Die absurde Jagd nach der Krone des Geldadels

Es ist ein Schauspiel, das eigentlich nur in den Fußnoten einer Wirtschaftsmeldung vorkommen sollte – und dennoch füllt es Schlagzeilen weltweit: Für ein paar Stunden war Elon Musk nicht mehr der reichste Mensch der Welt. Larry Ellison, der 81-jährige Mitgründer von Oracle, schob sich kurzzeitig nach vorn, weil seine Aktie im Rausch des KI-Booms in ungeahnte Höhen stieg. Dass Musk am Ende des Handelstags wieder die Nase vorn hatte, macht den Vorgang nur noch grotesker.

Man stelle sich vor: Zwei Männer, deren Privatvermögen irgendwo zwischen 380 und 390 Milliarden Dollar liegt, liefern sich ein Rennen auf die zweite Stelle hinter dem Komma. Ein einzelner Börsentag, ein paar Prozentpunkte im Kurs, und schon wird die goldene Krone weitergereicht – als ginge es um den Wanderpokal beim Betriebsausflug. Das alles wird mit einer Ernsthaftigkeit berichtet, die im Kontrast zum eigentlichen Geschehen steht: einem absurden Wettbewerb in der Sphäre des Unvorstellbaren.

Denn seien wir ehrlich: Ob Musk nun 384 Milliarden besitzt oder Ellison 393 Milliarden, macht keinen erkennbaren Unterschied. Jenseits solcher Größenordnungen hört der Sinn von Geld ohnehin auf. Was bleibt, ist nur noch eine abstrakte Zahl, ein Indexplatz, eine Art Prestigeprojekt im globalen Milliardärsverein. Das Drama ist nicht, dass einer die Krone verliert, sondern dass es überhaupt als Drama gilt.

Natürlich ist der Hintergrund ernst: Die Kursexplosion von Oracle zeigt, welche Macht die Hoffnungen auf Künstliche Intelligenz derzeit an den Finanzmärkten entfalten. KI ist das neue Öl, das neue Gold, das neue Heilsversprechen. Wer Rechenzentren baut, so die Logik, baut gleich auch die Zukunft. Dass Ellisons Vermögen binnen eines Handelstags um fast 100 Milliarden anwuchs, ist ein Symptom dieser Euphorie – und zugleich ein Beweis für die Absurdität des Systems. Noch nie hat eine einzelne Person an einem Tag derart zugelegt. Was sagt uns das? Vor allem, dass Wohlstand in dieser Liga längst losgelöst ist von Leistung, Arbeit oder auch nur rationaler Bewertung.

Ellison, der einst eine CIA-Datenbank programmierte und heute 98 Prozent einer hawaiianischen Insel besitzt, profitiert schlicht von der kollektiven Gier nach KI-Aktien. Musk wiederum lebt davon, dass Tesla trotz durchwachsener Zahlen als Wette auf die Zukunft gilt. Beide sind Projektionsflächen für eine Gesellschaft, die lieber Heldenbilder aus Unternehmern bastelt, statt nüchtern über Märkte, Regulierung und Machtkonzentration zu sprechen.

Und was machen die Herren mit diesem Reichtum? Inselkäufe, Segelrennen, Tennis-Revival, politische Großspenden. Musk experimentiert mit Mars-Raketen und Meme-Politik, Ellison mit Catamaran-Ligen und Trump-naher Technologiepolitik. Es ist der weltgrößte Sandkasten, nur dass die Burgen nicht aus Sand, sondern aus Milliarden bestehen.

Die entscheidende Frage lautet daher nicht: Wer ist die Nummer eins? Sondern: Warum interessiert uns das überhaupt? Warum geben sich Medien und Öffentlichkeit einer Rankingsucht hin, als ginge es um Fußballtabellen? Vielleicht, weil diese Geschichten wie Märchen klingen – der eine aus Südafrika, der andere Collegeabbrecher in Kalifornien, beide Selfmade-Ikonen, die die Welt erobern. Doch am Ende ist es ein Märchen mit bitterem Beigeschmack: Denn während sich zwei Männer um die Spitzenposition balgen, wächst die Kluft zwischen Finanzolymp und Realität unaufhörlich.

Glossenhaft zugespitzt könnte man sagen: Das eigentliche Drama ist nicht, dass Musk seinen Titel für ein paar Stunden verlor, sondern dass die Menschheit ihre Aufmerksamkeit an solch eine Posse verliert. Wer 380 Milliarden besitzt, kann keine „Niederlage“ erleiden – allenfalls einen statistischen Schluckauf. Und wer 390 Milliarden hat, gewinnt dadurch auch nicht an Bedeutung.

Die Krone des reichsten Menschen ist ein funkelndes, aber hohles Symbol. Es sagt nichts über Innovation, nichts über gesellschaftlichen Beitrag, nichts über Verantwortung. Es ist eine rein monetäre Medaille in einem Spiel, das nur noch von wenigen gespielt werden darf – und das die meisten nicht einmal mehr verstehen.

Vielleicht sollten wir die Frage nach dem reichsten Menschen der Welt künftig anders stellen: Reich an was? Reich an Ideen, an Gemeinsinn, an Lösungen für die Probleme des 21. Jahrhunderts? In dieser Wertung stünden Musk wie Ellison vermutlich nicht an der Spitze.

So aber bleibt uns die Erkenntnis, dass in einer Welt, die unter Inflation, Staatsverschuldung und Klimakrise ächzt, zwei Milliardäre ihr Kopf-an-Kopf-Rennen austragen – und die Medien jubelnd die Stoppuhr halten. Ein groteskes Schauspiel, das man nur noch mit einem Lächeln ertragen kann.


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