepotenziale von Unternehmen zu erhalten.


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