Der Mythos von der „friedlichen Sowjetunion“ – Eine historische Illusion

Die Vorstellung von einer „friedlichen Sowjetunion“ im Kontrast zu einem „aggressiven Russland Putins“ ist ein zunehmend verbreitetes, jedoch historisch verzerrendes Narrativ, das in Teilen ideologisch motiviert ist. Es beruht auf einer rückblickenden Romantisierung der sowjetischen Außenpolitik, die sich insbesondere in postlinken und pazifistischen Milieus findet. Historisch betrachtet, ist diese Interpretation nicht haltbar. Die Sowjetunion war weder friedlich noch zurückhaltend – im Gegenteil: Sie war über Jahrzehnte eine expansive, geopolitisch aggressiv auftretende Supermacht, die mit allen Mitteln ihren Einfluss zu sichern und auszudehnen versuchte – notfalls auch mit Panzern.

1. Imperiale Stabilitätsordnung durch Zwang

Der Ostblock war kein freiwilliger Bund souveräner Staaten, sondern ein imperialer Satellitenkomplex, den die Sowjetunion mit Gewalt zusammenhielt. Von Berlin 1953, über Budapest 1956, Prag 1968 bis zu Polen in den 1980ern intervenierte Moskau, sobald sich ein Vasallenstaat von der Linie des Kremls zu entfernen drohte. Diese Praxis wurde in der sogenannten Breschnew-Doktrin 1968 quasi-dogmatisch fixiert: Ein sozialistisches Land dürfe keine Entwicklung einschlagen, die „den gemeinsamen Interessen des sozialistischen Lagers“ widerspreche. Das bedeutete: Kein Austritt war erlaubt – Reform gleich Repression. Das entspricht strukturell einem Gefängnisstaatensystem, nicht einer Friedensordnung.

2. Globale Militärpräsenz und Stellvertreterkriege

Die UdSSR agierte keineswegs nur „defensiv“ oder „reaktiv“. Vielmehr strebte sie eine globale Ausweitung ihrer Einflusssphäre an – in Afrika (Äthiopien, Angola, Mosambik), in Lateinamerika (Kuba, Nicaragua), in Asien (Vietnam, Nordkorea, Afghanistan) und im Nahen Osten (Ägypten, Syrien). Diese Aktivitäten waren nicht nur ideologisch, sondern auch strategisch motiviert – Zugang zu Häfen, Rohstoffen, militärischen Stützpunkten und ideologischer Prestigegewinn gegenüber dem Westen.

In Afghanistan 1979 führte Moskau sogar einen offenen Angriffskrieg – ein Akt, den man heute als klaren Bruch des Völkerrechts bezeichnen müsste. Hunderttausende Afghanen starben, Millionen wurden zu Flüchtlingen. Auch die sowjetische Unterstützung für autoritäre Regime wie das der Derg-Junta in Äthiopien oder die kubanischen Expeditionen nach Angola zeigen ein imperial-strategisches Denken in militärischen Kategorien – nicht etwa pazifistische Zurückhaltung.

3. Nukleare Eskalation und Bedrohungspolitik

Die Stationierung der SS-20-Raketen in Europa ab den späten 1970er Jahren markierte eine massive Aufrüstung und direkte Bedrohung der NATO-Staaten mit hochpräzisen Mittelstreckenwaffen. Das Gegenstück war der NATO-Doppelbeschluss – häufig als „Aggression des Westens“ diskreditiert –, tatsächlich jedoch eine reaktive Maßnahme auf eine strategische Provokation Moskaus. Auch während der Kubakrise 1962 spielte die Sowjetführung mit dem atomaren Weltuntergang, als sie heimlich Mittelstreckenraketen auf Kuba stationierte. Die politische Absicht war klar: Einschüchterung und nukleares Gleichgewicht durch aggressive Vorwärtsstationierung.

