Die unsichtbaren Börsenstars – „Serial Acquirer“ als Zinseszinsmaschinen des Kapitalmarkts

Im Mittelpunkt der Betrachtung steht das Geschäftsmodell sogenannter Serial Acquirer – Unternehmen, die sich durch eine systematische, langfristige Strategie der Unternehmensübernahmen hervortun. Diese Firmen wachsen nicht primär durch Investitionen in Maschinen oder eigene Produktentwicklungen, sondern durch den gezielten Erwerb spezialisierter, oft familiengeführter Unternehmen. Die erworbenen Betriebe werden dezentral geführt, behalten ihren Unternehmergeist, während Synergien – etwa durch gemeinsame Technologien, Einkaufsbündelung oder geteilte Verwaltungsstrukturen – genutzt werden. Wenn diese Integration gelingt, entsteht ein gewaltiger Zinseszinseffekt: Cashflows aus bestehenden Beteiligungen finanzieren die nächsten Zukäufe, wodurch ein legales, wachstumsstarkes Schneeballsystem entsteht – ganz im Geiste von Warren Buffetts berühmter Metapher.

Beispiele erfolgreicher Serial Acquirer:

1. Constellation Software (Kanada)
Die Firma verfolgt seit 1995 eine Strategie, zahlreiche vertikale Nischen-Softwareunternehmen zu übernehmen – mittlerweile über 500 Akquisitionen in mehr als 100 Branchen weltweit. 2024 wurden Umsätze von rund 10,07 Mrd. USD erzielt, ein Wachstum von knapp 20 % gegenüber dem Vorjahr, wobei organisches Wachstum nur etwa 2 % ausmachte; das Gros wurde durch Zukäufe generiert. Die Rendite seit dem Börsengang 2006 beträgt etwa +34 % p. a.. Die oft genannten „über 800“ Akquisitionen scheinen eher eine Überschätzung zu sein – seriöse Quellen bestätigen rund 500.

2. Brown & Brown (USA)
Brown & Brown setzt seit den 1980er-Jahren konsequent auf Zukäufe kleinerer Versicherungsmakler. Über den Zeitraum seit 1981 bis Mitte 2025 ergibt sich eine Gesamtperformance mit Dividenden reinvestiert von etwa +97 000 % bzw. ca. +16–18 % p. a. . Aussagen wie „über 2 Millionen % seit 1988“ sind demgegenüber deutlich übertrieben; realistisch liegt die annualisierte Rendite im mittleren zweistelligen Prozentbereich, nicht im Bereich von 30 % p. a. konstant.

3. Vitec Software (Schweden / nordische Länder)
Vitec verfolgt eine ähnliche Strategie im Bereich vertikaler Softwarelösungen u. a. für Apotheken, Banken oder Bildung. Der Marktwert stieg seit Juni 1999 von ca. 2,16 M SEK auf rund 1,59 Mrd. SEK – das entspricht einer CAGR von rund 28–29 %. Die Umsätze 2024 lagen bei etwa 3,334 Mrd. SEK (+20 % ggü. Vorjahr), davon 23 % recurring revenues; sieben Akquisitionen im Jahr festgehalten. Die Rendite wird also realistisch im Bereich von rund 25–30 % p. a. ausgewiesen, nicht wie behauptet 26,5 %. Das ist im Wesentlichen korrekt.

4. Alimentation Couche‑Tard (Kanada, z. B. Circle K)
Das Unternehmen expandiert seit Gründung 1980 intensiv durch Zukäufe – darunter große Übernahmen wie Circle K 2003 oder Statoil Fuel & Retail 2012. Aktuelle Quartals‑ und Jahreszahlen für Ende April 2025 zeigen ein Nettoergebnis von ca. 2,58 Mrd. USD, leicht rückläufig gegenüber dem Vorjahr. Zu den Renditezahlen liegen widersprüchliche Angaben vor: über zehn Jahre lag die Gesamtverzinsung bei ca. 10,5 % p. a. – deutlich unter dem S&P 500 Benchmark. Die Behauptung von Renditen von über 400 000 % seit 1988 entspricht nicht den belegbaren Daten und erscheint stark überhöht.

5. DSV (Dänemark, Logistik)
Mangels spezifischer Suchtreffer konnten für DSV keine quantifizierbaren Zahlen verifiziert werden. Dennoch ist bekannt, dass DSV durch Übernahmen wie Panalpina und Agility zu einem globalen Logistikriesen wurde. Konkrete Rendite-Kurzangaben (z. B. 85 000 %) konnten jedoch nicht bestätigt werden.

Kritik und Risiken:

Kritiker merken zu Recht an, dass viele Übernahmen scheitern. Doch erfolgreiche Serial Acquirer sind selektiv, diszipliniert und preisbewusst. Entscheidend ist die dezentrale Führung: Der Unternehmergeist bleibt erhalten, Innovation und Eigenverantwortung werden gefördert. Darüber hinaus ergibt sich häufig ein Bewertungsarbitrage-Effekt: Wird ein günstigeres Unternehmen mit niedrigerem KGV übernommen und ins höher bewertete Mutterunternehmen integriert, steigt die Gesamtbewertung automatisch – ein Hebel, der zusätzlich Rendite schafft.

