Während die Preise für Lebensmittel in den USA weiter steigen und eine mögliche Rezession am Horizont droht, plant die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus den größten Einschnitt in der Geschichte des US-amerikanischen Lebensmittelhilfeprogramms SNAP (Supplemental Nutrition Assistance Program). Die politische Begründung: mehr Effizienz, weniger Missbrauch, „Rückkehr zur Integrität“. Die soziale Realität: Millionen einkommensschwache Familien, Kinder und Senioren könnten bald weniger oder gar keine Unterstützung mehr erhalten. Ein Vorhaben, das nicht nur moralisch fragwürdig ist, sondern auch wirtschaftlich kurzsichtig.
Was ist SNAP – und warum ist es so wichtig?
SNAP, früher bekannt als „Food Stamps“, ist das zentrale Ernährungsunterstützungsprogramm der US-Regierung. Es hilft mehr als 40 Millionen Menschen, sich ausreichend und gesund zu ernähren. Besonders in wirtschaftlich schwierigen Zeiten fungiert SNAP als Stabilisator – für Einzelpersonen ebenso wie für lokale Volkswirtschaften. Studien zeigen: Jeder Dollar, der über SNAP ausgezahlt wird, generiert bis zu 1,54 US-Dollar an wirtschaftlicher Aktivität, da das Geld unmittelbar in den lokalen Einzelhandel fließt.
Die geplante Kürzung – ein historischer Einschnitt
Die republikanische Steuerreform sieht vor, die SNAP-Mittel bis 2034 um rund 300 Milliarden US-Dollar zu kürzen – das entspricht etwa 30 % der Programmkosten. Neben der direkten Reduzierung der Leistungen sollen auch die Zugangsvoraussetzungen deutlich verschärft werden. Besonders brisant: Erstmals soll der Bund nicht mehr vollständig für die Leistungen aufkommen. Die Bundesstaaten müssten künftig einen Teil der Kosten selbst tragen – ohne gesetzliche Verpflichtung, das Programm überhaupt aufrechtzuerhalten.
Wer verliert? Die Schwächsten der Gesellschaft.
Laut Berechnungen des Urban Institute wären etwa 5,4 Millionen Menschen von Leistungseinbußen betroffen. 1,5 Millionen Familien würden ihre Unterstützung vollständig verlieren, weitere 1,2 Millionen müssten mit reduzierten Leistungen auskommen. Besonders betroffen wären auch Kinder: 48 000 würden gänzlich aus dem Programm fallen, weitere 1,5 Millionen erhielten künftig weniger Unterstützung. Für Familien bedeutet das einen durchschnittlichen Verlust von 229 bis 254 US-Dollar im Monat – ein Betrag, der über Grundnahrungsmittel oder Hunger entscheidet.
Ein ideologisches Projekt mit sozialen Kosten
Die geplante Reform wird mit dem Kampf gegen Missbrauch und Ineffizienz begründet – doch es fehlt an Belegen, dass systematischer Betrug tatsächlich in nennenswertem Ausmaß existiert. Vielmehr scheint es sich um ein ideologisches Projekt zu handeln: die Rückführung staatlicher Verantwortung und die Individualisierung von Armut. Besonders perfide: Die Ausweitung der Arbeitsanforderungen auf Menschen bis 64 Jahre und Haushalte mit Kindern über sieben Jahren – in einem Arbeitsmarkt, der längst nicht überall gleich funktioniert.
Ein gefährliches Signal in unsicheren Zeiten
Gerade jetzt, wo eine wirtschaftliche Abkühlung prognostiziert wird und Lebensmittelpreise viele Haushalte an ihre Grenzen bringen, wäre eine Stärkung sozialer Programme geboten – nicht deren Aushöhlung. SNAP ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein wirtschaftliches Instrument. Seine Schwächung bedeutet nicht nur mehr Armut, sondern auch weniger wirtschaftliche Stabilität in einkommensschwachen Regionen, insbesondere im ländlichen Raum.
Fazit: Kürzen ist einfach – doch was kommt danach?
Die geplante SNAP-Reform reiht sich ein in eine politische Rhetorik, die Sozialprogramme pauschal als ineffizient und reformbedürftig diskreditiert. Was jedoch fehlt, ist eine evidenzbasierte Auseinandersetzung mit den realen Lebenslagen von Millionen Amerikanerinnen und Amerikanern. Die Frage, wie ein solidarisches Gemeinwesen in Zeiten wachsender Ungleichheit gestaltet werden kann, bleibt unbeantwortet – oder schlimmer noch: wird bewusst verdrängt. Was bleibt, ist ein Angriff auf die soziale Infrastruktur der Vereinigten Staaten – mit gravierenden Folgen für diejenigen, die am wenigsten Lobby haben.