4. Kalter Krieg als Nullsummenspiel

Die UdSSR war nicht einfach ein status-quo-orientierter Staat, der sein Territorium verteidigte. Vielmehr verstand sie sich als revolutionäre Weltmacht, die das kapitalistische System in Frage stellte und durch eine global koordinierte sozialistische Ordnung ersetzen wollte. Ihre Außenpolitik war damit von Beginn an ideologisch-expansiv: Die KPdSU verstand die Welt als Schlachtfeld zwischen Kommunismus und Imperialismus – und richtete ihre Mittel (Militär, Geheimdienste, Subversion, Propaganda) entsprechend aus.

5. Der Mythos des „friedlichen Gleichgewichts“

Nach dem Zerfall der UdSSR begannen manche linke oder postkommunistische Milieus, das Bild einer stabilen, berechenbaren und friedfertigen Sowjetunion zu zeichnen – im Kontrast zum „unberechenbaren“ Putin-Russland. Dies blendet jedoch systematisch die oben geschilderten Realitäten aus. Die Stabilität des Kalten Krieges war kein Produkt sowjetischer Mäßigung, sondern des gegenseitigen nuklearen Abschreckungsgleichgewichts („Mutual Assured Destruction“). Dass es keinen offenen Krieg in Europa gab, verdankte sich nicht sowjetischem Pazifismus, sondern der Gefahr des totalen Untergangs für beide Seiten.


Fazit:

Nein, die Sowjetunion war nicht friedlich. Sie war ein militaristisches, expansives und ideologisch motiviertes Imperium, das mit brutaler Gewalt seine Satelliten kontrollierte, weltweit Interventionen betrieb und offen mit Atomkrieg drohte. Die heutige russische Außenpolitik unter Wladimir Putin ist gewiss revisionistisch, chauvinistisch und imperial – doch sie steht nicht außerhalb der historischen Linie der sowjetischen Machtpolitik, sondern in ihrer Tradition. Der Unterschied liegt eher in den ideologischen Begründungen (sozialistische Befreiung vs. nationalistische Großmacht), nicht in der strategischen Methodik.

Ein nüchterner Blick auf die Geschichte verbietet es, die Sowjetunion als Friedensmacht zu verklären. Wer dies dennoch tut, schreibt Geschichte nicht um – er verdrängt sie aus ideologischer Bequemlichkeit.


Sowjetische militärische und geopolitisch-aggressive Einsätze nach 1945

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dehnte die Sowjetunion ihren Einfluss durch eine Reihe von militärischen Interventionen, verdeckten Operationen, Stellvertreterkriegen und Unterstützungsleistungen aus. Im Folgenden wird chronologisch aufgeführt, in welchen Jahren und Regionen die UdSSR direkt oder indirekt militärisch aktiv wurde, welche Form der Beteiligung jeweils vorlag (von Invasionen über Truppeneinsätze bis zu Waffenlieferungen und Geheimdienstaktionen) und welcher politische Hintergrund zugrunde lag. Dabei werden sowohl offene militärische Interventionen als auch verdeckte Einsätze und Unterstützungen autoritärer Regime weltweit berücksichtigt.

1940er Jahre: Erste Konflikte des Kalten Krieges (1945–1949)

