Öffentliche Finanzen
Monatsbericht der Bundesbank – August 2025
Öffentliche Finanzen im Umbruch – Deutschlands Weg in eine neue Haushaltsordnung
Die deutsche Finanzpolitik befindet sich im Jahr 2025 in einer fundamentalen Transformationsphase. Nachdem in den vergangenen Jahren fiskalische Disziplin und Einhaltung der Schuldenbremse als politische Leitlinien galten, wird nun ein expansiver Kurs eingeschlagen – begleitet von einer teils dramatischen Neuausrichtung der Haushaltsarchitektur. Die Bundesbank spricht zu Recht von einer „deutlich expansiven“ Finanzpolitik, die langfristig hohe Risiken für Solidität und fiskalische Nachhaltigkeit birgt.
Zwar sinkt das öffentliche Defizit im laufenden Jahr moderat, doch ist dies primär auf temporäre Sondereffekte zurückzuführen. Bereits ab 2026 wird mit einem deutlichen Anstieg gerechnet: Die strukturelle Defizitquote dürfte dann auf rund 4 % des BIP steigen – ein Niveau, das der mittelfristigen Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen zuwiderläuft. Besonders kritisch ist dabei die Tatsache, dass dieser Anstieg nicht etwa aus konjunkturstützenden Maßnahmen oder einmaligen Krisenreaktionen resultiert, sondern Ausdruck wachsender permanenter Ausgaben ist.
Denn die Ausgabenseite des Staates wächst unaufhaltsam: Verteidigungsausgaben – im Schatten der veränderten geopolitischen Lage verständlich –, aber auch wachsende Mittel für Rente, Pflege, Gesundheit sowie nicht näher spezifizierte Subventionen führen zu einer kontinuierlich steigenden Ausgabenquote. Diese könnte nach Einschätzung der Bundesbank bis 2027 die 52-Prozent-Marke überschreiten. Damit droht Deutschland, fiskalisch in eine Zone vorzustoßen, die traditionell mit strukturell überforderten Staaten des Mittelmeerraums assoziiert wird.
Ein entscheidendes Instrument dieser Ausweitung ist die Lockerung der Schuldenbremse. Ursprünglich geschaffen, um die Finanzpolitik vor exzessiver Verschuldung zu bewahren, wird sie nun in bemerkenswerter Breite umgangen: Investitionsausnahmen, Verteidigungsfonds und Sondervermögen ermöglichen zusätzliche Kreditaufnahme – oft unter dem Deckmantel strategischer Notwendigkeit. Doch wie die Bundesbank nüchtern anmerkt, werden diese neuen Spielräume „in erheblichem Maße anders genutzt“: Statt in langfristig wachstumsfördernde Maßnahmen zu fließen, stopfen sie Haushaltslöcher oder dienen als Vehikel für politische Klientelpolitik.
Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Haltung der Bundesregierung gegenüber den reformierten EU-Fiskalregeln problematisch. Zwar wurde ein „Finanzpolitisch-Struktureller Plan“ (FSP) vorgelegt, der unter anderem die Verteidigungsausnahme beansprucht und damit zusätzliche fiskalische Spielräume erschließt. Doch die Annahmen, auf denen dieser Plan beruht, sind laut Bundesbank „unplausibel hoch“. Insbesondere die überoptimistischen Annahmen zum Wirtschaftswachstum und zur Preisentwicklung lassen befürchten, dass die Konsolidierung weiter in die Zukunft verschoben wird. So könnte die Defizitquote bis 2029 auf bis zu 6 % steigen, bei einer Schuldenquote von 80 % – ein Wert, der weit über den Zielmarken des Stabilitäts- und Wachstumspakts liegt.
Ein Lichtblick scheint auf den ersten Blick die geplante Unternehmenssteuerreform zu sein. Die schrittweise Senkung der Körperschaftsteuer auf 10 % bis 2032, kombiniert mit erweiterten Abschreibungsregelungen und verbesserter Forschungsförderung, könnte den Unternehmensstandort Deutschland tatsächlich stärken. Doch auch hier sind die Nebenwirkungen beträchtlich: Die Bundesbank erwartet „deutliche, teils aber nur temporäre Steuerausfälle“. Ohne gleichzeitige Ausgabendisziplin droht auch diese Maßnahme, das strukturelle Defizit weiter zu vertiefen.
Besonders alarmierend ist die Lage der gesetzlichen Rentenversicherung. Bereits 2025 wird ein erhebliches Defizit erwartet, das sich 2026 noch ausweitet. Politische Entscheidungen wie die Verlängerung der Haltelinie beim Rentenniveau oder die Ausweitung der Mütterrente erhöhen die dauerhafte Belastung des Bundeshaushalts, ohne dass eine nachhaltige Gegenfinanzierung in Sicht wäre. Hier zeigt sich exemplarisch das Dilemma der gegenwärtigen Finanzpolitik: kurzfristige Entlastung und populäre Maßnahmen auf Kosten langfristiger Stabilität.
Fazit:
Die öffentlichen Finanzen Deutschlands bewegen sich in eine riskante Richtung. Der Bruch mit der bisherigen Haushaltsorthodoxie mag im Lichte geopolitischer Herausforderungen verständlich erscheinen, doch fehlt es dem neuen Kurs an fiskalischer Redlichkeit und strategischer Klarheit. Die Lockerung der Schuldenbremse, die kreative Auslegung europäischer Fiskalregeln und der Verzicht auf echte Prioritätensetzung gefährden die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Was fehlt, ist eine fiskalpolitische Kultur, die investive Zukunftssicherung, generationengerechte Finanzierung und haushaltspolitische Ehrlichkeit miteinander verbindet. Andernfalls droht Deutschland, seine finanzpolitische Reputation als Stabilitätsanker Europas nachhaltig zu verlieren.