Die Personalentwicklung im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahren durch eine konstante Expansion gekennzeichnet. Zwischen 2013 und 2023 stieg die Zahl der öffentlich Beschäftigten um über eine halbe Million Vollzeitäquivalente, allein auf kommunaler Ebene betrug das Wachstum rund 24 Prozent, bei den Landesverwaltungen immerhin 12 Prozent. Gleichzeitig vermeldet die Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2025 eine Arbeitslosenzahl von über drei Millionen, den höchsten Stand seit einem Jahrzehnt. In diesem Spannungsverhältnis stellt sich mit wachsender Dringlichkeit die Frage: Wächst der Staat effizient – oder bloß inflationär?
1. Personalaufwuchs als politische Ersatzhandlung
Der zunehmende Stellenaufbau wird politisch häufig als Ausdruck staatlicher Handlungsfähigkeit verkauft. Doch faktisch agieren Bund, Länder und Kommunen oft reaktiv, nicht strategisch. Der Aufbau von Personal dient weniger der effektiven Aufgabenbewältigung als vielmehr der Symptombekämpfung: Verwaltungsengpässe, Überlastungen in Gesundheits- oder Bildungssektor und steigende Regulierungsaufgaben sollen durch mehr Köpfe abgefedert werden – anstatt durch strukturelle Reformen und klare Prioritätensetzung. Das Personal wird zur Kompensation für einen unreformierten Apparat.
2. Effizienzreserven bleiben ungenutzt
Eine empirisch-ökonometrische Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt zu dem Ergebnis, dass erhebliche Effizienzunterschiede zwischen den Bundesländern bestehen. In Sachsen-Anhalt beispielsweise verlief die Beschäftigungsentwicklung unterdurchschnittlich, trotz unverändert hoher Anforderungen. Wäre der öffentliche Dienst bundesweit mit ähnlicher Zurückhaltung ausgebaut worden, ließe sich ein Einsparpotenzial von rund 60.000 Vollzeitstellen quantifizieren – das entspricht einem Haushaltsvolumen von etwa 3,4 Milliarden Euro jährlich.
Diese Zahl ist nicht Ausdruck eines rigiden Sparkurses, sondern der Nachweis, dass effizientere Strukturen möglich sind, ohne die Leistungsfähigkeit staatlicher Institutionen zwingend zu gefährden. Gerade weil der öffentliche Dienst in der Fläche heterogen ist, bietet die horizontale Vergleichbarkeit zwischen den Kommunen und Ländern ein enormes Potenzial zur Identifikation von Best Practices – bislang weitgehend ungenutzt.
3. Demografie als Argument und Ausrede
Gern wird der demografische Wandel als Argument für wachsende öffentliche Beschäftigung bemüht – sei es im Pflegebereich, bei Kitas oder im Bereich der Altersversorgung. Doch die demografische Entwicklung ist nicht flächendeckend gleich, und sie rechtfertigt nicht automatisch mehr Personal. Vielmehr müsste sie Anlass zu einer Reallokation von Ressourcen und zu einer konzertierten Digitalisierungsstrategie sein. Stattdessen bleibt der demografische Wandel oft ein bequemes Narrativ, um systematische Steuerungslücken zu kaschieren.
4. Bürokratie statt Digitalisierung
Ein zentrales Versäumnis bleibt die schleppende Digitalisierung. Während Estland und Dänemark längst beweisen, dass Bürgerdienste digital, effizient und kostengünstig funktionieren können, erstickt Deutschland in Regulierungsflut und Formularwesen. Die Personalzahlen steigen – nicht weil neue Aufgaben hinzukommen, sondern weil die alten Aufgaben nicht anders bewältigt werden (können oder dürfen). Hier wird das eigentliche Problem sichtbar: Nicht zu wenig Personal ist das Problem – sondern ein veraltetes Betriebsmodell der öffentlichen Verwaltung.
5. Vertrauenskrise durch Ineffizienz
Auch auf gesellschaftlicher Ebene zeigt sich die Erosion der Legitimität staatlicher Handlungsmacht. Umfragen, etwa der dbb-Monitor öffentlicher Dienst, belegen: Nur ein Viertel der Bevölkerung glaubt noch daran, dass der Staat seine Aufgaben erfüllt. Dieser Befund steht im scharfen Kontrast zum quantitativen Personalausbau und ist ein Hinweis auf eine tiefgreifende Effizienz- und Strukturkrise. Der Vertrauensverlust ist keine Folge zu geringer Ausgaben – sondern eines unzureichenden Outputs bei steigenden Inputkosten.
6. Politikversagen auf Raten
Die politische Klasse hat es versäumt, den öffentlichen Dienst strategisch weiterzuentwickeln. Es fehlt an:
- einer Aufgabeninventur: Was muss der Staat leisten, was kann er delegieren?
- einer Konzentration auf Kernaufgaben: Nicht jede gesellschaftliche Herausforderung ist ein Fall für das Rathaus.
- einer zielgerichteten Digitalisierung: Verwaltung braucht Systeme, keine Stapel.
- einer leistungsorientierten Steuerung: Qualität muss messbar und vergleichbar gemacht werden.
Dass die Antwort auf strukturelle Überforderung immer wieder im Ruf nach mehr Personal besteht, ist Ausdruck eines Staatsverständnisses, das im 20. Jahrhundert stehengeblieben ist.
Fazit: Mehr Staat heißt nicht besserer Staat
Die derzeitige Personalexpansion im öffentlichen Dienst ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Ausdruck mangelnder struktureller Steuerung. Sie belastet die Haushalte, ohne das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Deutschland braucht nicht weniger Staat, aber einen besseren Staat – einen, der Prioritäten setzt, digital denkt und Effizienz nicht als neoliberales Schlagwort, sondern als Voraussetzung für demokratische Legitimität versteht.
Ohne einen grundlegenden Kurswechsel wird der öffentliche Dienst weiter wachsen – und zugleich weiter an Wirksamkeit verlieren. Ein doppelter Verlust, den sich ein Hochsteuerstaat im demografischen Umbruch nicht leisten kann.