Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im September 2025

Die Lage im Überblick: Nach einer technischen Delle im zweiten Quartal (BIP -0,3 % q/q) steht die Konjunktur an einer zähen Bodenbildung. Der Rückgang war zu einem guten Teil ein statistischer „Rückprall“, weil Exporte in die USA im ersten Quartal vorgezogen wurden; im zweiten Quartal brach die Nachfrage dann ein und der Außenbeitrag zog 0,7 Prozentpunkte nach unten. Öffentlicher Konsum und Vorratsaufbau stabilisierten, private Konsumausgaben stagnierten, Bau- und Ausrüstungsinvestitionen schwächten sich ab.

Industrie und Außenhandel: Die Produktion legte im Juli saison- und kalenderbereinigt um 1,3 % zu; Treiber waren Maschinenbau (+9,5 %), Automobil (+2,3 %) und Pharma (+8,4 %). Energieproduktion fiel deutlich (-4,5 %). In der Dreimonatsbetrachtung ergibt sich insgesamt Stagnation mit leichten Pluszeichen in Kfz, während andere Branchen schwächeln – ein Hinweis auf sektorale Zweiteilung. Der Außenhandel blieb volatil: Nominale Ausfuhren sanken im Juli um 0,6 % gegenüber Juni, mit spürbaren Rückgängen in die USA (-7,9 %) und nach China (-7,3 %); der Monatsüberschuss schrumpfte leicht auf 7,8 Mrd. €. Preisrückgänge bei Einfuhren (-0,4 %) verbesserten die Terms of Trade marginal.

Auftragseingänge und Frühindikatoren: Bestellungen im Verarbeitenden Gewerbe fielen im Juli zum dritten Mal in Folge (-2,9 % m/m), maßgeblich wegen Einbrüchen im „Sonstigen Fahrzeugbau“; ohne Großaufträge gab es ein kleines Plus (+0,7 %). Auslandsorders schwächer als Inlandsorders; Euroraum besonders schwach. Gleichzeitig zeigt der weltweite Kontext erste Spuren der Zollpolitik: US-Importe hatten zuvor Lageraufstockungen erzeugt, nun folgt die Gegenbewegung.

Konsum und Handel: Realer Einzelhandel (ohne Kfz) im Juli -1,5 % m/m, im Jahresvergleich aber +1,8 % dank starkem Online-Handel (+14 %). Stimmung bleibt gedrückt: GfK-Konsumklima schwächt sich zum dritten Mal in Folge ab; HDE-Barometer trübt sich ein. Private Pkw-Neuzulassungen im August -2,0 % m/m, im Dreimonatsschnitt jedoch +8,5 %.

Preise: Die Inflation stieg im August leicht auf 2,2 % (Kernrate 2,7 %). Energiekosten wirken weiterhin dämpfend (-2,4 % ggü. Vorjahr), Dienstleistungen bleiben der Haupttreiber, allerdings mit nachlassender Dynamik. Perspektivisch dürfte sich die Teuerung um 2 % einpendeln, sofern keine neuen Preisschocks auftreten.

Arbeitsmarkt und Insolvenzen: Saisonbereinigt erstmals seit Ende 2022 ein leichter Rückgang der Arbeitslosigkeit; im Rohwert überschreitet die Zahl der Arbeitslosen saisonüblich die Drei-Millionen-Marke. Kurzarbeit sinkt, Beschäftigung stabilisiert sich nur zögerlich. Gleichzeitig bleiben die Unternehmensinsolvenzen hoch: Im ersten Halbjahr +12,2 % ggü. Vorjahr; im Juni +18,4 % ggü. Juni 2024, wenngleich die erwarteten Forderungen sanken – Indiz für mehr kleinere Fälle. Der IWH-Trend meldet im August ein m/m-Minus von 11,3 %, aber deutlich höhere betroffene Beschäftigtenzahlen.

