Manchmal klingt Politik wie ein Versuch, eine Schachtel Aspirin als Kaviar zu verkaufen. Ursula von der Leyen preist den Handelsdeal mit den USA als „das Bestmögliche“, was man in unsicheren Zeiten erreichen konnte. Stabilität sei gewonnen, Millionen Arbeitsplätze gesichert, und Europa habe einen relativen Vorteil gegenüber anderen Wettbewerbern. Klingt nach einer Rettungstat, beinahe nach Staatskunst. Doch wer genauer hinhört, erkennt: Es handelt sich nicht um ein Festmahl, sondern um eine bittere Medizin, hübsch verpackt.
Die Logik, Europa habe „das Bestmögliche herausgeholt“, ist die klassische Verteidigungsrhetorik eines Politikers, der weiß, dass er keine Begeisterung, sondern nur Schadensbegrenzung vorweisen kann. Man könnte sagen: Das Glas ist halb voll. Realistischerweise ist es aber schlicht halb leer. Denn der Deal bedeutet vor allem eines – Europa akzeptiert die Bedingungen der Vereinigten Staaten und verkauft das als Triumph.
Ja, richtig ist: Die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen sind immens wichtig, Exporte im Wert von über 500 Milliarden Euro jährlich sind eine Hausnummer. Doch eine Partnerschaft, die im Kern darauf hinausläuft, dass die USA höhere Zölle für andere Staaten erheben, während Europa glimpflicher davonkommt, ist kein Beweis für Stärke, sondern für Abhängigkeit. Wer sich freut, weniger hart getroffen zu werden als andere, feiert das Privileg, nicht die Peitsche, sondern nur die Rute zu spüren.
Von der Leyens Argument, Europa behalte seine eigenen Standards und werde „immer selbst entscheiden“, wirkt in diesem Kontext wie eine trotzig vorgetragene Versicherung. Natürlich wird Europa nicht über Nacht amerikanische Umwelt- oder Digitalregeln übernehmen. Aber die eigentliche Frage lautet: Wie viel politischer Spielraum bleibt noch, wenn die wirtschaftliche Stabilität an einen Deal geknüpft ist, dessen Bedingungen primär Washington diktiert? Souveränität ist mehr als die Freiheit, Details selbst zu regeln – sie bemisst sich an der Fähigkeit, Alternativen zu haben.
Der Hinweis auf das drohende „Chaos“ eines Handelskrieges klingt wie die Drohkulisse eines Versicherungsvertreters, der eine Police verkaufen will: Stellen Sie sich vor, Ihr Haus brennt – und nur wir bieten Ihnen Schutz. Natürlich will niemand einen Handelskrieg. Aber die Vermeidung des Schlimmsten als politisches Verdienst zu verkaufen, ist so, als würde ein Autofahrer stolz berichten, er sei nicht gegen die Wand gefahren.
Hinzu kommt der geopolitische Unterton, der den Deal mit moralischem Pathos auflädt: Angesichts der Achse China–Russland–Nordkorea müsse Europa an der Seite der USA stehen. Das klingt plausibel, verschiebt aber das Problem. Denn je enger sich Europa wirtschaftlich an Washington bindet, desto weniger kann es für sich beanspruchen, ein eigener geopolitischer Pol zu sein. Statt „strategischer Autonomie“ bleibt Abhängigkeit – diesmal wohlfeil als Partnerschaft etikettiert.
Das eigentliche Dilemma liegt also darin, dass der Deal nicht als Stärke, sondern als Notlösung daherkommt. Europa ist wirtschaftlich zu sehr mit den USA verflochten, um ernsthaft eine Alternative zu haben. Die Rhetorik des „bestmöglichen Kompromisses“ kaschiert, dass Brüssel im Grunde nur reagiert, statt zu gestalten. Und vielleicht ist genau das der wunde Punkt: Europa hat es bislang nicht geschafft, sich eine echte Verhandlungsposition aufzubauen. Wer keine Alternative hat, verhandelt immer aus der Schwäche heraus.
Von der Leyen wird sich in Straßburg mit dem Verweis auf die Millionen geschützten Arbeitsplätze Applaus aus der Mitte sichern. Aber die Frage bleibt, ob man die Bevölkerung mit dieser Art von Pragmatismus dauerhaft überzeugen kann. Wer Stabilität als politischen Erfolg verkauft, riskiert, dass die Menschen irgendwann fragen: Wo bleibt eigentlich die Vision?
Fazit: Der Handelsdeal mit den USA ist kein Meisterstück, sondern ein notwendiger Pflasterverband. Er lindert die akuten Schmerzen, ohne die Ursache zu heilen. Europa bleibt abhängig – und Ursula von der Leyen hat das hübsch in Worte gegossen. Doch wer eine Tablette als Festmahl serviert, darf sich nicht wundern, wenn der Appetit bald verfliegt.