Die Europäische Kommission hat überraschend ihre Pläne fallen gelassen, eine Digitalsteuer für Technologiekonzerne wie Apple, Meta und andere US-Giganten zu erheben. Dies markiert eine diplomatische und wirtschaftspolitische Niederlage der EU und zugleich einen außenpolitischen Sieg für den damaligen US-Präsidenten Donald Trump, der offen mit Strafzöllen gegen Kanada drohte, um ähnliche Besteuerungen zu verhindern. Die Entscheidung signalisiert eine fundamentale Kehrtwende der EU, die noch im Mai eine solche Digitalabgabe in Erwägung gezogen hatte, um ihre gemeinsame Verschuldung nach der Covid-Krise zu tilgen.
Stattdessen plant die EU-Kommission nun alternative Einnahmequellen: Eine Steuer auf Elektroschrott, eine EU-weite Abgabe auf Tabakprodukte sowie eine Abgabe auf große Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 50 Millionen Euro. Ziel ist es, jährlich 25 bis 30 Milliarden Euro zur Schuldentilgung zu generieren. Die vorgeschlagene Tabaksteuer würde nationale Besteuerungen teilweise ersetzen – ein Schritt, der insbesondere in Südeuropa sowie in Schweden auf Widerstand stößt. Letztere lehnt es kategorisch ab, Teile ihrer nationalen Einnahmen an Brüssel abzugeben.
Darüber hinaus bekräftigte die Kommission ihre Absicht, eine sogenannte CO₂-Grenzabgabe (Carbon Border Tax) sowie eine anteilige Umleitung von Einnahmen aus dem Emissionshandel (ETS) in den EU-Haushalt vorzuschlagen. Allerdings sollen nur kleine Teile der ETS-Erlöse zentralisiert werden, um Bedenken vor allem osteuropäischer Mitgliedsstaaten zu beschwichtigen. Auch der geplante Ausbau des Emissionshandels auf Gebäude und den Straßenverkehr (ETS2) – der ab 2027 in Kraft treten soll – wird nicht zur EU-Finanzierung beitragen.
Die vorgeschlagenen neuen Einnahmen bedürfen der Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten und werden Gegenstand langwieriger und voraussichtlich konfliktreicher Verhandlungen sein. Das Vorhaben offenbart somit erneut die strukturelle Schwierigkeit der EU, eigenständige fiskalische Handlungsfähigkeit zu erlangen – und zeigt gleichzeitig die geopolitische Wirksamkeit wirtschaftlicher Drohgebärden seitens der Vereinigten Staaten.
Kritische Einordnung:
Die Rücknahme der Digitalsteuer ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich. Erstens kapituliert die EU damit faktisch vor der ökonomischen und politischen Erpressbarkeit durch die Vereinigten Staaten. Zweitens verliert sie ein strategisches Instrument zur gerechten Besteuerung global agierender Digitalkonzerne, die oft durch komplexe Verrechnungspreise ihre Steuerpflicht in Europa minimieren. Drittens verschiebt die EU ihre fiskalische Handlungsfähigkeit auf klassische Konsumsteuern, die tendenziell regressiv wirken und einkommensschwächere Haushalte stärker belasten. Die geplanten Maßnahmen verlagern die Last somit auf europäische Verbraucher und Unternehmen, statt systematisch auf transnationale Steuervermeidung zu reagieren. Dies könnte langfristig nicht nur fiskalisch ineffizient sein, sondern auch politisch destabilisierend wirken.