Der Wettlauf um die Fusionsenergie: Wie Google und private Firmen die saubere Energie der Zukunft gestalten

Die Kernfusion, lange als ferner Traum von unerschöpflicher, sauberer Energie abgetan, rückt immer schneller in den Bereich des Möglichen. Ein globaler Wettlauf ist entbrannt, an dem nicht nur Staaten wie die USA und China, sondern zunehmend auch schlagkräftige private Unternehmen beteiligt sind. Ein jüngster Meilenstein unterstreicht diesen Trend: Die Vereinbarung zwischen dem Tech-Giganten Google und dem Fusions-Startup Commonwealth Fusion Systems (CFS) ist ein starkes Signal für die kommerzielle Zukunft der Technologie.

Was ist Kernfusion? Der Traum von der Sonne auf Erden

Im Gegensatz zur Kernspaltung (Fission), bei der schwere Atomkerne wie Uran gespalten werden, funktioniert die Kernfusion nach dem Prinzip der Sonne: Leichte Atomkerne, meist Wasserstoffisotope, werden unter extremem Druck und bei Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius zu einem schwereren Kern verschmolzen. Bei diesem Prozess werden gewaltige Mengen an Energie freigesetzt.

Die Vorteile sind immens:

  • Keine CO₂-Emissionen im Betrieb.
  • Nahezu unbegrenzte Brennstoffe (Wasserstoffisotope können aus Wasser gewonnen werden).
  • Kein Risiko einer Kernschmelze und deutlich weniger langlebiger radioaktiver Abfall als bei der Kernspaltung.

Die Herausforderung besteht darin, diese extremen Bedingungen auf der Erde stabil zu erzeugen und mehr Energie zu gewinnen, als für den Betrieb des Reaktors benötigt wird – der sogenannte Nettoenergiegewinn.

Private Pioniere: Commonwealth Fusion Systems (CFS) weist den Weg

An der Spitze der privaten Fusionsforschung steht Commonwealth Fusion Systems (CFS), eine 2018 erfolgte Ausgründung des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT). In Devens, Massachusetts, entwickelt das Unternehmen einen kompakten, leistungsstarken Fusionsreaktor vom Typ „Tokamak“ namens SPARC.

Der Durchbruch von CFS basiert auf der Entwicklung neuartiger Hochtemperatur-Supraleitermagnete, die ein extrem starkes Magnetfeld erzeugen können, um das heiße Plasma einzuschließen. Dieser technologische Fortschritt hat das Vertrauen der Investoren geweckt: Ende 2021 sammelte CFS in einer Finanzierungsrunde insgesamt 1,8 Milliarden US-Dollar ein, an der sich Google als einer der Hauptinvestoren beteiligte.

Die jüngste Vereinbarung zwischen Google und CFS ist zukunftsweisend: Google hat eine Absichtserklärung für einen Stromabnahmevertrag (Power Purchase Agreement) unterzeichnet. Damit verpflichtet sich der Konzern, Strom aus dem ersten kommerziellen Fusionskraftwerk von CFS zu beziehen, sobald dieses in den frühen 2030er Jahren in Betrieb gehen soll. Es ist die weltweit erste Vereinbarung dieser Art und ein entscheidender Vertrauensbeweis in die Technologie.

Globale Anstrengungen: Zwischen Kooperation und Konkurrenz

Parallel zu den privaten Initiativen laufen massive staatliche Programme:

  • ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor): In Südfrankreich entsteht das größte Fusions-Forschungsprojekt der Welt, getragen von einem internationalen Konsortium (u.a. EU, USA, China, Russland, Japan). ITER soll die wissenschaftliche und technologische Machbarkeit der Fusion im großen Maßstab demonstrieren. Obwohl das Projekt von Verzögerungen geprägt ist und der erste Plasmabetrieb nun für die 2030er Jahre erwartet wird, legt es eine unverzichtbare wissenschaftliche Grundlage.
  • Der nationale Wettlauf: Gleichzeitig intensiviert sich der Wettbewerb zwischen den Nationen. China investiert Schätzungen zufolge jährlich 1 bis 1,5 Milliarden US-Dollar in die Fusionsforschung und baut beeindruckende Anlagen. Die USA fördern die Forschung ebenfalls massiv; unter der amtierenden Regierung von Präsident Joe Biden fließen jährlich rund 800 Millionen US-Dollar in öffentliche und privat-öffentliche Partnerschaften.

Milliarden für den Traum von sauberer Energie

Der Zustrom privaten Kapitals hat das Tempo der Entwicklung dramatisch beschleunigt. Laut dem Branchenverband Fusion Industry Association (FIA) beliefen sich die privaten Investitionen in Fusions-Unternehmen bis Mitte 2023 bereits auf über 6,2 Milliarden US-Dollar. Weltweit arbeiten rund 50 private Firmen an unterschiedlichen Konzepten, um die Kernfusion kommerziell nutzbar zu machen.

Ausblick: Ein realistischer Traum?

Die Kernfusion ist nicht länger nur ein Thema für Science-Fiction. Die Kombination aus der Agilität und dem Innovationsdruck privater Unternehmen wie CFS und der grundlagenwissenschaftlichen Stärke staatlicher Großprojekte wie ITER schafft eine nie dagewesene Dynamik.

Obwohl der Weg zu einem funktionierenden, wirtschaftlichen Fusionskraftwerk noch immer mit enormen technologischen Hürden gepflastert ist, hat sich die entscheidende Frage geändert: Es geht nicht mehr darum, ob die Fusionsenergie kommt, sondern wann – und wer im globalen Rennen die Nase vorn haben wird. Die Wette von Google zeigt, dass die smartesten Akteure der Wirtschaft fest mit dieser Zukunft rechnen.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater