1. Was mit der „schwarzen Katze“ tatsächlich gemeint ist
Das Beispiel
„Denken Sie nicht an eine schwarze Katze“
illustriert einen kognitionspsychologischen Effekt:
Sobald ein Begriff genannt wird, wird er mental aktiviert – auch dann, wenn er verneint wird.
In der Kommunikationswissenschaft spricht man hier meist von:
- Negationsproblem
- Framing-Effekt
- teilweise auch von Priming
Die Metapher „schwarze Katze“ ist dabei kein fest etablierter Fachbegriff, sondern eine populärwissenschaftliche Umschreibung dieses Effekts.
Kernpunkt:
Verneinungen verhindern nicht, dass ein Bild oder eine Vorstellung im Kopf entsteht.
Das ist empirisch gut belegt.
2. Was daran korrekt ist
2.1 Mentale Aktivierung durch Sprache
Wenn Politiker sagen:
- „Wir werden keine Steuererhöhungen einführen“
- „Es gibt keine Gefahr einer Rezession“
dann wird dennoch aktiviert:
- Steuererhöhungen
- Rezession
Das liegt daran, dass das Gehirn semantische Inhalte zuerst aufruft und erst danach logisch verarbeitet, ob sie verneint werden.
Dieser Teil der Aussage ist richtig.
2.2 Warum das in politischer Kommunikation relevant ist
In Wahlkämpfen oder Krisenkommunikation kann das problematisch sein:
- Man lenkt Aufmerksamkeit auf ein Thema, das man eigentlich vermeiden möchte.
- Man verstärkt Begriffe, die Gegner strategisch nutzen.
- Man reproduziert gegnerische Frames, selbst wenn man sie zurückweisen will.
Deshalb lautet eine gängige Empfehlung:
Nicht den gegnerischen Frame negieren, sondern einen eigenen setzen.
3. Wo die Aussage problematisch oder falsch wird
3.1 „Man soll die Katastrophe nie ausmalen“
Diese Schlussfolgerung ist zu pauschal und wissenschaftlich nicht haltbar.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, wonach das Benennen von Risiken automatisch deren Eintritt wahrscheinlicher macht.
Hier werden zwei unterschiedliche Dinge vermischt:
| Effekt | Bedeutung |
|---|---|
| Kognitive Aktivierung | Etwas wird gedanklich präsent |
| Kausale Verursachung | Etwas tritt real häufiger ein |
Zwischen beidem besteht kein zwingender Zusammenhang.
3.2 Kein Automatismus zur „Selbsterfüllung“
Manchmal wird implizit auf die self-fulfilling prophecy angespielt. Aber:
- Diese wirkt nur unter sehr spezifischen sozialen Bedingungen
- sie setzt Handlungsänderungen aufgrund der Erwartung voraus
- sie ist kein allgemeines Sprachgesetz
Beispiel:
- Finanzmärkte können auf Rezessionswarnungen reagieren → Krise verstärkt sich
- Aber: Eine sachliche Risikoanalyse in der Pandemievorsorge oder Klimapolitik ist notwendig, nicht schädlich
Katastrophen nicht zu benennen kann sogar gefährlicher sein als sie klar zu benennen.
3.3 Politische Kommunikation braucht oft explizite Problembenennung
In vielen Kontexten ist das „Ausmalen“ von Szenarien unverzichtbar:
- Risikoabschätzungen
- Krisenprävention
- Mobilisierung für Reformen
- demokratische Transparenz
Die entscheidende Frage ist nicht, ob man über Katastrophen spricht, sondern:
- wie
- mit welchem Frame
- mit welchem Ziel
4. Präzisere Formulierung dessen, was eigentlich gemeint ist
Die ursprüngliche Aussage wäre deutlich zutreffender, wenn sie etwa so lauten würde:
In der politischen Kommunikation sollte man vermeiden, unerwünschte Bilder allein durch Verneinung zu reproduzieren, weil Sprache mentale Vorstellungen aktiviert. Stattdessen ist es oft wirksamer, eigene positive oder lösungsorientierte Frames zu setzen.
Das ist etwas völlig anderes als:
„Man soll Katastrophen nie ausmalen.“
5. Fazit
- Richtig:
Verneinungen verhindern nicht, dass Bilder entstehen; Sprache aktiviert Vorstellungen. - Irreführend:
Daraus abzuleiten, man dürfe Katastrophen nicht benennen, ist falsch. - Entscheidend:
Framing, Kontext, Ziel und Anschlusskommunikation.
Die „schwarze Katze“ ist also ein brauchbares Bild für ein reales Sprachproblem, aber keine allgemeine Regel, die politisches oder gesellschaftliches Denken leiten sollte.