Quelle: Deutscher Bundestag, Drucksache 21/1524 – Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Bessin, Martin Reichardt, Otto Strauß und der Fraktion der AfD – Drucksache 21/1341.
1. Einleitung und Hintergrund der Anfrage
Die vorliegende Drucksache ist die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion bezüglich der Entwicklung der Familien in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Die Anfrage wurde motiviert durch die am 17. Juli 2025 bekannt gegebenen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die eine Geburtenziffer von 1,35 Kindern je Frau im Jahr 2024 aufzeigen. Dies ist die niedrigste Geburtenziffer für Frauen mit deutscher Staatsangehörigkeit seit 30 Jahren. Die Fragesteller betonen die „dringende Notwendigkeit, ein möglichst detailliertes Gesamtbild über Familien in Deutschland und ihre soziale, berufliche und finanzielle Lebenssituation zu erhalten“, um „Anregungen für politische Handlungsansätze zu erhalten, die zu einer Hebung der Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung und zu einer besseren Familienförderung beitragen können.“ (Drucksache 21/1524, S. 1). Um die Bevölkerungszahl ohne Zuwanderung stabil zu halten, wären rechnerisch etwa 2,1 Kinder pro Frau notwendig.
2. Demografische Entwicklung und Familienstrukturen
2.1. Gesamtzahl der Familien mit minderjährigen Kindern
Die Anzahl der Familien mit mindestens einem Elternteil und einem minderjährigen Kind hat seit 1991 einen Abwärtstrend gezeigt, mit einigen Schwankungen.
- 1991: 9.384.000 Familien
- Höchstwert: 9.494.000 Familien im Jahr 1995
- Tiefstwert: 8.034.000 Familien im Jahr 2015
- 2024: 8.388.000 Familien (Anlage 1 zu Frage 1 und 2)
2.2. Alleinerziehende Elternteile
Die Zahl der alleinerziehenden Elternteile hat sich ebenfalls verändert:
- 1991: Insgesamt 1.144.000 Alleinerziehende (1.010.000 Mütter, 134.000 Väter)
- Höchstwert: 1.645.000 Alleinerziehende im Jahr 2015
- 2024: 1.577.000 Alleinerziehende (1.335.000 Mütter, 242.000 Väter). Der Anteil der alleinerziehenden Väter hat sich fast verdoppelt. (Anlage 1 zu Frage 1 und 2)
2.3. Eheschließungen und Ehescheidungen
Eheschließungen:
- Die Gesamtzahl der Eheschließungen ist von 516.388 im Jahr 1990 auf 349.216 im Jahr 2024 gesunken.
- Eheschließungen zwischen deutschen Ehepartnern sind von 402.825 (1991) auf 298.387 (2024) zurückgegangen.
- Eheschließungen zwischen deutschen und ausländischen Ehepartnern schwankten, lagen aber 2024 bei 40.932 (von 43.955 in 1991).
- Eheschließungen zwischen ausländischen Ehepartnern haben zugenommen, von 7.511 (1991) auf 9.897 (2024).
- Es wird darauf hingewiesen, dass der Migrationshintergrund in der Statistik der Eheschließungen nicht erhoben wird. (Drucksache 21/1524, S. 2)
Ehescheidungen:
- Die Gesamtzahl der Ehescheidungen erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 2004 mit 213.691 und ist bis 2024 auf 129.337 gesunken.
- Scheidungen von Ehepaaren ohne ausländische Staatsangehörigkeit folgten einem ähnlichen Trend, von 121.939 (1991) auf 106.544 (2024).
- Scheidungen von Ehepaaren mit einem ausländischen Ehegatten waren 1991 bei 10.996 und 2024 bei 14.428.
- Scheidungen von Ehepaaren, bei denen beide Ehegatten eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, sind von 3.382 (1991) auf 8.365 (2024) gestiegen.
- Auch hier wird der Migrationshintergrund nicht erhoben. (Drucksache 21/1524, S. 3)
2.4. Geburten nach Staatsangehörigkeit der Mutter
- Gesamtzahl der Lebendgeborenen deutscher Mütter ist von 722.076 (1991) auf 482.796 (2024) signifikant gesunken.
- Gesamtzahl der Lebendgeborenen ausländischer Mütter ist von 107.943 (1991) auf 194.321 (2024) gestiegen.
- In den frühen 2000er Jahren waren türkische Mütter die häufigste ausländische Nationalität. Ab 2016 übernahmen syrische Mütter diese Position und stellen im Jahr 2024 mit 21.561 Geburten die größte Gruppe dar, gefolgt von türkischen (16.968) und rumänischen Müttern (13.599). Ukrainische Mütter verzeichneten einen deutlichen Anstieg, von 8.049 im Jahr 2022 auf 11.045 im Jahr 2024, was wahrscheinlich auf die Fluchtmigration zurückzuführen ist. (Anlage 2 und 3 zu Frage 5)
- Wichtiger Hinweis: Daten nach Migrationshintergrund liegen in der Statistik der Geburten nicht vor, lediglich nach Staatsangehörigkeit. (Drucksache 21/1524, S. 4)
2.5. Familien nach Kinderzahl
- Die Mehrheit der Familien hat ein oder zwei Kinder.