Kritische Würdigung: Erstens, die Diagnose „Rückprall“ nach US-Vorzieheffekten erklärt die abrupte Exportabkühlung plausibel, ändert aber nichts am strukturellen Problem: Deutschland ist in Schlüsselbranchen (Automobil, Maschinenbau, Chemie) hoch zyklus- und politikabhängig. Die anhaltende Schwäche in Teilen der Industrie und die fragile Weltkonjunktur sprechen gegen eine rasche, breite Beschleunigung. Eine Wachstumsstory, die primär auf fiskalische Impulse und Abschreibungsverbesserungen hofft, bleibt dünn, solange Angebotshemmnisse – Energiepreise im internationalen Vergleich, Genehmigungs- und Planungszeiten, Fachkräfteknappheit, regulatorische Unsicherheit – nicht sichtbar reduziert werden. Zweitens, die Konsumnachfrage ist trotz Reallohnplus zurückhaltend. Das verweist auf verunsicherte Haushalte: Erwartungen bleiben schwach, die Sparneigung hoch, und der Arbeitsmarkt sendet gemischte Signale. Ohne spürbare Beschäftigungsdynamik und kräftigeren Produktivitätszuwachs wird privater Konsum kein selbsttragender Motor. Drittens, die Inflation nahe 2 % verschafft der Geldpolitik Handlungsspielraum, doch die Kernrate bei 2,7 % mahnt zur Vorsicht. Eine zu frühe Euphorie könnte die realen Finanzierungskosten unterschätzen – für eine mittelständische Investitionsoffensive wären verlässliche, planbare Rahmenbedingungen wichtiger als punktuelle Förderungen.

Ausblick bis Jahresende: Der Bericht erwartet, dass die Impulse der wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen im späteren Jahresverlauf „zunehmend bemerkbar“ werden und Institute eine moderate Belebung prognostizieren. Das ist nicht ausgeschlossen, doch die Belege sind ambivalent: Produktionsplus im Juli trifft auf schwache Aufträge; Exporterwartungen bleiben negativ; Mautfahrleistungsindex und spätere Werksferien deuten auf Gegenwind im August. Realistisch ist eine Seitwärtsbewegung mit leichten Pluszeichen, getragen von einzelnen Branchen, nicht von der Breite.

Marktwirtschaftliche Handlungsempfehlungen:

1) Angebotsreformen vor Intensivförderung: Schnellere Abschreibungen sind sinnvoll, aber kein Ersatz für schnellere Genehmigungen, belastbare Energiepreispfade und weniger regulatorische Volatilität. Priorität hat die Beschleunigung von Planungs- und Digitalisierungsprozessen in Verwaltung und Netzinfrastruktur.

2) Arbeitsmarkt aktivieren, nicht nur stabilisieren: Qualifizierungsoffensive und gezielte Zuwanderung in Engpassberufe sind notwendig, aber wirken nur mit konsequenter Entbürokratisierung bei Anerkennungen und einem Arbeitsrecht, das mehr Flexibilität zulässt. Die derzeitige Stagnation verlangt eine Erhöhung der Arbeitsstunden und Produktivität, nicht nur der Köpfe.

3) Außenwirtschaft resilienter aufstellen: Gegen Zolllasten und geopolitische Risiken helfen Diversifizierung der Absatzmärkte und der Bezugsquellen sowie Handelsabkommen. Mittelständler brauchen bessere Exportfinanzierung und Risikoabsicherung statt kleinteiliger Projektförderungen.

4) Investitionsklima stärken: Steuerliche Standortfaktoren (z. B. effektive Unternehmensbesteuerung, Verlustverrechnung, Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen) modernisieren, um privates Kapital anzuziehen. Öffentliche Mittel sollten Hebel sein, nicht Ersatz für Risikoübernahme des Marktes.

Was jetzt zu beobachten ist: Auftragslage ohne Großaufträge, Exportentwicklung in die USA und nach China, Industrieproduktion im August/September (Ferieneffekte!), GfK/HDE-Trends und ifo-Erwartungen, Entwicklung der Insolvenzen im Herbst sowie die Umsetzung der angekündigten Investitionsanreize in der Realwirtschaft. Diese Indikatoren entscheiden, ob die angedeutete Stabilisierung in eine tragfähige Erholungsphase übergeht.

Kurzfazit: Der Bericht zeichnet ein Bild vorsichtiger Stabilisierung mit erheblicher Unsicherheit. Politisch klingt vieles nach „Warten auf Impulse“. Aus marktwirtschaftlicher Sicht ist jedoch nicht das „Mehr“ an Programmen entscheidend, sondern das „Weniger“ an Hürden. Erst wenn Standortbremsen gelöst sind, können Maschinenbau, Auto und Pharma ihre Inseln der Stärke in eine breit getragene Erholung verwandeln. Bis dahin bleibt Deutschland konjunkturell auf Bewährung.


Quelle: Pressemitteilung – Wirtschaftliche Entwicklung

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland im September 2025

https://www.bmwk.de

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