Die teure Illusion der Konzentration: Warum Einzelaktien langfristig unterperformen

Die Studie „On the Cost of Large Concentrated Equity Positions“ von Antti Petajisto analysiert auf empirischer Grundlage die langfristigen Risiken und Renditen von stark konzentrierten Einzelaktienpositionen, wie sie typischerweise von vermögenden Privatanlegern gehalten werden. Entgegen der weit verbreiteten Anlegermeinung, dass Einzelaktien langfristig gleich hohe Chancen auf Outperformance wie auf Underperformance böten, zeigt Petajisto auf, dass solche Positionen in den allermeisten Fällen eine signifikante langfristige Unterrendite aufweisen – selbst und insbesondere dann, wenn es sich um frühere „Gewinneraktien“ handelt.

Kernaussagen der Studie

  1. Medianrendite stark negativ bei Einzelaktienpositionen:
    Seit 1926 lag die mediane zehnjährige Rendite einer US-Aktie relativ zum kapitalgewichteten Markt bei –7,9 %, was einem jährlichen Rückstand von 0,82 % entspricht. Bei Aktien mit Top-20%-Performance in den fünf Jahren zuvor betrug die mediane Underperformance sogar –17,8 % über zehn Jahre (–1,94 % p.a.).
  2. Hohe Beständigkeit der Underperformance:
    Für „Gewinneraktien“ war die zehnjährige mediane Marktanpassung in 93 % aller Zeitperioden seit 1945 negativ – dies spricht für eine hohe Prognosekraft der Ergebnisse, auch für heutige Marktbedingungen.
  3. Skewness als systematische Verzerrung:
    Einzelaktien weisen eine starke positive Schiefe (Skewness) in ihrer Renditeverteilung auf: Wenige extrem erfolgreiche Titel wie Apple, Tesla oder Dell dominieren die Gesamtperformance, während die Mehrheit der Aktien unterdurchschnittlich abschneidet. Die Medianrendite ist daher ein sinnvolleres Maß für Anleger mit konzentrierten Positionen als der (verzerrte) Mittelwert.
  4. Diversifikation senkt Risiko und steigert Rendite:
    Die übliche These, Diversifikation mindere lediglich das Risiko, ohne die Rendite zu beeinflussen, wird in der Studie korrigiert: Diversifikation steigert typischerweise auch die erwartete Rendite, weil sie die Abhängigkeit von mittelmäßigen bis unterdurchschnittlichen Einzeltiteln reduziert.
  5. Emory-Universität als Fallbeispiel:
    Das Beispiel des Endowment-Fonds der Emory University, der zeitweise über 50 % in Coca-Cola-Aktien hielt, illustriert die Gefahren solcher Konzentration: Trotz zwischenzeitlicher Erholung hätte eine marktkonforme Streuung langfristig deutlich besser abgeschnitten.
  6. Verhaltensökonomische Verzerrungen:
    Viele Anleger halten an konzentrierten Positionen aus irrationalen Gründen fest – z. B. wegen des „Endowment-Effekts“, Status-quo-Bias, Loyalität gegenüber einem Unternehmen oder weil vergangene Erfolge fälschlich extrapoliert werden. Steuerliche Gründe (Vermeidung realisierter Gewinne) oder Kontrollrechte (bei Gründern) können ebenfalls eine Rolle spielen.
  7. Robuste Ergebnisse über Marktsegmente hinweg:
    Die unterdurchschnittliche Medianrendite betrifft alle Branchen (auch Versorger), große wie kleine Unternehmen (mit Extremwerten bei Microcaps), sowie verschiedene Marktphasen.

Kritische Würdigung

Die Studie liefert ein äußerst starkes empirisches Argument gegen die Praxis, große Einzelaktienpositionen langfristig zu halten – insbesondere bei bereits erfolgreichen Titeln. Ihre Methodik ist durchdacht, etwa durch den Ausschluss von Microcaps (deren extreme Volatilität Ergebnisse verzerren würde) sowie durch robuste Tests mit rollierenden Zeitfenstern.

Allerdings bleibt eine gewisse normative Zurückhaltung angebracht: Die Ergebnisse gelten im Median, nicht für jede einzelne Aktie. Anleger, die über Insiderwissen, unternehmerischen Einfluss oder strukturelle Wettbewerbsvorteile verfügen (z. B. Gründer), könnten berechtigterweise eine andere Risikoeinschätzung haben. Auch lässt die Studie offen, wie konkret ein Abbau konzentrierter Positionen erfolgen sollte, etwa unter Berücksichtigung steuerlicher Friktionen.

Fazit

Wer an der Strategie festhält, vergangene Kursraketen wie Tesla oder Nvidia langfristig übergewichtet zu halten, handelt laut Petajisto nicht nur risikoreich, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit renditemindernd. Die Empfehlung ist klar: Diversifikation ist nicht nur ein Schutz vor Verlust, sondern auch ein Weg zu stabileren und meist höheren Erträgen – insbesondere im Kontext von Einzelwertkonzentrationen. Wer glaubt, durch gezielte Auswahl den Markt schlagen zu können, widerspricht der Statistik – und setzt auf eine teure Illusion.


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