Serial Acquirer zählen zu den versteckten Champions der Kapitalmärkte. Sie kombinieren unternehmerisches Denken mit disziplinierter Kapitalallokation. Wer langfristig investiert, auf organisiertes Wachstum setzt und bereit ist, auf Zinseszinseffekte zu bauen, kommt an diesen unscheinbaren, aber extrem erfolgreichen Unternehmensmodellen kaum vorbei. Doch Vorsicht: Der Erfolg hängt entscheidend von der Qualität des Managements und der Integrationskultur ab. Wer nur übernimmt, ohne Werte zu schaffen, verpasst den entscheidenden Hebel.

Weitere international äußerst erfolgreiche und anerkannte Serial Acquirer. Im Folgenden eine Auswahl bemerkenswerter Unternehmen, die durch gezielte Akquisitionen ihre Marktposition erheblich ausbauen konnten:

1. Danaher Corporation (USA)

Die Danaher Corporation gilt als Musterbeispiel eines Serienkäufers. Das Unternehmen übernimmt seit Jahrzehnten Firmen vorwiegend aus den Bereichen Medizintechnik, Laboranalyse und Biowissenschaften, optimiert diese mittels des eigenen Managementsystems („Danaher Business System“) und steigert kontinuierlich Profitabilität und Wachstum. Seit 1990 erzielte Danaher eine jährliche durchschnittliche Rendite von rund 20 %.

2. Berkshire Hathaway (USA)

Kein Unternehmen verkörpert die Philosophie des Serienkäufers so prominent wie Warren Buffetts Berkshire Hathaway. Der Konzern erwirbt bevorzugt etablierte, stabile Unternehmen aus verschiedensten Branchen – darunter Versicherungen (GEICO), Eisenbahnunternehmen (BNSF Railway), Energiedienstleister oder Konsumgüterhersteller – und integriert diese langfristig und dezentral in den Konzern. Seit 1965 beträgt die durchschnittliche jährliche Rendite ca. 19,8 %.

3. Halma plc (Großbritannien)

Halma ist ein britischer Mischkonzern, spezialisiert auf Sicherheitstechnik, Gesundheits‑ und Umwelttechnologien. Seit Jahrzehn­ten verfolgt Halma eine systematische Strategie kleiner und mittelgroßer Zukäufe mit stabilen Cashflows. Die dezentrale Führungsstruktur fördert das organische Wachstum der Tochterfirmen. Halma erzielte seit 2000 eine durchschnittliche jährliche Rendite von rund 15–20 %.

4. Roper Technologies (USA)

Roper Technologies ist ein Technologie-Konglomerat mit Fokus auf Software‑ und Technologieunternehmen aus spezialisierten Nischen (Wassertechnik, Medizin, Industrie‑ und Energietechnik). Die Unternehmen werden dezentral geführt, während Roper effizientes Kapitalmanagement und Kostenoptimierung sicherstellt. Die jährliche Rendite seit 1992 liegt bei etwa 20 %.

5. Addtech AB (Schweden)

Addtech, ein skandinavischer Technologiekonzern, übernimmt gezielt kleine, profitable Industrieunternehmen mit starkem regionalen Profil und ergänzt sie durch konzernweite Synergien. Die Aktienrendite seit 2001 beträgt im Schnitt rund 25 % jährlich.

6. Diploma PLC (Großbritannien)

Diploma spezialisiert sich auf die Übernahme mittelständischer Unternehmen aus den Bereichen Life Science, Dichtungstechnik und Steuerungs‑/Regeltechnik. Auch hier werden die Firmen dezentral geführt, während Synergien bei Einkauf, Vertrieb und Verwaltung genutzt werden. Die jährliche Rendite seit 2000 liegt stabil zwischen 15 und 20 %.

7. Thermo Fisher Scientific (USA)

Thermo Fisher ist ein führender Anbieter wissenschaftlicher Instrumente und Diagnostiksysteme, der seit Jahrzehnten Akquisitionen nutzt, um seine technologische und geografische Reichweite zu erhöhen. Durch die kontinuierliche Integration kleinerer und größerer Übernahmen erzielt das Unternehmen seit Jahrzehnten jährliche Renditen zwischen 15 und 20 %.

Fazit und kritische Einordnung

Diese Unternehmen zeigen, dass die Serial-Acquirer-Strategie nicht nur funktioniert, sondern auch über Jahrzehnte hinweg nachhaltig Erfolg bringen kann. Die Erfolgsfaktoren sind dabei stets ähnlich:

  • Disziplinierte Auswahl der Zielunternehmen („Buy what you know“),
  • dezentrale Führungsstrukturen, um den Unternehmergeist zu erhalten,
  • strikte Kostenkontrolle und Nutzung von Synergien,
  • Integration nach bewährten Managementsystemen („Best Practice“-Methoden).

Natürlich ist diese Strategie nicht risikolos. Probleme entstehen häufig, wenn zu teure, zu große oder branchenfremde Übernahmen vorgenommen werden. Prominente Negativbeispiele gibt es ebenfalls (z.B. Bayer/Monsanto, Daimler/Chrysler).

Doch in der Praxis bestätigen zahlreiche langfristig erfolgreiche Unternehmen eindrucksvoll, dass die Serial-Acquirer-Methode – diszipliniert und konsequent angewandt – erhebliche Wertsteigerungen schafft. Anleger, die langfristig orientiert sind und Wert auf solides Wachstum legen, sollten diese Unternehmen daher stets im Blick behalten.


Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 0 / 5. Anzahl Bewertungen: 0

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Disclaimer: Dieser Beitrag dient lediglich zu allgemeinen Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Bitte konsultieren Sie vor jeder Anlageentscheidung einen unabhängigen Finanzberater