Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zu Industrieproduktion und Außenhandel im Juli 2025 zeichnen ein widersprüchliches, gleichwohl vielsagendes Bild der deutschen Wirtschaft. Einerseits gelang es der Industrie, nach einem schwachen Juni ihre Produktion deutlich zu steigern. Andererseits offenbart die Exportstatistik eine zunehmende Abhängigkeit vom europäischen Binnenmarkt, während wichtige Drittstaatenmärkte wie die USA, China und das Vereinigte Königreich schwächeln. Diese Entwicklung wirft grundlegende Fragen nach der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft in einer fragmentierten Weltordnung auf.
Die Produktionsdaten lesen sich zunächst wie eine kleine Erfolgsmeldung. Preis-, saison- und kalenderbereinigt stieg die Industrieproduktion im Juli um 1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat. Treiber dieser Entwicklung sind klassische Schlüsselbranchen: Maschinenbau, Automobilindustrie und Pharma. Diese Sektoren profitieren offenbar von einer anziehenden Nachfrage, die zum Teil auf Investitionsentscheidungen im Inland zurückzuführen sein dürfte, zum Teil aber auch aus Exportaufträgen resultiert. Bemerkenswert ist, dass die Bauwirtschaft ebenfalls leicht zulegen konnte – ein Hinweis darauf, dass die hohe Zinslast zwar bremst, aber nicht vollständig blockiert.
Im Kontrast dazu stehen die energieintensiven Industrien. Ihr moderater Zuwachs im Juli darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie im Jahresvergleich ein Minus von fast fünf Prozent verzeichnen. Dieser Befund verdeutlicht, wie stark die strukturelle Schwäche durch hohe Energiepreise, regulatorische Belastungen und internationale Konkurrenz wirkt. Während also technologiegetriebene Branchen ihre Flexibilität ausspielen, bleibt der Teil der Industrie, der am meisten auf günstige Energie angewiesen ist, im internationalen Wettbewerb unter Druck.
Noch deutlicher zeigen sich die Risse im Gefüge der deutschen Wirtschaft beim Blick auf den Außenhandel. Zwar bleibt der Handelsbilanzüberschuss beachtlich – 14,7 Milliarden Euro im Juli –, doch die Dynamik ist erkennbar rückläufig. Im Monatsvergleich gingen die Exporte um 0,6 Prozent zurück, die Importe nur leicht um 0,1 Prozent. Im Jahresvergleich fällt auf: Während die Ausfuhren um 1,4 Prozent zulegen, steigen die Einfuhren um 4,3 Prozent. Deutschland importiert also stärker, als es exportiert – ein Indikator, dass die Binnenwirtschaft relativ robuster ist als die Exportmärkte.
Besonders alarmierend ist die Entwicklung mit den USA, dem größten Einzelmarkt außerhalb Europas. Bereits den vierten Monat in Folge sinken die Exporte dorthin, zuletzt um fast acht Prozent im Monatsvergleich und über 14 Prozent im Jahresvergleich. Auch die Volksrepublik China verzeichnet deutliche Rückgänge, ebenso das Vereinigte Königreich. Hier deutet sich ein strukturelles Problem an: Die drei großen außereuropäischen Märkte, auf die Deutschland traditionell setzt, verlieren gleichzeitig an Gewicht. Gründe liegen in geopolitischen Spannungen, wachsendem Protektionismus und im verschobenen Nachfrageprofil dieser Volkswirtschaften.
Gleichzeitig stabilisiert die Europäische Union die deutsche Exportbilanz. Sowohl in die Eurozone als auch in die übrigen EU-Staaten stiegen die Ausfuhren im Juli um jeweils 2,5 Prozent. Der Binnenmarkt bleibt damit der wichtigste Anker deutscher Exportstärke. Doch einseitige Abhängigkeit birgt auch hier Risiken, zumal viele EU-Staaten selbst mit Wachstumsproblemen kämpfen.
Für die wirtschaftspolitische Bewertung ergibt sich damit ein doppeltes Bild: Die deutsche Industrie beweist Resilienz und Innovationskraft in jenen Sektoren, die nicht unmittelbar von Energiekosten abhängig sind. Diese Stärke darf nicht kleingeredet werden, denn sie signalisiert, dass die industrielle Basis trotz widriger Umstände intakt ist. Zugleich aber wird der Außenhandel zunehmend zur Achillesferse. Der Rückzug der Exporte aus den wichtigsten Drittstaaten ist mehr als eine temporäre Delle; er deutet auf eine strategische Neuordnung der globalen Handelsströme hin, in der Deutschland seine Position neu behaupten muss.
Die Konsequenz für die Wirtschaftspolitik ist klar: Sie muss zweigleisig fahren. Einerseits gilt es, die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen durch eine verlässliche Energie- und Standortpolitik zu stabilisieren. Andererseits muss Deutschland seine Exportstrukturen diversifizieren, um weniger abhängig von einzelnen Märkten und geopolitischen Konjunkturen zu sein. Nur so kann der Spagat zwischen innerer Stärke und äußerem Gegenwind gelingen.