  • 1945/46 – Nordiran (Irankrise): In Nordiran versuchte die Sowjetunion direkt nach Kriegsende, durch Besatzung und Förderung separatistischer „Volksregierungen“ in iranisch-Aserbaidschan und Kurdistan eigene Satellitenstaaten zu etablieren. Stalin weigerte sich zunächst, die Rotarmetruppen wie vereinbart abzuziehen, um den prosowjetischen Abspaltungsbewegungen Rückendeckung zu geben. Unter internationalem Druck (UNO, USA) zog die UdSSR ihre Truppen 1946 letztlich ab – dieser erste Ost-West-Konflikt gilt als Auftakt des Kalten Krieges.
  • 1945–1948 – Osteuropa (Sicherung der kommunistischen Herrschaft): In den von der Roten Armee befreiten Ländern Ostmittel- und Südosteuropas garantierte die sowjetische Militärpräsenz die Etablierung kommunistischer Regime. Wo nötig, gingen sowjetische Besatzungstruppen gegen antikommunistische Kräfte vor. Bis 1948 waren alle osteuropäischen Staaten (darunter Polen, die DDR, Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien, Ungarn) fest in den sowjetischen Machtbereich integriert – dieser Prozess der „Sowjetisierung“ basierte auf Druck und militärischer Kontrolle durch Moskau.
  • 1946–1949 – Griechischer Bürgerkrieg (Stellvertreterkrieg): Während in Griechenland royalistische und kommunistische Partisanen um die Macht kämpften, unterstützte die UdSSR verdeckt die kommunistischen Aufständischen, hielt sich jedoch aufgrund geopolitischer Absprachen (der „Percentages“-Übereinkunft mit Großbritannien) offiziell zurück. Die sowjetischen Verbündeten Jugoslawien und Bulgarien boten Rückzugsräume und Waffen für die griechischen Kommunisten, was diesen Konflikt zu einem frühen Stellvertreterkrieg im Ost-West-Gegensatz machte. Letztlich siegte 1949 jedoch die pro-westliche griechische Regierung; der begrenzte sowjetische Einfluss blieb folgenlos.
  • 1948/49 – Berlin-Blockade: Am 24. Juni 1948 riegelte die Sowjetunion als erster offener Akt des Kalten Krieges die Westsektoren Berlins vollständig ab. Diese Blockade West-Berlins zielte darauf ab, die Westalliierten zum Aufgeben ihrer Präsenz zu zwingen und ganz Berlin sowie Deutschland unter sowjetische Kontrolle zu bringen. Die Westmächte reagierten mit der Luftbrücke, während die Sowjets die Versorgung abschnitten. Politischer Hintergrund war die westliche Währungsreform und die Gründung eines westdeutschen Staates, die Moskau zu sabotieren suchte. Am 12. Mai 1949 gab die UdSSR die Blockade ergebnislos auf – sie hatte ihr Ziel, Berlin in ihren Machtbereich zu ziehen, nicht erreicht.

