Die Schweiz: Eine Lektion in angewandter Bürokratie

Ach, die großen Konzerne. Diese majestätischen, globalen Organismen aus Glas, Stahl und Quartalsberichten. Sie verbringen Jahrzehnte damit, jeden erdenklichen Prozess zu optimieren: die Lieferkette für Kakao, die Aerodynamik einer Kaffeekapsel, die exakte Anzahl von Blasen in einem Schokoriegel. Für alles gibt es ein Protokoll, eine Richtlinie, ein Compliance-Formular in dreifacher Ausfertigung.

Nur für eine winzige, unbedeutende Variable hat man noch keine endgültige technische Lösung gefunden: den Menschen.

Und so blicken wir mit einer Art wohlwollender Faszination auf den Fall Laurent Freixe. Ein Mann an der Spitze des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns, ein Kapitän auf der Brücke eines Ozeandampfers der Weltwirtschaft. Und was bringt das Schiff ins Schlingern? Kein Eisberg, kein feindlicher Übernahmeversuch, keine globale Krise. Nein, es war eine Angelegenheit, die man im internen Jargon wohl als „nicht ordnungsgemäß deklarierte zwischenmenschliche Synergie“ bezeichnen würde.

Ein Jahr saß er im Chefsessel – kaum genug Zeit, die Namen aller Vorstandsmitglieder zu lernen, aber offenbar ausreichend für eine außerplanmäßige Personalentwicklung. Das Problem war ja nicht die Romanze an sich. Das Universum hätte sich vermutlich weitergedreht. Das Problem war ein administratives Versäumnis: der Verstoß gegen den Verhaltenskodex. Dieses heilige Buch, das quasi als Betriebsanleitung für den Homo Sapiens im Büroumfeld dient.

Besonders charmant ist der Ablauf. Ein erster Hinweis, eine interne Untersuchung, bei der man offenbar mit geschlossenen Augen suchte. Dann ein zweiter, externer Blick, der das Offensichtliche bestätigte. Man stellt sich das vor wie bei einer Steuerprüfung: „Haben Sie Einnahmen zu deklarieren?“ – „Nein.“ – „Sind Sie sicher?“ – „Ja.“ – „Okay, dann schauen wir mal in die Bücher…“

Die Konsequenz war dann wieder pure, unpersönliche Effizienz. Der fehlerhafte Baustein wurde umgehend aus dem System entfernt. Keine Abfindung, keine goldene Uhr. Einfach: Neustart. Das System korrigiert sich selbst. Die Börse reagiert auf solche menschlichen Störgeräusche bekanntlich etwas allergisch und schickt den Kurs kurz in den Keller, aber keine Sorge, das beruhigt sich wieder.

Was also lernen wir daraus? Die eigentliche Lektion für jeden aufstrebenden Manager ist nicht moralischer, sondern rein prozessualer Natur: Es geht weniger darum, was du tust, als vielmehr darum, ob du das richtige Formular dafür eingereicht hast.

Und während in den Chefetagen die Stühle rücken, läuft die Produktion von KitKat und Nescafé ungestört weiter. Am Ende ist das Wichtigste, dass die Bilanz stimmt. Der Rest ist nur eine Fußnote im großen Handbuch der Unternehmensführung. Und für die akute Krise? Man greift zu dem, was immer hilft: einem starken Kaffee. Passenderweise kommt der neue Chef von Nespresso. So schließt sich der Kreis.


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