Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im ersten Halbjahr 2024
Die Bundesregierung legte dem Deutschen Bundestag ihren halbjährlichen Bericht zur Rüstungsexportpolitik vor, der Ausfuhren von konventionellen Rüstungsgütern im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2024 dokumentiert. Die Rüstungsexportpolitik war im genannten Zeitraum erneut stark von der Unterstützung der Ukraine im Zuge des andauernden russischen Angriffskriegs geprägt. Die Ukraine war mit Einzelgenehmigungen im Wert von 4,9 Milliarden Euro mit Abstand das bedeutendste Empfängerland.
Genehmigungsvolumen und Empfängerstruktur
Insgesamt wurden Einzelgenehmigungen in Höhe von 7,49 Milliarden Euro erteilt (Vergleichszeitraum 2023: 5,22 Mrd. Euro). Davon entfielen:
- rund 4,90 Mrd. € (65,4 %) auf die Ukraine,
- rund 1,21 Mrd. € auf Singapur,
- 26,4 Mio. € auf die Republik Korea.
Somit gingen etwa 91 % des Gesamtwerts aller Einzelgenehmigungen an die Ukraine, Singapur, Korea sowie EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder. Auf sonstige Drittländer entfielen 709 Mio. €, also nur rund 9,5 %.
Klein- und Leichtwaffenexporte
Der Exportwert für Kleinwaffen und zugehörige Teile belief sich auf 70,6 Mio. €, davon:
- 50,3 % an die Ukraine (35,5 Mio. €),
- 49,2 % an EU-, NATO- und gleichgestellte Staaten,
- nur 0,5 % an sonstige Drittländer.
Für Leichtwaffen und -teile betrug der genehmigte Wert 220,8 Mio. €, davon:
- 88,1 % an die Ukraine und Singapur,
- 11 % an EU-, NATO- und gleichgestellte Länder,
- 1 % an sonstige Drittländer.
Munition für Klein- und Leichtwaffen
Die Ausfuhr von Munition für Kleinwaffen sank im Vergleich zum Vorjahr erheblich (von 97,4 Mio. € auf 38 Mio. €), während sich bei der Munition für Leichtwaffen ein noch drastischerer Rückgang (von 149,8 Mio. € auf 31,3 Mio. €) zeigte. Dies deutet auf eine Konzentration der Lieferungen auf spezialisierte Komponenten hin.
Rechtlicher Rahmen und politische Bewertung
Die Exportentscheidungen wurden auf Basis des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Außenwirtschaftsrechts, der EU-Gemeinschaftsstandpunkte sowie des UN-Waffenhandelsvertrags (ATT) getroffen. Die Bundesregierung betont, dass die Menschenrechtssituation im Empfängerland weiterhin maßgebliches Kriterium sei – Genehmigungen werden verweigert, sofern ein Missbrauch zu interner Repression oder systematischen Menschenrechtsverletzungen zu befürchten ist.
Gleichzeitig wurde betont, dass Rüstungsexporte neben moralisch-rechtlichen auch strategisch-sicherheitspolitischen Zielen dienen: etwa der Bündnisfähigkeit, geopolitischen Kooperationen und der Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie.
Verfahrenserleichterung und Verwaltung
Um die Verfahren zu beschleunigen, setzte die Bundesregierung auch 2024 ihre Reformpolitik fort. Zwei neue Maßnahmenpakete im Januar und März 2024 optimierten die Verwaltungsabläufe. Zudem wurden sogenannte Allgemeingenehmigungen ausgebaut, um Standardausfuhren vereinfachter abwickeln zu können. Die AGG Nummer 33 wurde mit einem Volumen von 203,5 Mio. € genutzt, vornehmlich durch Exporteure in EU-, NATO- und gleichgestellte Länder.
Ablehnungen und Sammelausfuhrgenehmigungen
Im Berichtszeitraum wurden 28 Exportanträge mit einem Gesamtwert von lediglich 4,1 Mio. € abgelehnt. Zugleich wurden 48 Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) im Umfang von 226,5 Mio. € erteilt.
Kritische Bewertung
Die enorme Konzentration auf die Ukraine und die vergleichsweise geringe Berücksichtigung anderer Drittstaaten offenbart die geopolitische Zielrichtung deutscher Rüstungsexportpolitik. Die im Sinne westlicher Bündnispolitik erfolgende massive militärische Unterstützung der Ukraine ist eindeutig priorisiert. Dennoch bleibt zu fragen, wie die Bundesregierung ihre menschenrechtlichen Kriterien mit Waffenlieferungen an Länder wie Saudi-Arabien oder Katar vereinbart – beides autoritär regierte Staaten mit dokumentierten Menschenrechtsproblemen.
Zudem ist die stark reduzierte Exporttätigkeit gegenüber EU-Ländern (2023: 2,16 Mrd. € → 2024: 311 Mio. €) bemerkenswert. Sie wirft Fragen nach einer europäischen Rüstungsstrategie auf, insbesondere im Hinblick auf gemeinsame Beschaffung und Interoperabilität. Die Entlastung der Verwaltung durch Allgemeingenehmigungen ist pragmatisch, kann aber auch die parlamentarische und öffentliche Kontrolle erschweren.
Insgesamt vermittelt der Bericht ein ambivalentes Bild zwischen sicherheitspolitischer Realpolitik und normativen Exportgrundsätzen. Letztere scheinen – zumindest selektiv – dem strategischen Kalkül geopolitischer Ausrichtung untergeordnet.