1950er Jahre: Konfrontation der Blöcke und offene Interventionen

  • 1950–1953 – Koreakrieg (Stellvertreterkrieg in Asien): Im Koreakrieg blieb die Sowjetunion offiziell im Hintergrund, leistete jedoch entscheidende Hilfe für Nordkorea. Art der Beteiligung: Waffenlieferungen, Militärberater und geheime Kampfeinsätze. Die nordkoreanische Armee war von sowjetischen Offizieren aufgebaut und mit sowjetischen Panzern, Artillerie und Flugzeugen ausgerüstet. Nach dem Eingreifen der USA entsandte Moskau ab Ende 1950 heimlich Jagdfliegerverbände (MiG-15) nach Korea; sowjetische Piloten flogen in chinesischen Uniformen unter nordkoreanischer Hoheitszeichen Luftkämpfe gegen US-Maschinen. Hintergrund: Stalin wollte die Ausweitung des Kommunismus in Asien vorantreiben, ohne einen direkten Krieg mit den USA zu riskieren – Korea wurde so zum Stellvertreterkrieg zwischen Ost und West, in dem die UdSSR indirekt mit den USA rang.
  • 1953 – Niederschlagung des Aufstands in der DDR: Am 17. Juni 1953 erhoben sich ostdeutsche Arbeiter gegen das SED-Regime – die Sowjetarmee schlug diesen Volksaufstand blutig nieder. Art der Beteiligung: Direkter Truppeneinsatz zur Ordnungssicherung. Über 20.000 Soldaten in 16 sowjetischen Divisionen mit Panzern wurden in Ost-Berlin und anderen Städten mobilisiert. Gemeinsam mit DDR-Polizeikräften schossen sie auf Demonstranten und verhängten das Kriegsrecht, über 50 Aufständische wurden getötet oder zum Tode verurteilt. Politischer Hintergrund war Moskaus Entschlossenheit, die kommunistische Herrschaft im Ostblock aufrechtzuerhalten. Die gewaltsame Intervention – einer der größten Militäreinsätze in Europa nach 1945 – demonstrierte, dass die DDR „ein Teil des sowjetischen Imperiums war und nicht zur Disposition stand“.
  • 1956 – Ungarischer Volksaufstand: Im Herbst 1956 versuchte Ungarn, unter Imre Nagy aus dem sowjetischen Block auszubrechen. Die Reaktion Moskaus folgte prompt mit einer Invasion: Art der Beteiligung: Massive Truppeneinmarsch und Panzeroffensive. Am 4. November 1956 marschierten überlegene Verbände der Sowjetarmee (rund 60.000 Mann mit 2.000 Panzern) in Budapest und anderen Städten ein, um die Revolution gewaltsam zu beenden. Nach wenigen Tagen schweren Kampfes war der Aufstand niedergeschlagen; eine moskautreue Regierung (unter János Kádár) wurde eingesetzt. Politischer Hintergrund war die Doktrin, keinen Verlust eines „Bruderstaates“ zu dulden. Während die Welt durch die gleichzeitig laufende Suezkrise abgelenkt war, konnte die UdSSR ungehindert in Ungarn agieren. Schätzungsweise 2.500 Ungarn und über 700 sowjetische Soldaten kamen ums Leben; der Westen protestierte zwar, griff aber nicht ein.
  • 1956 – Suezkrise (Ägypten): Als Ägyptens Präsident Nasser den Sueskanal verstaatlichte, griffen Großbritannien, Frankreich und Israel im Oktober 1956 militärisch ein. Die Sowjetunion stellte sich entschlossen auf die Seite Ägyptens. Art der Beteiligung: Waffenlieferungen, Militärberater und diplomatische Kriegsdrohung. Schon 1955 hatte Moskau über Prag moderne Waffen an Nasser geliefert; in der Krise drohte Ministerpräsident Bulganin am 5. November 1956 den intervenierenden Mächten sogar unverhüllt mit sowjetischem Militärschlag und der „Vernichtung der Aggressoren“ – unter Anspielung auf Atomwaffen. Diese Drohung, zusammen mit Druck der USA, zwang London und Paris zum Rückzug. Im Ergebnis profilierte sich die UdSSR als Schutzmacht der arabischen Staaten: Fortan unterstützte Moskau Ägypten und Syrien militärisch wie wirtschaftlich (Aufrüstung der Armeen, Bau des Assuan-Staudamms etc.). Hintergrund war das Machtvakuum infolge des britisch-französischen Prestigeverlusts – die Sowjetunion nutzte die Chance, ihren Einfluss im Nahen Osten auszubauen, und konnte zugleich ungestört den Ungarn-Aufstand niederwerfen.

