Seit dem Jahr 2025 hat Deutschland einen offiziellen Nationalen Veteranentag: Jährlich am 15. Juni – oder, falls dieser auf einen Werktag fällt, am vorangegangenen oder darauffolgenden Wochenende – ehrt die Bundesrepublik den Dienst und Einsatz ihrer aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten. Der vom Bundestag im April 2024 beschlossene Gedenktag ist mehr als nur eine symbolische Geste: Er markiert einen sichtbaren gesellschaftlichen und politischen Wandel – und wirft zugleich die Frage auf, ob er auch Teil einer langsamen, aber stetigen Militarisierung Deutschlands ist.
Würdigung von Dienst und Opfer
Mit rund zehn Millionen Menschen, die als Veteranen gelten – darunter Berufs- und Zeitsoldaten, ehemalige Wehrdienstleistende sowie aktive Angehörige der Bundeswehr –, lebt in Deutschland eine große Gruppe von Menschen, deren Engagement für die Sicherheit des Landes bislang kaum öffentlich gewürdigt wurde. Etwa 500.000 davon haben an Auslandseinsätzen teilgenommen, unter anderem in Afghanistan, Mali oder Bosnien-Herzegowina. Der Veteranentag soll diesen Personenkreis nun eine Stimme geben und ihnen Respekt, Dank und Anerkennung entgegenbringen.
Die Einführung des Tages wurde von vielen Seiten begrüßt. Verteidigungsminister Boris Pistorius betonte bei der Vorstellung des Vorhabens, dass die Bundeswehr „ein zentraler Bestandteil unserer Gesellschaft“ sei und Frieden wie Sicherheit garantieren müsse. Ziel sei es, eine Kultur der Wertschätzung zu schaffen und gleichzeitig den Dialog zwischen Militär und Zivilgesellschaft zu stärken.
Veranstaltungen mit militärischem Charakter
Am Veteranentag finden landesweit diverse Veranstaltungen statt: Festakte, Bundeswehr-Appelle, Militärvorführungen und Bürgerfeste rücken das Militär in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses. Die zentrale Veranstaltung 2025 fand symbolisch vor dem Reichstagsgebäude in Berlin statt – ein deutliches Zeichen dafür, dass die Bundeswehr nicht länger am Rande des öffentlichen Bewusstseins stehen soll.
Diese Inszenierungen verbinden Traditionspflege mit zeitgemäßer Aufklärung über die Rolle der Streitkräfte in der heutigen Welt. Sie dienen jedoch nicht nur der Würdigung, sondern auch der Werbung – sowohl für den Beruf des Soldaten als auch für die Akzeptanz militärischer Einsätze im In- und Ausland.
Gesellschaftlicher Wandel und politischer Hintergrund
Die Einführung des Veteranentags wird von vielen Beobachtern als überfällig empfunden. Deutschland war lange Zeit ein Land, in dem das Militär bewusst aus dem gesellschaftlichen Fokus gedrängt wurde – eine Folge der NS-Vergangenheit und der damit verbundenen Skepsis gegenüber staatlicher Gewalt. Doch seit Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 hat sich das Bild der Bundeswehr grundlegend verändert.
Mit dem Ziel, die Streitkräfte wieder aufzurüsten und ihre Handlungsfähigkeit zu verbessern, hat die Bundesregierung unter Olaf Scholz einen historischen Kurswechsel vollzogen – weg von der Zurückhaltung, hin zu einer aktiveren Rolle Deutschlands in der internationalen Sicherheitspolitik. Der Veteranentag ist dabei nur eine Facette dieses Wandels. Er signalisiert: Das Militär gehört wieder mehr zum Staat – und zur Gesellschaft.
Kritik und Bedenken
Doch nicht alle blicken positiv auf diese Entwicklung. Kritiker aus Teilen der Zivilgesellschaft, der Friedensbewegung und linken Parteien warnen vor einer unkritischen Verherrlichung des Militärs und einer zunehmenden Militarisierung der öffentlichen Debatte. Ihnen gilt der Veteranentag als ein weiterer Schritt in Richtung einer „Normalisierung“ militärischer Strukturen und einer romantisierten Heldenerzählung. Besonders besorgniserregend sei, so einige Stimmen, dass durch solche Initiativen die Akzeptanz für weitere Auslandseinsätze gesteigert werden könnte – ohne ausreichende parlamentarische Kontrolle oder breite gesellschaftliche Diskussion.
Auch die Definition dessen, was unter einem „Veteranen“ verstanden wird, wird kritisch gesehen: Rechnet man auch frühere Wehrpflichtige dazu, wird der Begriff inflationär verwendet und verliert möglicherweise seine eigentliche Bedeutung.
Fazit: Würdigung oder Warnsignal?
Der Nationale Veteranentag ist zweifellos ein Meilenstein in der deutschen Militär- und Gesellschaftspolitik. Er bietet die Chance, den oft unsichtbar gebliebenen Frauen und Männern der Bundeswehr endlich die Anerkennung zu zollen, die sie verdienen. Gleichzeitig steht er aber auch stellvertretend für einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel, der langsam die Grenzen zwischen Militär und Zivilgesellschaft verwischt.
Ob dieser Tag letztlich ein Symbol für gelebte Solidarität bleibt – oder doch ein Indikator für eine verstärkte Militarisierung Deutschlands wird, hängt entscheidend davon ab, wie er in Zukunft gestaltet wird. Wird der Veteranentag genutzt, um die vielfältigen Erfahrungen und Herausforderungen der ehemaligen und aktiven Soldatinnen und Soldaten sichtbar zu machen? Oder dient er lediglich als propagandistisches Instrument zur Legitimierung einer neuen deutschen Außen- und Sicherheitspolitik?
Die Antwort darauf wird maßgeblich darüber entscheiden, welche Rolle das Militär in der Zukunft unseres Landes spielen wird – und wie sehr es sich wirklich in unsere friedliche Grundordnung integrieren lässt.