Einen ETF wie den MSCI World temporär zu verkaufen und später wieder einzusteigen, ist auf den ersten Blick verlockend, um vermeintlich günstige Kauf- und Verkaufsmomente auszunutzen. Doch in der Praxis erweist sich diese Strategie meist als schwierig – oder sogar kontraproduktiv.
Warum Anleger überhaupt ans Verkaufen denken
Vor allem in volatilen Marktphasen, Krisenzeiten oder bei stark gestiegenen Kursen denken Anleger häufig darüber nach, ihren ETF zeitweise abzustoßen, um Verluste zu vermeiden oder Gewinne mitzunehmen. Der Gedanke dahinter ist simpel: Man versucht, günstig wieder einzusteigen, nachdem die Kurse gefallen sind, um so zusätzlichen Gewinn zu generieren. Diese Vorgehensweise nennt man auch Market Timing.
Market Timing: Theorie vs. Realität
Theoretisch klingt die Idee attraktiv. Die Realität sieht allerdings deutlich komplizierter aus. Zahlreiche wissenschaftliche Studien und empirische Analysen zeigen, dass nur sehr wenige Anleger konsequent in der Lage sind, den optimalen Ein- und Ausstiegszeitpunkt vorherzusagen. Selbst Profis scheitern regelmäßig daran, kurzfristige Marktentwicklungen zuverlässig vorauszusehen.
Ein ETF auf den MSCI World umfasst über 1 500 Unternehmen aus den entwickelten Ländern weltweit. Hier kurzfristig präzise Vorhersagen treffen zu wollen, gleicht einem Glücksspiel. Historisch gesehen ist es äußerst unwahrscheinlich, dauerhaft erfolgreicher zu sein als eine einfache Buy-and-Hold-Strategie – also der konsequente Kauf und das langfristige Halten eines ETFs.
Was spricht konkret gegen den temporären Verkauf?
1. Transaktionskosten und steuerliche Nachteile
Jeder Kauf und Verkauf verursacht Kosten: Transaktionsgebühren, eventuelle Handelskosten sowie möglicherweise Steuern auf erzielte Gewinne (Abgeltungsteuer in Deutschland). Diese Nebenkosten zehren langfristig an der Rendite.
2. Risiko, den Wiedereinstieg zu verpassen
Ein noch größeres Risiko als die Kosten ist, dass man den optimalen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg nicht trifft. Wenn nach dem Verkauf unerwartet positive Nachrichten die Märkte antreiben, wartet man vergeblich auf die erhoffte Korrektur und steigt letztlich zu höheren Kursen wieder ein. Dadurch verliert man Renditepotenzial gegenüber Anlegern, die kontinuierlich investiert geblieben sind.
3. Psychologische Fallen
Emotionale Fehlentscheidungen sind häufig: Anleger, die einmal verkaufen, tendieren dazu, durch Zweifel und Unsicherheit ihre Strategie immer wieder infrage zu stellen. Häufige Käufe und Verkäufe folgen oft irrationalen Emotionen wie Angst, Euphorie oder Unsicherheit statt rationalen Erwägungen. Dies kostet langfristig Geld.
Wann könnte ein temporärer Verkauf dennoch sinnvoll sein?
Trotz all dieser Argumente gibt es durchaus Situationen, in denen ein vorübergehender Verkauf gerechtfertigt sein kann:
- Persönliche Finanzplanung: Wenn man kurz- bis mittelfristig Geld benötigt (z. B. für Hauskauf, Familienplanung oder unerwartete Ausgaben), kann ein Verkauf nötig sein.
- Strategische Umschichtungen: Ein Verkauf macht Sinn, wenn man feststellt, dass der MSCI World nicht mehr zur eigenen Anlagestrategie passt – etwa, weil man das Portfolio diversifizieren möchte (z. B. mehr Schwellenländeranteil).
- Gezielte Gewinnmitnahmen zur Rebalancierung: Wenn die Aktienquote durch Kurssteigerungen deutlich gestiegen ist, könnte es strategisch klug sein, Gewinne mitzunehmen und neu auszubalancieren.
Alternative Strategien: Cost-Average und Rebalancing
Alternativen zum riskanten Market Timing wären:
- Cost-Average (regelmäßiges Investieren): Durch kontinuierliches Investieren (monatlicher ETF-Sparplan) glättet man den Einstiegskurs langfristig. Dies ist insbesondere bei langfristiger Perspektive sinnvoll.
- Rebalancing: Gezieltes Zurücksetzen der Portfoliogewichtung (z. B. einmal jährlich), um das Risikoprofil beizubehalten. Dabei werden Gewinne systematisch mitgenommen und in schwächere Positionen umgeschichtet, ohne dass man großflächig ein- und aussteigt.
Fazit: Langfristig schlägt Buy-and-Hold meist das Market Timing
Aus wissenschaftlicher und empirischer Perspektive ist die Buy-and-Hold-Strategie langfristig deutlich erfolgreicher als der Versuch, Marktbewegungen kurzfristig auszunutzen. Ein MSCI World ETF ist speziell dafür geeignet, langfristig von der globalen Wirtschaftsentwicklung zu profitieren.
Ein temporärer Verkauf ist nur in Ausnahmefällen ratsam, etwa aus persönlichen, finanziellen oder strategischen Gründen. Wer langfristig und konsequent investiert bleibt, vermeidet hohe Transaktionskosten, psychologische Fehler und das Risiko, Renditechancen zu verpassen.