1960er Jahre: Globale Stellvertreterkriege und nukleare Konfrontation

  • 1955–1975 – Vietnamkrieg (Unterstützung Nordvietnams): Über zwei Jahrzehnte engagierte sich die UdSSR intensiv im Konflikt in Indochina auf Seiten der kommunistischen Viet Minh/Nordvietnamesen. Art der Beteiligung: umfangreiche Waffen- und Materiallieferungen, Militärberater und geheim entsandte Spezialeinheiten. Nachdem Moskau 1950 Ho Chi Minhs Demokratische Republik Vietnam offiziell anerkannt hatte, erhielt Hanoi ab den späten 1950ern wachsende Hilfe. Insbesondere während des US-Vietnamkriegs (1965–1975) lieferte die Sowjetunion Massen an Kriegsgerät: monatlich zehntausende Tonnen Treibstoff und Getreide, modernste Waffen wie Panzer, MiG-21-Abfangjäger, Flugabwehrraketen und Radars. Im Jahr 1966 hielten sich ca. 500 sowjetische Militärspezialisten in Nordvietnam auf. Außerdem operierten sowjetische Flugabwehr-Truppen und Piloten verdeckt zur Bedienung der Flugabwehr (SAM-Stellungen), welche den amerikanischen Flugzeugen erhebliche Verluste zufügten. Politischer Hintergrund: Die UdSSR wollte ihren Einfluss in Asien wahren und die Ausbreitung des US-Einflusses eindämmen. Trotz ideologischer Rivalität zur Volksrepublik China unterstützte Moskau Hanoi als Teil der globalen Containment-Strategie gegen die USA. Die Unterstützung belief sich bis Kriegsende auf geschätzte 3–8 Milliarden Dollar und trug wesentlich zum Sieg Nordvietnams 1975 bei.
  • 1962 – Kubakrise (Stationierung von Atomraketen auf Kuba): Im Herbst 1962 eskalierte die Konfrontation, als die Sowjetunion in Geheimoperation „Anadyr“ atomare Mittelstreckenraketen und Truppen auf Kuba installierte – als Antwort auf US-Raketen in der Türkei und zum Schutz des Castro-Regimes. Art der Beteiligung: Verdeckte Stationierung strategischer Waffen. Diese Aktion führte zur Kubakrise im Oktober 1962: Die USA entdeckten die Abschussbasen und forderten den Abzug, es drohte ein Atomkrieg. Chruschtschow verfolgte zwei Ziele: Zum einen Schutz Kubas vor einer weiteren US-Invasion, zum anderen Herstellung eines Nukleargleichgewichts durch Bedrohung des amerikanischen Hinterlands. Tatsächlich verfolgte Moskau mit den Raketen „offensichtlich nicht nur den Schutz Kubas, sondern vor allem die Herstellung eines militärischen Gleichgewichts“ mit den USA. Nach 13 Tagen höchster Spannung zog die UdSSR ihre Raketen letztlich ab (gegen das US-Versprechen, Kuba nicht anzugreifen und eigene Raketen in der Türkei abzubauen). Politisch ging die Sowjetunion zwar als vermeintlicher Zurückweichender hervor, konnte aber Kubas sozialistische Regierung dauerhaft sichern. Die Krise zeigte die Grenzen sowjetischer Expansion – ein direktes militärisches Abenteuer vor der „Haustür“ der USA brachte die Welt an den Rand des Atomkriegs.
  • 1967 – Sechstagekrieg (Nahostkonflikt): In den Jahren vor dem Sechstagekrieg baute die UdSSR ihren Einfluss im Nahen Osten stark aus und unterstützte die arabischen Staaten militärisch. Art der Beteiligung: Militärische Beratung, Kriegsplanung und Desinformation. So entwarfen sowjetische Militärberater bereits 1966 für Ägypten den geheimen „Schild-und-Schwert“-Plan für einen Krieg gegen Israel. Kurz vor Kriegsausbruch 1967 lieferte Moskau irreführende Geheimdienstinformationen an Syrien und Ägypten, die behaupteten, Israel bereite einen Angriff vor – diese Falschmeldung