Ein Blick in den Schweizer Maschinenraum

Man blickt auf die Schweiz und sieht: Postkarten. Berge, die so aussehen, als wären sie von einem übereifrigen Designer persönlich platziert worden, Kühe mit Glocken, die in perfekter Harmonie bimmeln, und Seen, deren Wasserqualität wahrscheinlich die von abgepacktem Mineralwasser übersteigt. Die allgemeine Stimmung? Eine tiefe, fast schon beunruhigende Gelassenheit.

Man fragt sich: Wie machen die das nur? Wie erhält man einen Zustand derart vollendeter Ruhe, während der Rest der Welt im freundlichen Chaos versinkt?

Das Geheimnis ist einfach, aber genial: Die Schweizer Gelassenheit ist keine Folge von Entspannung. Sie ist das Ergebnis einer totalen, lückenlosen und bis ins letzte Molekül durchgeplanten Kontrolle. Nichts wird dem Zufall überlassen, denn der Zufall ist der natürliche Feind der Ruhe.

Nehmen wir die heilige Pünktlichkeit der Züge. Ein Deutscher freut sich, wenn der Zug überhaupt kommt. Ein Schweizer schaut beunruhigt auf die Uhr, wenn die SBB-Durchsage eine Verspätung von zwei Minuten ankündigt. Das ist kein logistisches Problem. Das ist ein Riss im Raum-Zeit-Kontinuum, ein Anzeichen dafür, dass das Universum vielleicht doch nicht so verlässlich ist, wie es der Bundesrat versprochen hat. Die Anspannung im Waggon ist dann mit Händen zu greifen, wird aber natürlich mit stoischer Miene ertragen.

Oder das Alltagsleben. Während andere Kulturen über Freiheit und Selbstverwirklichung philosophieren, findet der Schweizer seine innere Mitte im akribischen Studium des Waschküchenplans. Wer am Dienstag von 14:00 bis 16:00 Uhr waschen darf, der wäscht. Nicht um 13:58 und schon gar nicht um 16:03. Das ist keine Bürokratie, das ist praktizierte Zen-Meditation. Ebenso das Recycling: Glas nach Farben zu trennen, ist keine lästige Pflicht, sondern eine spirituelle Übung zur Schärfung der Sinne.

Selbst die Politik atmet diese kontrollierte Ruhe. Während anderswo Revolutionen ausbrechen, stimmt die Schweiz darüber ab, ob Subventionen für die Hörner von Kühen gezahlt werden sollen. Das ist keine weltfremde Nabelschau. Das ist die bewusste Entscheidung, sich den wirklich wichtigen, den beherrschbaren Problemen zu widmen. Warum sich über globale Krisen aufregen, wenn man die exakte Krümmung einer Banane noch nicht per Volksentscheid normiert hat?

Die Schweiz ist also kein entspanntes Land. Sie ist ein Hochleistungs-Organismus, der so perfekt und reibungslos funktioniert, dass er von außen betrachtet wie im Ruhezustand wirkt. Die Gelassenheit ist das Endprodukt einer nationalen Anstrengung, die so gewaltig ist, dass man sie am besten gar nicht erst hinterfragt. Man lehnt sich einfach zurück, genießt einen Kaffee für acht Franken und ist dankbar, dass jemand anderes den Stress der Perfektion für einen übernommen hat. Beruhigend, oder?


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