Über Jahrzehnte galt die Schweiz als Musterbeispiel wirtschaftlicher Verlässlichkeit – und ihre Aktien als Inbegriff von Stabilität. „Langweilig, aber wertbeständig“ lautete das Credo vieler Vermögensverwalter. Doch dieses Versprechen steht zunehmend auf wackligen Beinen. Der Schweizer Leitindex SMI hat seinen Ruf als Hort der Solidität eingebüßt – und enttäuscht Anleger seit Jahren mit schwacher Performance.
Ein Blick auf die Zahlen offenbart den Befund: Während der DAX-Kursindex in den vergangenen fünf Jahren um rund 80 Prozent zulegte, kam der SMI nur auf bescheidene 28 Prozent. Selbst die Aufwertung des Schweizer Frankens um etwa 15 Prozent reichte nicht aus, um die Renditelücke gegenüber Deutschland zu schließen. Auf Jahressicht bleibt das Bild ähnlich trüb: Der DAX legte um 17,5 Prozent zu, der SMI gerade einmal um sechs.
Die Ursachen liegen tief in der Struktur des Index. Drei Schwergewichte – Nestlé, Roche und Novartis – prägen den Markt und bremsen ihn zugleich aus. Nestlé kämpft mit Managementfehlern und einem erodierenden Investorenvertrauen. Die Pharmariesen Roche und Novartis verlieren nach Ablauf wichtiger Patente an Umsatzkraft und müssen mit teuren Zukäufen und riskanter Forschung gegensteuern. Dynamische Impulse, wie sie der DAX mit Wachstumswerten wie SAP oder Rheinmetall bietet, sucht man im SMI vergeblich. Zwar tragen Unternehmen wie ABB oder Holcim zur Stabilität bei, doch ihre Marktkapitalisierung reicht nicht aus, um den Index nennenswert zu bewegen.
Hinzu kommt die Währungsproblematik: Der starke Franken, lange als Sicherheitsanker geschätzt, ist für die exportorientierte Schweizer Wirtschaft inzwischen zur Belastung geworden. Er verteuert die Produkte im Ausland und mindert die Wettbewerbsfähigkeit. Zwar könnte die Schweizerische Nationalbank gegensteuern, doch sie tut dies erfahrungsgemäß erst dann, wenn der Franken übermäßig stark aufwertet – also in jenen Krisenzeiten, in denen Anleger auf seine Schutzwirkung hoffen.
Damit verliert der SMI gleich doppelt: Weder überzeugt er durch Rendite, noch durch die einst gerühmte Währungsstabilität. Euro-Anleger, die in Schweizer Aktien investierten, mussten in den vergangenen Jahren auf beides verzichten.
Trotz allem sollte die Kritik differenziert bleiben. Die Defensive des Marktes ist kein Makel, sondern Ausdruck einer anderen Philosophie: Wer Stabilität über Spekulation stellt, findet in der Schweiz weiterhin solide Titel – vor allem außerhalb des eng gefassten Leitindex. Mittelgroße und spezialisierte Unternehmen zeigen, dass die Eidgenossen Innovationskraft besitzen, wenn man den Blick über Nestlé, Roche und Novartis hinaus richtet.
Fazit:
Der Schweizer Aktienmarkt hat seine Vormachtstellung als sicherer Hafen eingebüßt. Die Kombination aus Index-Konzentration, Innovationsschwäche und starkem Franken drückt auf die Rendite. Wer dennoch in der Schweiz investiert, sollte gezielt nach jenen Unternehmen suchen, die von Stabilität allein nicht leben wollen.
