Die jüngsten Äußerungen der texanischen Abgeordneten Jasmine Crockett im US-Kongress haben erneut eine alte Debatte belebt: Wie transparent und gerecht ist das amerikanische Einwanderungssystem, insbesondere in seinen elitären Kategorien? Im Zentrum der Kontroverse steht kein Geringerer als die ehemalige First Lady Melania Trump – und das sogenannte „Einstein-Visum“, das sie Anfang der 2000er Jahre erhielt.
Das EB-1-Visum, oft mit dem vielsagenden Beinamen „Einstein-Visum“ versehen, soll nach offizieller Definition Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten und internationaler Anerkennung den privilegierten Zugang in die Vereinigten Staaten ermöglichen. Es ist für Nobelpreisträger, Olympiasieger, Wissenschaftsikonen oder herausragende Künstler konzipiert – nicht für gewöhnliche Bewerber, und erst recht nicht für Durchschnitt. Ob Melania Trump diese Voraussetzungen erfüllte, bleibt hoch umstritten. Ihre Befürworter verweisen auf eine erfolgreiche Modelkarriere, ihre Kritiker bemängeln das Fehlen einschlägiger Auszeichnungen, wissenschaftlicher Beiträge oder nachhaltiger kultureller Relevanz.
Crockett ließ in ihrer Rede keinen Zweifel an ihrer Haltung: Für sie ist Melanias EB-1-Status ein Paradebeispiel für politische Bevorzugung und die fragwürdige Auslegung von Kriterien. Mit sarkastischem Unterton stellte sie die ehemalige First Lady mit Modestars wie Tyra Banks oder Naomi Campbell in Kontrast – nicht, um Mode als Berufsfeld abzuwerten, sondern um die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Leistung und formaler Anforderung zu verdeutlichen. Ihre Worte fanden schnell Widerhall – allerdings auch erbitterten Widerstand.
Die Empörung aus konservativen Kreisen ließ nicht lange auf sich warten: Von Diffamierung, Neid bis hin zur bewussten Missachtung von Melania Trumps Lebensleistung reichten die Vorwürfe. Doch hinter der Empörung verbirgt sich eine tiefere Frage: Dürfen Angehörige prominenter Familien sich auf ein Einwanderungssystem berufen, das eigentlich für die global Besten ihrer Disziplinen gedacht ist? Und wer definiert diese „Besten“?
Die Diskussion offenbart ein grundsätzliches Dilemma: Einerseits ist es in einer demokratischen Gesellschaft legitim – ja notwendig –, vermeintliche Sonderrechte von Eliten kritisch zu hinterfragen. Andererseits droht bei allzu personalisierter Kritik der Blick auf das strukturelle Problem verloren zu gehen. Es geht nicht nur um Melania Trump, sondern um die Grauzonen eines Visasystems, das zwischen objektiven Kriterien und subjektiver Ermessensauslegung schwankt.
Melania Trumps Fall steht exemplarisch für eine politische Kultur, in der symbolische Figuren zum Schlachtfeld größerer gesellschaftlicher Fragen werden. Die Kritik an ihrer EB-1-Vergabe ist berechtigt – jedoch sollte sie nicht auf der Ebene der persönlichen Herabwürdigung verharren. Vielmehr wäre eine institutionelle Aufarbeitung der EB-1-Praxis geboten: Wer entscheidet? Welche Maßstäbe gelten tatsächlich? Und wie lässt sich vermeiden, dass politische Nähe den Zugang zu privilegierten Visa begünstigt?
Die Affäre um das „Einstein-Visum“ ist also mehr als eine Fußnote in der Biografie einer First Lady. Sie ist ein Spiegelbild der Widersprüche zwischen meritokratischem Anspruch und realpolitischer Praxis – und damit ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit amerikanischer Einwanderungspolitik.