- Familien mit einem Kind sind von 3.807.000 (1991) auf 3.262.000 (2024) zurückgegangen.
- Familien mit zwei Kindern sind von 4.115.000 (1991) auf 3.680.000 (2024) zurückgegangen.
- Die Zahlen für Familien mit drei oder mehr Kindern sind durchweg geringer und zeigen ebenfalls tendenziell einen Rückgang. Zum Beispiel gab es 1991 1.110.000 Familien mit drei Kindern, während es 2024 1.099.000 waren. (Anlage 4 zu Frage 6)
3. Erwerbstätigkeit der Eltern
3.1. Paare mit minderjährigen Kindern
- Der Anteil der Paare, bei denen beide Elternteile erwerbstätig sind, ist von 4.527.000 (1991) auf 5.081.000 (2024) gestiegen. Dies deutet auf eine Zunahme des Zwei-Verdiener-Modells hin.
- Der Anteil der Paare, bei denen genau ein Elternteil erwerbstätig war, ist von 3.417.000 (1991) auf 1.436.000 (2024) stark zurückgegangen. Innerhalb dieser Gruppe ist der Anteil der „nur Vater erwerbstätig“ stark gesunken, während der „nur Mutter erwerbstätig“ Anteil von 242.000 (1991) auf 225.000 (2024) relativ stabil geblieben ist. (Anlage 5 zu Frage 7 und 8)
3.2. Alleinerziehende Elternteile
- Die Erwerbstätigenquote unter alleinerziehenden Müttern ist gestiegen: Von 700.000 (1991) auf 954.000 (2024), bei einer Gesamtzahl von 1.335.000 alleinerziehenden Müttern in 2024.
- Auch bei alleinerziehenden Vätern gab es einen Anstieg der Erwerbstätigkeit von 107.000 (1991) auf 204.000 (2024), bei einer Gesamtzahl von 242.000 alleinerziehenden Vätern in 2024. (Anlage 5 zu Frage 7 und 8)
4. Einkommensgruppen und soziale Leistungen
4.1. Einkommensgruppen
Die Bundesregierung verweist für detaillierte Informationen zu Einkommensgruppen auf die europäische Erhebung über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) und die Genesis-Tabelle des Statistischen Bundesamtes. Es wird darauf hingewiesen, dass ein inhaltlicher Vergleich der Ergebnisse ab 2020 mit den Vorjahren aufgrund methodischer Änderungen nicht möglich ist („Zeitreihenbruch“). (Drucksache 21/1524, S. 4-5)
4.2. Steuerliche Entlastungen
Informationen zu steuerlichen Entlastungsmaßnahmen und den davon profitierenden Familienmodellen sind dem Einkommensteuergesetz und der Datensammlung zur Steuerpolitik des BMF zu entnehmen. Eine detaillierte Auflistung wird nicht direkt in der Drucksache gegeben. (Drucksache 21/1524, S. 5)
4.3. Sozialleistungen
Die Verfügbarkeit von Daten zu Sozialleistungen variiert je nach Leistung und Berichtszeitraum:
- Kinderzuschlag: Eingeführt 2005. Daten über die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit verfügbar.
- Bürgergeld (ehem. SGB II Leistungen): Angaben ab 2005 verfügbar, ebenfalls über die Bundesagentur für Arbeit.
- Wohngeld: Angaben bis 2017 in Fachserie 13, Reihe 4 des Statistischen Bundesamtes; für 2005-2023 in der Genesis-Tabelle. Daten für 2024 liegen noch nicht vor.
- Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz: Angaben für Haushalte für 1994-2017 in Fachserie 13, Reihe 7. Für die Jahre 2018-2023 wird eine Zunahme der Haushalte berichtet, von 247.059 (2018) auf 307.370 (2023). Daten für 2024 liegen noch nicht vor.
- Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket: Angaben ab 2012 (SGB XII) bzw. 2016 (SGB II und AsylbLG). Die Statistik wird auf Personenebene geführt, nicht für Bedarfsgemeinschaften oder Haushalte. (Drucksache 21/1524, S. 5-7)
5. Methodische Hinweise
Die Vergleichbarkeit der Zeitreihen ist aufgrund mehrerer methodischer Veränderungen im Mikrozensus eingeschränkt, insbesondere in den Jahren 2005, 2011, 2016, 2017, 2020 und 2021. Diese Änderungen betreffen unter anderem die Erhebungsmethodik, die Hochrechnungsbasis und die Definition von unverheirateten Paaren. (Anlage 1, 4, 5)