heizte die Krise an und ermutigte die arabische Seite zur Mobilisierung. Während des Sechstagekriegs selbst im Juni 1967 blieb die UdSSR zwar offiziell neutral, verlor aber massiv an Prestige, als ihre Verbündeten Ägypten und Syrien binnen Tagen geschlagen wurden. Unmittelbar danach half Moskau beim Wiederaufbau: Sowjetische Waffen und Berater fluteten in die Region. Ab 1968 führten ägyptische Streitkräfte mit sowjetischer Unterstützung den „Abnutzungskrieg“ gegen Israel. Dabei waren zeitweise rund 20.000 sowjetische Militärberater und Experten in Ägypten stationiert, einschließlich Piloten und Flugabwehrpersonal – 1969/70 kam es sogar zu direkten Luftgefechten zwischen sowjetischen und israelischen Piloten. Etwa 35 sowjetische Militärberater fanden in diesem Konflikt den Tod. Hintergrund: Die UdSSR wollte den Einfluss der USA in Israel ausgleichen und ihre Stellung bei den „sozialistischen“ Regimes von Nasser (Ägypten) und Baath-Syrien festigen. Gleichzeitig demonstrierte sie durch die massive Aufrüstung arabischer Armeen globale Reichweite im Rahmen der Supermachtkonkurrenz.
  • 1968 – Prager Frühling (Intervention in der Tschechoslowakei): Als die tschechoslowakische KP unter Alexander Dubček 1968 einen liberalen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ propagierte, schritten Moskau und seine Verbündeten brutal ein. Art der Beteiligung: Militärische Invasion durch Warschauer-Pakt-Truppen. In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 marschierten rund 500.000 Soldaten aus fünf Ostblock-Staaten – angeführt von der Sowjetarmee – in die Tschechoslowakei ein, um den Prager Reformkurs zu stoppen. Trotz vereinzelten zivilen Widerstands (Barrikaden, Demonstrationen) wurde das Land kampflos besetzt. Etwa 98 Tschechoslowaken und 50 Angehörige der Invasionstruppen kamen ums Leben. Politischer Hintergrund war die sogenannte Breschnew-Doktrin, wonach die UdSSR das „Recht“ beanspruchte, in sozialistischen Staaten zu intervenieren, wenn der Kommunismus dort gefährdet schien. Die Besetzung der ČSSR zementierte für weitere 20 Jahre die sowjetische Dominanz in Osteuropa, führte aber zur weltweiten Verurteilung – sogar befreundete Parteien in Westeuropa distanzierten sich offen vom sowjetischen Vorgehen.
  • 1969 – Chinesisch-sowjetischer Grenzkrieg: Im März 1969 eskalierte der latente Konflikt zwischen der UdSSR und der Volksrepublik China zu offenen Gefechten am Ussuri-Fluss (Insel Damansky/Zhenbao). Art der Beteiligung: Begrenzte militärische Zusammenstöße. Mehrere Scharmützel zwischen Grenztruppen gipfelten im sogenannten Zwischenfall am Ussuri, einem Grenzkonflikt auf dem Höhepunkt des ideologischen Zerwürfnisses zwischen Peking und Moskau. Grund war der ungeklärte Verlauf der Grenze; beide kommunistischen Großmächte beanspruchten das Gebiet. Die Gefechte forderten Dutzende Tote auf beiden Seiten und hätten beinahe zu einem größeren Krieg geführt. Die Sowjetunion erwog sogar kurzfristig präventive Atomschläge gegen China, was jedoch nicht umgesetzt wurde. Schließlich beruhigte sich die Lage durch Verhandlungen im Herbst 1969 wieder etwas. Politischer Hintergrund: Der Bruch zwischen Mao und der sowjetischen Führung um die Vormacht im kommunistischen Lager – hier traten zwei ehemalige Verbündete militärisch gegeneinander an, was die Spaltung der kommunistischen Weltbewegung manifestierte.

