Energiepolitischen Ausrichtung unter Bundesministerin Katherina Reiche

Bundestagsdrucksache 21/1203
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion zur energiepolitischen Ausrichtung unter Bundesministerin Katherina Reiche (Stand: 12. August 2025)

Die Anfrage thematisiert die strategischen Entscheidungen der Bundesregierung im Bereich der Energiepolitik, insbesondere unter der neuen Bundesministerin für Wirtschaft und Energie, Katherina Reiche. Im Zentrum stehen Fragen zur Kraftwerksstrategie, Versorgungssicherheit, Technologieoffenheit, Steuerpolitik, Wasserstoff- und Kernenergie sowie zu geplanten Entlastungen für Wirtschaft und Verbraucher.

1. Ausbau von Gaskraftwerken ohne Wasserstoffpflicht
Die Bundesregierung plant den wettbewerblichen Ausbau von rund 40 Gaskraftwerken mit mindestens 20 GW Leistung, insbesondere in Süddeutschland. Eine verpflichtende Wasserstofftauglichkeit ist nicht vorgesehen. Die Standortwahl erfolgt durch Ausschreibungsverfahren. Die Projekte müssen langfristig dekarbonisierbar sein, was im Einklang mit nationalen und europäischen Klimazielen stehe.

2. Realitätscheck der Energiewende & Systemkosten
Ein „Realitätscheck“ wird durch eine alle vier Jahre erscheinende Systementwicklungsstrategie geleistet. Diese soll Systemkosten und Ausbauziele transparent darstellen. Eine belastbare Kosten-Nutzen-Analyse steht jedoch noch aus.

3. Versorgungssicherheit & Dunkelflauten
Zur Sicherung der Versorgung bei schwankender Einspeisung (Dunkelflauten) analysiert die Bundesregierung kontinuierlich markt- und netzseitige Risiken. Maßnahmen zur Netzstabilität und -sicherheit werden fortlaufend angepasst.

4. Technologieoffenheit & SMR-Forschung
Trotz Festhaltens am Atomausstieg signalisiert die Bundesregierung Offenheit gegenüber EU-Fördermitteln für Forschung an kleinen modularen Reaktoren (SMR). Eine Kehrtwende in der deutschen Atompolitik lehnt sie jedoch ausdrücklich ab. Die EU-Taxonomie sei technologieoffen, aber ohne konkrete nationale Verpflichtung zur Nutzung dieser Optionen.

5. Entlastungen bei Stromsteuer und Netzentgelten
Geplant ist die Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß für das produzierende Gewerbe sowie die Abschaffung der Gasspeicherumlage. Weitere Maßnahmen zur Entlastung der Strompreise werden vorbereitet und sollen ab 2026 wirksam werden.

6. Industriestrompreis & Wettbewerbsfähigkeit
Die Bundesregierung unterstützt die Einführung eines Industriestrompreises im Rahmen des EU-Beihilferahmens (CISAF). Sie setzt sich außerdem für eine Verlängerung der Strompreiskompensation über 2030 hinaus ein.

7. Südbonus und Förderung regionaler Kraftwerkskapazitäten
Ein „Südbonus“ für Kraftwerksstandorte im netztechnischen Süden (nicht deckungsgleich mit dem geografischen Süden) soll gezielt Anreize setzen. Grundlage ist ein Konsultationspapier der Vorgängerregierung. Rechtliche, finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen befinden sich in Prüfung.

8. Gasimporte, LNG & geopolitische Risiken
Gasimporte erfolgen marktgetrieben durch Unternehmen. Deutschland bezieht Gas primär aus Norwegen, den Niederlanden, Belgien und den USA (LNG). Die Frage nach „Lock-in“-Effekten durch neue fossile Infrastruktur wird mit Verweis auf langfristige Klimaziele und mögliche Dekarbonisierungstechniken beantwortet. Aussagen zu Kosten, CO₂-Bilanz oder Preisentwicklungen verweigert die Bundesregierung mit dem Verweis auf nicht finalisierte Strategiepläne.

9. Stromausfälle in Spanien/Portugal & deutsche Netzsicherheit
Auf Fragen zu den Ursachen und Konsequenzen der Stromausfälle im April 2025 in Südeuropa verweist die Bundesregierung auf frühere Antworten (BT-Drucksachen 21/522, 21/785, 21/295, 21/679). Konkrete Maßnahmen deutscher Netzbetreiber oder strukturelle Anpassungen werden nicht detailliert beantwortet.

Kritische Würdigung
Die Bundesregierung vermeidet weitgehend präzise Aussagen zur konkreten Ausgestaltung ihrer Energiepolitik. Wesentliche Punkte – etwa zu Standortwahl, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, Preisentwicklungen und Versorgungsrisiken – bleiben unbeantwortet oder vage. Dies lässt auf eine noch unausgereifte Strategie schließen oder verweist auf bewusste Zurückhaltung im politischen Prozess. Besonders auffällig ist die Diskrepanz zwischen der offiziell ablehnenden Haltung zur Kernenergie und der gleichzeitigen Öffnung gegenüber EU-finanzierter SMR-Forschung – ein diplomatisch-ambivalentes Signal. Die geplanten Entlastungen für Industrie und Wirtschaft sind grundsätzlich zu begrüßen, müssen jedoch gegen fiskalische Realität und klimapolitische Zielsetzungen abgewogen werden. Die energiepolitische Linie der Ministerin Reiche verfolgt pragmatisch-marktliberale Ansätze, stellt sich jedoch den strukturellen Zielkonflikten zwischen Versorgungssicherheit, Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit bislang nur bedingt.


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