Inmitten wachsender Spannungen zwischen dem Weißen Haus und unabhängigen Behörden hat der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten jüngst in einem vielbeachteten Eilbeschluss Präsident Donald Trump weitreichende Entlassungsbefugnisse über Mitglieder exekutiver Bundesbehörden eingeräumt. Doch eine Institution blieb von dieser Entwicklung explizit ausgenommen: die Federal Reserve. Die Notenbank der Vereinigten Staaten genießt laut Supreme Court einen verfassungsrechtlich besonders geschützten Status – eine Feststellung, die in ihrer Tragweite weit über tagespolitische Auseinandersetzungen hinausreicht.
Historische Einbettung
Die Federal Reserve wurde 1913 als Reaktion auf wiederkehrende Finanzkrisen gegründet. Sie orientiert sich strukturell und funktional an den beiden historisch bedeutsamen Vorgängermodellen – der First und Second Bank of the United States – und ist als hybride Einrichtung mit sowohl staatlichen als auch privaten Elementen ausgestaltet. Die Fed setzt sich aus einem siebenköpfigen Board of Governors, zwölf regionalen Federal Reserve Banks sowie diversen beratenden Ausschüssen zusammen. Ihre Aufgaben reichen von der Steuerung der Geldpolitik über die Bankenaufsicht bis hin zur Wahrung der Finanzmarktstabilität.
Verfassungsrechtliche Abgrenzung
Im jüngsten Urteil betonte der Supreme Court, dass die Federal Reserve als „quasi-private Entität“ in einer „eigenständigen historischen Tradition“ stehe und damit grundlegend von klassischen Exekutivbehörden wie der NLRB oder der FTC zu unterscheiden sei. Der Schlüssel liegt in der Quelle ihrer Autorität: Während exekutive Behörden ihre Macht aus dem Präsidentenamt (Artikel II der Verfassung) ableiten, basiert das Mandat der Federal Reserve auf legislativer Grundlage – namentlich dem Federal Reserve Act, der vom Kongress verabschiedet wurde. Daraus folgt, dass ihre Gouverneure nicht dem präsidialen Entlassungsprivileg unterliegen.
Politische Sprengkraft
Diese verfassungsrechtliche Schutzklausel ist umso bedeutender vor dem Hintergrund politischer Einmischungsversuche. Im April 2025 hatte Präsident Trump öffentlich erklärt, Fed-Chef Jerome Powell solle „so bald wie möglich abgelöst werden“. Zwar relativierte er seine Äußerungen später, doch der Versuch, politischen Druck auf die Zentralbank auszuüben, bleibt offensichtlich. Die klare Abgrenzung des Gerichts dient daher nicht nur der rechtlichen Klarstellung, sondern auch als Signal an Märkte und Öffentlichkeit: Die Unabhängigkeit der Geldpolitik bleibt unangetastet.
Konstruktive Spannung
Die Sonderstellung der Fed ist indes kein Freibrief für institutionelle Abschottung. Der Kongress behält weitreichende Kontrollrechte: Er bestimmt das Mandat, verabschiedet das Budget und kann per Gesetz strukturelle Änderungen herbeiführen. Die Notenbank unterliegt zudem umfangreicher Berichtspflichten – insbesondere gegenüber dem Bankenausschuss des Senats und dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses. Diese doppelte Verankerung – außerhalb der direkten präsidialen Kontrolle, aber innerhalb parlamentarischer Rechenschaftspflicht – macht die Fed zu einer eigenartigen, aber politisch stabilisierenden Säule im US-amerikanischen Regierungssystem.
Juristische Implikationen
Richterin Elena Kagan widersprach in ihrer abweichenden Meinung der Mehrheit und argumentierte, dass die Fed keineswegs auf „anderen verfassungsrechtlichen Grundlagen“ ruhe als andere unabhängige Behörden. Doch sie ließ dabei außer Acht, dass die geldpolitische Unabhängigkeit als essenzielle Voraussetzung für ökonomische Stabilität gilt – ein Postulat, das sich in Jahrzehnten juristischer und wirtschaftswissenschaftlicher Debatten verfestigt hat. Der Supreme Court scheint mit seiner Entscheidung genau diese Stabilitätsprämisse schützen zu wollen.
Ausblick
Die Sonderstellung der Federal Reserve bleibt ein Balanceakt zwischen demokratischer Kontrolle und institutioneller Eigenständigkeit. Dass der Supreme Court diese Unabhängigkeit nun ausdrücklich bekräftigt hat, dürfte das Vertrauen in das amerikanische Zentralbankensystem stärken – nicht nur in den USA, sondern weltweit. Zugleich signalisiert das Urteil: Während Präsidenten künftig verstärkt Einfluss auf exekutive Behörden nehmen können, bleibt die Geldpolitik ein Terrain, das jenseits kurzfristiger politischer Interessen bestehen soll.
Fazit:
Die Federal Reserve steht in einem verfassungsrechtlich wie politisch eigens definierten Raum – autonom, aber nicht autonomistisch; rechenschaftspflichtig, aber nicht manipulierbar. Ihre Sonderstellung ist Ausdruck eines demokratischen Gleichgewichts, das im globalen Vergleich seinesgleichen sucht. Der Supreme Court hat dieses Gleichgewicht – zumindest vorerst – klar verteidigt.