1970er Jahre: Expansion in der „Dritten Welt“ und große Interventionen

  • 1974–1991 – Äthiopischer Bürgerkrieg (Unterstützung des Derg-Regimes): Nach dem Sturz des Kaisers Haile Selassie 1974 etablierte sich in Äthiopien eine marxistisch-leninistische Militärjunta (Derg unter Mengistu Haile Mariam). Ab Mitte der 1970er wandte sich dieses Regime von den USA ab und suchte die Nähe Moskaus – die Sowjetunion wurde zum Hauptmäzen. Art der Beteiligung: Massive Militärhilfe, Entsendung von Waffen und Fachpersonal. Insbesondere ab 1977 erhielt Addis Abeba militärische Ausrüstung in großem Umfang (Panzer, Flugzeuge, Artillerie) sowie die Unterstützung tausender kubanischer Kampftruppen, was die Armee Äthiopiens zur stärksten in der Region machte. Die UdSSR investierte auch wirtschaftlich (Lieferung von Gerät, Beratung beim Aufbau sozialistischer Strukturen). Durch diese Hilfe wurde Äthiopien eine Regionalmacht und blieb bis 1991 fest im prosowjetischen Lager. Hintergrund: Nach dem ideologischen Wechsel Äthiopiens wollte Moskau sein Einflussgebiet am Horn von Afrika sichern – auch als Gegenpol zu pro-westlichen Staaten wie Kenia oder zum mit den USA verbündeten Nachbarn Somalia. Der äthiopische Bürgerkrieg (gegen verschiedene separatistische und oppositionelle Bewegungen, u.a. in Eritrea) dauerte bis zum Zusammenbruch der UdSSR an; er wurde durch die ständige sowjetische Unterstützung des Mengistu-Regimes verlängert, endete jedoch 1991 mit dem Sieg der Rebellen kurz nach dem Wegfall der sowjetischen Nachschublinien.
  • 1977/78 – Ogadenkrieg (Äthiopien vs. Somalia): Ein Schwerpunkt der sowjetischen Einmischung in Afrika war der Ogadenkrieg zwischen Äthiopien und Somalia. Zunächst hatte die UdSSR Somalia (Siad Barre) unterstützt – doch als Barre 1977 den überwiegend von Somali bewohnten Ogaden (damals zu Äthiopien gehörig) angriff, vollzog Moskau einen drastischen Seitenwechsel. Art der Beteiligung: Militärische Unterstützung einer Konfliktpartei (Äthiopien) inklusive Luftbrücke und ausländischen Truppen. Ab Juni 1977 brach die Sowjetführung mit Somalia und bot dem sozialistischen Derg-Regime massive Hilfe an. Unter direkter Koordination sowjetischer Berater wurde eine Luftbrücke eingerichtet, welche riesige Mengen an Waffen nach Äthiopien brachte; gleichzeitig entsandte Kuba über 15.000 Soldaten (mit sowjetischer Logistik) an die Front. Diese internationale Intervention kehrte den Kriegsverlauf um: Anfang 1978 musste Somalia – nun ohne sowjetische Waffen – die Niederlage einräumen. Politischer Hintergrund: Die UdSSR entschied sich, den „verlässlicheren“ Partner Äthiopien zu stützen, um einen sozialistischen Staat zu retten, auch wenn das bedeutete, den einstigen Verbündeten Somalia zu verlieren. Somalia wandte sich in der Folge den USA zu. Der Ogadenkrieg demonstrierte die globale Schachzug-Politik der Supermächte: Moskau zeigte, dass es bereit war, durch massive Militärintervention in Übersee Einflussgebiete zu behaupten – in diesem Fall auf dem afrikanischen Kontinent.
  • 1975–2002 – Angolanischer Bürgerkrieg: Nach dem Ende der portugiesischen Kolonialherrschaft 1975 geriet Angola in einen langjährigen Bürgerkrieg zwischen der marxistischen MPLA und anti-kommunistischen Rebellen (UNITA, FNLA). Die Sowjetunion unterstützte die MPLA-Regierung in Luanda militärisch und logistisch, um einen sozialistischen Staat in Afrika zu etablieren. Art der Beteiligung: Waffenlieferungen, Militärberater und Proxy-Truppen via Kuba. Bereits vor der Unabhängigkeit erhielt die MPLA Hilfe von der UdSSR und verbündeten Staaten (DDR, Kuba). Als 1975 südafrikanische Truppen und von den USA unterstützte Kräfte intervenierten, orchestrierte Moskau gemeinsam mit Fidel Castro eine Gegenintervention: Kubanische Kampftruppen (bis zu 36.000 Mann) wurden nach Angola entsandt, ausgerüstet mit sowjetischem Kriegsgerät. Die UdSSR flog Tonnen an Waffen ein (Panzer, Flugabwehr, Artillerie) und stationierte eigene Militärexperten zur Beratung. Washington betrachtete diese Einmischung des Ostblocks in Afrika als strategische Bedrohung, woraufhin die USA und das Apartheid-Regime in Südafrika die angolanischen Rebellen jahrelang unterstützten. Im Verlauf der 1980er blieb Angola jedoch fest an die UdSSR gebunden. Politischer Hintergrund: Dieser Konflikt war Teil des globalen Stellvertreterkriegs – die Sowjetunion wollte nach den Niederlagen in Asien (Vietnam gewonnen, aber keine Ausbreitung in Thailand/Malaysia) und Nahost (Kein Sieg der arabischen Koalition) in Afrika Einflusszonen gewinnen. Angola wurde zum Symbol des sowjetischen Engagements in der „Dritten Welt“. Der Krieg endete erst 2002 (nach dem Kalten Krieg); die entscheidende militärische Stabilisierung der MPLA-Herrschaft in den 70er/80er Jahren war jedoch maßgeblich Moskaus Verdienst.
  • 1979–1989 – Intervention in Afghanistan: Die wohl größte und kostspieligste Auslandsmilitäraktion der Sowjetunion nach 1945 war der Afghanistan-Krieg. Um die kommunistische Regierung in Kabul vor dem Zusammenbruch zu bewahren, marschierte die Rote Armee ab dem 25. Dezember 1979 in Afghanistan ein. Art der Beteiligung: Offene militärische Invasion und Besetzung. Rund 115.000 sowjetische Soldaten kämpften fast ein Jahrzehnt lang gegen islamisch-konservative Mujaheddin-Guerillas. Gleich zu Beginn führten KGB-Spezialkräfte am 27. Dezember 1979 die Operation „Sturm-333“ durch, bei der Präsident Hafizullah Amin im Präsidentenpalast erschossen und durch den Moskau-treuen Babrak Karmal ersetzt wurde. In den folgenden Jahren geriet die sowjetische Armee in einen zermürbenden Guerillakrieg. Trotz absoluter Lufthoheit und schwerer Waffen gelang es den Sowjets nie, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete zu sichern. Die USA, Pakistan, China und andere Länder unterstützten die afghanischen Widerständler massiv mit Waffen (darunter Stinger-Luftabwehrraketen) – Afghanistan wurde zum Blutigen Stellvertreterkrieg auf sowjetischer Seite. Bis 1989 starben etwa 15.000 sowjetische Soldaten; die Verluste und der öffentliche Unmut im eigenen Land trugen zur Krise der Sowjetunion bei. Am 15. Februar 1989 zog das „Begrenzte Kontingent“ die letzten Truppen ab. Die Bilanz: Afghanistan war verwüstet, zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Afghanen kamen ums Leben und rund 5 Millionen wurden zu Flüchtlingen. Politischer Hintergrund: Die Intervention sollte den geopolitischen Einfluss der UdSSR in Zentralasien sichern und einen sozialistischen Brückenkopf an der Südflanke (Grenze zu Pakistan/Iran) erhalten. Doch der Krieg erwies sich als militärisches Fiasko und beschleunigte den Zerfall des sowjetischen Imperiums – er markierte das letzte große militärische Abenteuer der UdSSR vor ihrem Zusammenbruch 1991.

Literaturverweise: Die obigen Angaben basieren auf historischen Analysen und zeitgenössischen Quellen, u.a. den Dokumentationen der Wikipedia-Artikel, die die jeweiligen Einsätze, Hintergründe und Konsequenzen detailliert darstellen. Diese chronologische Übersicht verdeutlicht, wie die Sowjetunion von 1945 bis zu ihrem Ende 1991 mit militärischen Mitteln versuchte, ihren globalen Einfluss auszuweiten und die weltpolitische Ordnung im Sinne des Sozialismus zu gestalten.

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